Donnerstag 25. April 2024

Brücken bauen – Spaltungen überwinden

Sozialpredigt zum 2. Adventssonntag

(5. Dezember 2021) | Lesejahr C
Autor: Peter Habenschuß, Referent Fachbereich Arbeit d. Kath. Jugend OÖ; 
Jugendleiter Treffpunkt mensch & arbeit Nettingsdorf

Lk 3,1–6

Liebe Gottesdienstgemeinde,

 

wir durchleben gerade eine Zeit, wie sie die meisten von uns noch nie erlebt haben. Die Covid-19-Pandemie zeigte und zeigt nach wie vor viele Facetten unserer Gesellschaft auf – nicht nur die positiven. Es zeigt sich, dass wir in einer Welt und Zeit leben, die geprägt ist von Spaltungen. Eine Spaltung zwischen ARM und REICH, eine Spaltung zwischen MÄCHTIG und MACHTLOS, eine Spaltung zwischen JUNG und ALT, eine Spaltung zwischen GEIMPFT und UNGEIMPFT. 


Das heißt, dass sich Menschen den Rücken zukehren, auseinander gehen und sich voneinander entfernen. Manche dieser Spaltungen sind allerdings alles andere als neu. Schon zu Zeiten Jesu gab es sie. Das sehen wir auch im heutigen Evangelium. 
Lukas gibt zu Beginn der Perikope an, in welcher Zeit wir uns befinden. Er macht dies indem er die Herrschenden und die Mächtigen auflistet – sowohl weltliche als auch geistliche. Interessanterweise führt uns die Erzählung dann aber an einen völlig anderen Ort, an einen Ort, an dem genau diese Mächtigen nicht im Zentrum des Geschehens stehen, an einen Ort, an dem diese Spaltungen keine Rolle spielen, wo Macht und Reichtum keine Rolle spielen – in die Wüste. 
In der Wüste, da wo scheinbar kein Leben möglich ist, findet Gottes Wort fruchtbaren Boden in Johannes. Wüste bedeutet oft ein Angewiesen-Sein auf Gott und andere Menschen. Die Wüste gilt als Ort der Nähe Gottes. Es gibt keinen ablenkenden Überfluss, keine Macht, nach der man streben könnte und keinen Reichtum, den man anhäufen könnte. In der Wüste geht es um ein bescheidenes Überleben. Und genau in dieser Bescheidenheit ist man besonders empfänglich für die Nähe und Worte Gottes. Und so macht sich Johannes auf und ruft die Menschen zur Umkehr, um Gott den Weg zu bereiten. 
Doch was kann das bedeuten? Was bedeutet es umzukehren? Umkehr meint in erster Linie nicht die Abkehr vom Unglauben hin zum Glauben an Gott. Umkehr meint vielmehr das Zurückkehren zu einer Lebensweise im Sinne JHWHs.

 

Das ist eine Lebensweise, die ein Leben in Fülle für alle Menschen ermöglicht. 1 Dazu braucht es einen Blick auf die Gesamtheit der Menschen. Es braucht einen Blick, der Weggeht vom NUR-ICH, hin zum WIR – zu einem WIR, in dem alle den gleichen Wert haben. Der Blick – die Vision – geht in Richtung einer Gesellschaft, in der man nicht nur nach Macht und Reichtum strebt, sondern nach Fülle für alle. Und diese Gesellschaft schließt auch niemanden aus. Die gesamte Menschheit ist Teil davon. Eine Gesellschaft, in der es nicht ARM und REICH gibt. Eine Gesellschaft, in der es nicht MÄCHTIG und MACHTLOS gibt. Eine Gesellschaft, in der JUNG und ALT, in der sich GEIMPFTE und UNGEIMPFTE einander auf Augenhöhe begegnen und in Dialog treten. Möglicherweise ist es auch das, was Jesaja meint, wenn er davon schreibt, Straßen gerade zu machen, Schluchten aufzufüllen, Berge und Hügel abzutragen, Krummes gerade machen, unebene Wege zu ebnen, um dem Herrn den Weg zu bereiten. Und ein Bild könnte man noch hinzufügen: Brücken bauen. Wir bereiten Gott den Weg indem wir Brücken zwischen den Menschen bauen und Spaltungen bzw. Spalten überwinden.

 

Gerade die Adventzeit, in der wir uns auf das Kommen Jesu vorbereiten, lädt dazu ein, in Richtung dieser Vision loszuschreiten – Schritt für Schritt. Indem wir uns bewusst einander zuwenden und aufeinander zugehen. So wie es in dem bekannten Kinderlied Von Mensch zu Mensch eine Brücke bauen heißt: „Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen miteinander umzugehen.“ Und weiter heißt es: Von Mensch zu Mensch eine Brücke bauen, dem Anderen tief in die Augen schauen, in jedem Menschen das Gute sehen und nicht an ihm vorübergehen. Wenn für Kinder getextet wird, passiert das meist in einfacher und ganz klarer Sprache. Und diese zwei Sätze aus dem Lied zeichnen einen deutlichen Weg in Richtung unserer Vision.

 

Der erste Satz macht deutlich, dass es ein gemeinsamer Weg ist. Wir müssen gemeinsam und voneinander lernen, wie wir miteinander umgehen. Das mag für viele seltsam klingen. Wir wissen doch, wie wir miteinander umgehen. Doch wenn man unsere kapitalistische Gesellschaft betrachtet, in der immer nach mehr und mehr gestrebt wird und dabei andere ausgebeutet werden, dann lohnt es sich eventuell doch, sich diesen Satz zu Gemüte zu führen. Müssen wir erst wieder neu lernen, wie wir miteinander leben können? Müssen wir die Lebensweise, die uns einst von JHWH vorgegeben wurde, erst wieder neu entdecken und gemeinsam unter uns Menschen neu verhandeln?

 

Der zweite Satz schlägt vor, wie wir uns als Einzelne ganz konkret verhalten und einander begegnen sollen. Er gibt auch eine Möglichkeit vor, wie dieses voneinander Lernen, dieses gemeinsame „Verhandeln“, gelingen kann. Indem wir uns zuallererst einmal wirklich begegnen, wir uns Zeit nehmen einander in die Augen zu blicken und auf Augenhöhe in Dialog treten.

Das sind einfache Worte und Sätze, mit ganz viel Aussagekraft, die wir uns für diese Adventzeit und darüber hinaus mitnehmen können.

Die Zeit der Covid-19-Pandemie wird womöglich vielen als Zeit der Spaltungen in Erinnerung bleiben. Familien und Freund*innen, die sich gut verstehen, hören auf miteinander zu kommunizieren, wenn es um Themen wie Impfung, Schutzmaßnahmen und ähnliches geht. Emotionen gehen hoch und Argumentationen runter. Der Weg, der aus dieser Krise herausführt, kann jedoch nur auf eine Art gegangen werden: gemeinsam. Wir müssen solidarisch handeln und aufeinander Acht geben. Wir müssen miteinander kommunizieren und nicht nur die Schuld zuweisen. Das gilt nicht nur für die Spaltungen, die das Thema Covid-19 hervorbringt. Das gilt auch für die anderen Spaltungen in unserer Gesellschaft.


In diesem Sinne wünsche ich uns eine Adventzeit, in der wir aufeinander zugehen...

…eine Adventzeit, in der wir voneinander lernen…

…eine Adventzeit, in der wir uns in die Augen sehen…

…eine Adventzeit, in der wir von Mensch zu Mensch eine Brücke bauen…

…und uns so auf den Weg machen in Richtung einer wahrlich gerechten und solidarischen Welt, in der die Spaltungen Schritt für Schritt überwunden werden.

 

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