Freitag 19. April 2024

Warum du, Zachäus?

Sozialpredigt zum 31. Sonntag (3. November 2019) im JK, LJ C

 

Autorin: Mag.a Lucia Göbesberger, Leiterin der Abteilung Gesellschaft & Theologie

 

Warum du, Zachäus? So werden sich wohl die Freundinnen und Freunde Jesu gefragt haben. Warum bist es du, Zachäus, bei dem Jesus einkehrt? Jesus löst durch sein Handeln wieder Mal Verwunderung bei seinen AnhängerInnen und Anhängern aus. Sein Tun ist eine Herausforderung für sie und wirft Fragen auf: Hat er jetzt die Seiten gewechselt? Ist er trotzdem noch glaubwürdig, können sie ihm noch vertrauen? Anspannung und Unruhe im Freundeskreis Jesu. Warum du Zachäus? Warum lädst du Jesus ein? Das werden sich aber auch die Zöllner und vermutlich die engsten Vertrauten Zächaus gefragt haben. Warum lädt Zachäus Jesus, der einen ganz anderen Lebensstil predigt, ein? Ihn, Jesus, den die Machthaber misstrauisch beäugen, weil er Regeln in Frage stellt. Warum setzt er sich mit Jesus an den Tisch, dem insbesondere auch jene folgen, die am Rande stehen, die gesellschaftlich Verachteten. Also, warum lädst du Jesus, diesen Grenzgänger, ein, angesichts deiner beruflichen Tätigkeit als Zöllner? Du, Zachäus, hast es gut und bist abgesichert. Du kannst, wenn du es möchtest und für richtig hältst, mildtätig sein? Warum dieser Schritt? Nur die Neugier? Oder ist es doch mehr als Neugier? Faszination? Bist du berührt von Jesu Tun? Bist du, Zachäus, dir der Konsequenzen für dein Leben bewusst, wenn du dich auf ihn einlässt? So könnten sich die Bekannten Zachäus gefragt haben. Das Handeln Jesu wird vermutlich auf allen Seiten Irritationen ausgelöst haben. Die Begeisterung für diese Aktion könnte sich bei den meisten sehr in Grenzen gehalten haben. Und auch für Zachäus ist es nicht einfach. Möglicherweise wollte er ursprünglich gar nicht so weit gehen. Vielleicht war es nur reine Neugier, die ihn auf den Baum steigen ließ und dann gleich das, der umstrittene Superstar dieser Tage kehrt bei ihm ein. Zachäus ist beeindruckt und will mitmachen. Er ist bereit zum Wandel.

 

Was hat das mit uns heute zu tun? Mit dieser Geschichte werden auch wir herausgefordert. Denn die Fragen gelten auch für uns: Wie halte ich es mit denen, die so gar nicht dazu passen, die neu dazu kommen? Viel mehr betrifft uns vermutlich die Frage: Wie halte ich es mit jenen, die plötzlich einen neuen anderen Weg einschlagen, die vielleicht damit auch meinen Lebensweg in Frage stellen? Was wage ich? Wo ist mein Aussichtsbaum, mein Maulbeerbaum, um eine neue Perspektive einzunehmen, um überhaupt vielleicht einen ersten Blick auf einen ungewöhnlichen Lebensstil zu werfen? Wenn ich die aktuelle Klimadebatte beobachte, habe ich genau diesen Eindruck. Viele haben sich einen Aussichtsplatz gesucht, um einen ersten Blick auf diese neue junge Klimabewegung zu werfen. Einen Blick auf die jungen Menschen, die mit Nachdruck und Witz und äußerst einfallsreich eine lebenswerte Zukunft für sich und die kommenden Generationen einfordern. Wenn wir die Forderungen der Fridays for Future ernst nehmen und wir uns ansprechen lassen, bedeutet das häufig eine große Herausforderung. Nämlich die Änderung unseres Lebensstils, was mit zu den schwierigsten Veränderungen in unserem Leben gehört. So eine Veränderung hat auch nicht nur Auswirkungen auf uns selbst, sondern auch auf unser nächstes Umfeld, auf unsere Vertrauten. Sind sie bereit mitzumachen oder fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen?  Um nochmals auf Zachäus zurück zu kommen. Zachäus ist auf den Baum gestiegen und nicht nur das, er verspricht zu teilen und unrechtmäßig eingetriebene Steuern zurückzugeben. Das sind massive Einschnitte! Davon ist sein ganzes Umfeld betroffen. Wie halten wir es? Welche Schritte sind wir bereit zu gehen, nachdem wir unseren Beobachtungsposten verlassen haben? Ja, und was macht das mit unseren Beziehungen: Wie bringen wir das unserem Umfeld bei? Wie werden sie reagieren, wenn wir uns auf die Spuren der Fridays begeben? Den Fridays geht es um nichts weniger als eine lebenswerte Zukunft. Gefordert ist also, sich der Begrenztheit der Ressourcen bewusst zu sein und entsprechend zu leben. Gutes Leben hängt nicht von einem mehr an Besitz ab. Das bedeutet nicht nur weniger an Konsumgütern, sondern auch mit den Gütern sorgfältig umzugehen, sie möglichst lange zu nutzen. Kurz gesagt, Maß zu halten. Aber das ist nicht so einfach. Die Rahmenbedingungen sind zum Teil nicht darauf ausgerichtet, vieles ist in Plastik verpackt, Einkaufsmöglichkeiten gibt es nur am Ortsrand, der Öffentliche Verkehr ist nicht gut ausgebaut, … Hürden gibt es viele. Kann das überhaupt funktionieren? Um hier dran zu bleiben, braucht es das Umdenken, Kreativität und gute Netzwerke. Und ganz wichtig: Es braucht, um die Zuversicht nicht zu verlieren Beweggründe, die sich für uns Christinnen und Christen aus der christlichen Spiritualität ergeben. In der Enzyklika Laudato si‘ (2015) von Papst Franziskus wird es so formuliert: „Es geht darum, nicht so sehr über Ideen, sondern vor allem über die Beweggründe zu sprechen, die sich aus der Spiritualität ergeben, um eine Leidenschaft für den Umweltschutz zu fördern. Denn es wird nicht möglich sein, sich für große Dinge zu engagieren allein mit Lehren, ohne eine „Mystik“, die uns beseelt, ohne ‚innere 

Beweggründe, die das persönliche und gemeinschaftliche Handeln anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn verleihen‘“ (Laudato si‘, 216) Einer dieser Texte, die uns hier leiten können, ist die heutige Lesung: (eventuell diese Textpassage nochmals lesen) Du liebst alles, was ist, / und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; / denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben / oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist. (Darum bestrafst du die Sünder nur nach und nach; / du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, / damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, Herr.) Oder um es mit den Wort von Papst Franziskus zum Schöpfungstag am 1. September 2019 zu sagen: Wir müssen uns bewusst werden, „was wir sind: Geschöpfe nach dem Bild Gottes (vgl. Gen 1,27), die dazu berufen sind, als Brüder und Schwestern das gleiche gemeinsame Haus zu bewohnen. Wir sind nicht dazu geschaffen, um Einzelwesen zu sein, die sich als Herren aufspielen, sondern wir sind gedacht und gewollt, um inmitten eines Lebensnetzes zu wirken, das aus Millionen von Arten besteht, die von unserem Schöpfer für uns liebevoll zusammengefügt sind. Die Stunde ist gekommen, unsere Berufung als Kinder Gottes, als Geschwister untereinander und als Hüter der Schöpfung wiederzuentdecken. Es ist Zeit zu bereuen und sich zu bekehren, zu den Wurzeln zurückzukehren: Wir sind die Lieblingsgeschöpfe Gottes. Er ruft uns in seiner Güte, das Leben zu lieben und es in Gemeinschaft sowie verbunden mit der Schöpfung zu leben.“ Gottes liebender Blick auf alle und alles. Jedes Geschöpf ist wertvoll und wertgeschätzt und noch mehr, Gottes Geist ist in allem gegenwärtig. Eine Einladung und Herausforderung an uns den Menschen, den Tieren und der gesamten Natur achtsam und liebevoll zu begegnen. Auf einen Versuch kommt es an!
 

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