Mitgefühl
Schriftstellen:
Lesung aus dem Buch Jesaja 52,13-53,12.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Johannes 18,1-19,42
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Der Karfreitag ist die Nagelprobe, ob der Mensch zum Mitgefühl fähig ist. Pilatus wäscht die Hände in Unschuld, die Hohepriester verurteilen einen Schuldlosen zum Tod, die Soldaten treiben ihren Spott mit Jesus. Und nachdem Jesus dasteht, geschunden und verspottet, als König frech verhöhnt, sagt Pilatus in seiner Muttersprache: „Ecce homo – seht da, der Mensch!“ Vor dem geschundenen Jesus steht die Frage: Bewegt mich Jesus zum Mitgefühl? Gott kann nicht leiden, wohl aber mitleiden. Denken wir an den barmherzigen Samariter. Als er den von den Räubern zu Boden Geschlagenen hat er Mitleid mit ihm. Das ist eigentlich zu schwach übersetzt. Wörtlich bewegt ihn das Ganze so, dass es ihm die Eingeweide aufreißt, dass ihm dieser Schmerz in die Gedärme fährt.
Die Frage ist, ob ich zum Mitgefühl fähig bin, zum Mitleiden. Da zeigt sich wozu der Mensch fähig ist, wenn er mit der Welt, mit dem Nächsten mitleiden kann. Oder ist es nicht oft so, dass der Mensch vor lauter Feigheit, Bequemlichkeit und Trägheit kein Erbarmen mehr kennt. Es geht um das Hinschauen mit dem Herzen. Wer Leid begegnet, der kann entweder hinschauen oder wegschauen, weitergehen oder stehenbleiben. Damals sind auch viele stehen geblieben, sie haben das Schild am Kreuz gelesen und sind wieder weiter gegangen. Sie sind aus Neugier stehen geblieben und dem Gekreuzigten mit sachlichem Abstand und gewisser Distanz begegnet. Aber es sind auch Menschen stehen geblieben, denen das Ganze zu Herzen gegangen ist.
Die traditionellen Bilder sprechen von Maria, der Mutter des Herrn, dem Lieblingsjünger Johannes und Maria von Magdala. Sie haben nicht weggeschaut. Sie sind stehen geblieben, haben mitgefühlt und mitgelitten. Wenn wir heute den Karfreitag feiern, an dem es doch eigentlich nichts zu feiern gibt, dann müssen wir hineingehen in diese Schule des Kreuzes, „das Kreuz ist mein Buch,“ hat der heilige Bruder Konrad von Parzham gesagt, um das Mitleiden und das Mitgefühl zu lernen. Amen.