Freitag 19. April 2024

Wir erwarten eine neue Erde Auf-er-stehen zu neuem Menschsein

Sozialpredigt zur Feier der Osternacht (21. April 2019) im JK, LJ C

 

Autor: Mag. Fritz Käferböck-Stelzer, Leiter TMA Nettingsdorf

 

Predigtgedanken für die Osternacht

Exodus 14,15f . und Lukas 24,1-12

 

„Dann sieh, dass du Mensch bleibst. Mensch sein ist vor allem die Hauptsache.“  (Rosa Luxemburg)


Liebe Brüder und Schwestern!


Streck deine Hand aus! Denn so weit reicht dein Handlungsspielraum. Das sollte dir immer bewusst sein. Wo Hände anpacken, ineinandergreifen, sich berühren, heilen, da passiert Entscheidendes. Miteinander und aneinander Handeln ist gefragt. Unglaubliche Geschichten des Aufbrechens aus lebensfeindlichen Verhältnissen erzählt die Bibel in sehr eindrucksvollen, handfesten Bildern, wenn es um Befreiung, Auszug aus der Sklaverei oder Auferstehung von den Toten geht. Uns darauf einzulassen, fällt uns als aufgeklärten Menschen gar nicht so leicht. Da will unser Geist rationale Erklärungen und übersieht dabei mögliche Botschaften hinter den Geschichten. Wie geht das mit der Teilung des Meeres? Hat das was mit Ebbe und Flut zu tun? Das Handausstrecken des Mose scheint uns da keine brauchbare Erklärung. Was ist das für ein brutaler Gott, der die Ägypter im Meer ertrinken lässt? Wer hat nun wirklich den Stein vom Grab gewälzt und wie viele Männer braucht es dazu? Wie auch immer, die Vernunft bleibt enttäuscht. Die spannende Frage ist jedoch: 
Wie lassen sich Umwälzungen und gesellschaftliche Veränderungen in einer solchen Größenordnung, wie sie uns in der Bibel begegnen, überhaupt angemessen beschreiben. „Ewig der Sklaverei ein Ende“ … Da steht ein Volk auf, macht Schluss mit seiner Unterdrückung. Lässt die Sklaverei hinter sich und macht sich auf in das Land der Freiheit. Mit allen offenen Fragen und Widersprüchen. 


Darf man denn das überhaupt? Sich wehren. Widerstand leisten gegen die Obrigkeit, deren Funktionsweise hier am Beispiel des Pharao beschrieben wird, wo Unmenschlichkeit zum täglichen Programm geworden ist? Als hartherzig wird er beschrieben. Er will Israel nicht ziehen lassen, weil er dann niemand mehr als Arbeitssklaven zum Ausbeuten hätte.  Das Volk Israel wird gnadenlos von den Herrschenden Ägyptens ausgepresst und unterdrückt. Zustände, wie sie auch uns heute weltweit immer wieder und immer noch begegnen. Ein Land lebt auf Kosten anderer. Auch wir ÖsterreicherInnen verbrauchen zum Leben die Ressourcen von drei Welten, US AmerikanerInnen vier bis fünf, während AfrikanerInnen – (mal abgesehen von den reichen Weißen) – mit einer halben Welt auskommen müssen. Auch hier schreit das Unrecht zum Himmel.


Doch dann ist der Bogen überspannt, es reicht. Das Volk schreit auf. Herzzerreißend sind die Schreie. Und Gott, Jahwe, hört sie, lässt sich davon berühren und handelt an seinem Volk.
Lukas schildert uns ein anderes Bild des Aufbruches zum Leben: Ein Mensch, Jesus, überwindet den Tod. Sein Leben lässt sich nicht begraben, zu bewegend war sein Heilen und Teilen. Der Stein ist weg, das Grab ist leer. Unglaubliches ist hier passiert. Leben geht weiter, die Botschaft bleibt. Und damit verbunden ist der Auftrag, den Lebenden bei den Lebenden zu suchen, in der Gemeinschaft mit anderen. „Erinnert euch, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“ Da lässt Lukas mitschwingen, was am Beginn seines Evangeliums, der frohen Botschaft der Mit-Menschlichkeit steht, wo Jesus die Worte Jesajas liest:  „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde, und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ Das ist Auftrag und immer wieder zu tun. Da lebt Tora. Da ereignet sich Auferstehung mitten im Leben. Die Jünger und Jüngerinnen stehen auf und tragen die Botschaft weiter, damit Arme nicht arm bleiben, Gefangene nicht in Gefangenschaft oder wenn wir den Blick auf unsere Verhältnisse lenken: Geflüchtete eine Heimat bekommen können, Kranke besucht werden, ungerechte Verhältnisse beim Namen genannt werden.


Beiden Erzählungen ist gemeinsam, dass sie bisher Gedachtes übersteigen. Sie trauen sich Neues zu denken und setzen dadurch auch ein neues Handeln frei.  Im Buch Exodus geht es darum, aus unterdrückenden Verhältnissen auszusteigen, diese nicht länger hinzunehmen und zu dulden. Wiewohl wahrscheinlich auch dort einige im Volk davon profitiert haben und zur Mäßigung mahnten. Sklaverei, Unterdrückung und Lebensfeindlichkeit sind nicht in Stein gemeißelt. Herrschende möchten natürlich die von ihnen bestimmten Verhältnisse so belassen, erzählte befreiende Botschaften der Menschlichkeit sollen am liebsten in Gräbern, mit schweren Steinplatten verschlossen, liegen, um die Herrschaftsverhältnisse nicht zu gefährden.
Die biblischen Geschichten setzen Bilder gekonnt ein. Da verhärtet Jahwe das Herz Pharaos. Aber war es nicht schon vorher hart? Immerhin hat er die Arbeitsbedingungen ständig verschärfen lassen und auf jedes Klagen des Volkes Israel folgte eine neue, härtere Verordnung. Gleichzeitig wird das Volk als faul bezeichnet. Sie sollen arbeiten und den Mund halten. Im Blick auf Heute könnte man geneigt sein, den 12-Stunden-Tag als neues Herrschaftsmittel über die Autonomie der Arbeitenden zu sehen. Und die Zerschlagung der Krankenkassen als Erschwerung der Mitbestimmung. Zähe Kollektivvertragsverhandlungen zeugen von einer letztlich ungerechten Verteilung des erwirtschafteten Ertrages. So unterschiedlich scheinen die Verhältnisse nicht. 
Die Hartherzigkeit des Pharao bringt Tod. Anstatt die Vorherrschaft über Israel aufzugeben und das Unrecht einzusehen, zieht Ägypten mit der ganzen Streitmacht nach. Die Unterdrückung eines anderen Volkes lässt man sich also ganz schön was kosten. Damals wie heute. Und geht mitsamt der eigenen Hartherzigkeit im Meer unter. Die Bibel erzählt in gewaltigen und auch gewalttätigen Bildern vom Auszug aus der Sklaverei. Gott rettet Israel vor der Hartherzigkeit und führt es aus der Sklaverei. Ein Wunder, das damals möglich war und uns ermutigen soll, auch heute auf wunderbare Veränderungen zu hoffen. Auf Wandlung und Verwandlung zu setzen, ist eine biblische Grundhaltung, die auch angesichts heutiger Verhältnisse notwendig erscheint. 
Heute entschließen sich Menschen, aus unterdrückenden, kriegerischen, todbringenden Strukturen zu flüchten und die Hartherzigkeit unserer Regierenden bewirkt, dass Tausende von ihnen im Meer ertrinken. Auch hier lässt nicht Gott zu, sondern wir Menschen. Es liegt an uns, diese Hartherzigkeit immer wieder an den Pranger zu stellen, Verantwortliche beim Namen zu nennen und dagegen Geschichten und Taten der Mitmenschlichkeit zu erzählen und zu setzen.
Im Blick auf eine Menschlichkeit, die noch aussteht, wollen uns die biblischen Geschichten Mut machen, für menschliche, solidarische Verhältnisse einzutreten, aufzustehen für das Leben, zum gemeinsamen Aufstehen, zum Auf-er-stehen mitten im eigenen Alltag. Eine neue, tragfähige Erde, auf der das Volk trockenen Fußes durchs Meer ziehen kann, ein neues Menschsein der unbedingten Verbundenheit miteinander, herrschaftsfrei, davon erzählen uns biblische Erzählungen in der Osternacht. Diese neue Erde erwarten wir, ersehnen wir, erbeten wir. Wo die Hartherzigkeit ein Ende hat und Barmherzigkeit überfließt. Gott gibt uns ein neues Herz aus Fleisch – und beschreibt so, was es heißt, den Lebenden bei den Lebenden zu suchen. Da sein, miteinander und füreinander, einander Nächste und Nächster werden. Immer wieder und immer wieder neu. Und ganz konkret. In der Schwester, im Bruder den Nächsten zu sehen, mitzuhelfen, dass gleichwertiges, gleichwürdiges Leben für alle möglich wird. Bauen wir mit an der Verheißung unseres Gottes, bauen wir mit am Land der Freiheit für alle Menschen.
 

Sozialpredigt

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