Donnerstag 25. April 2024

Der Glaube und die guten Taten. Von den zwei Seiten einer Medaille

Sozialpredigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Jakobus 2, 14-18

 

Autorin: MMag.a Maria Dammayr, Theologin und Soziologin

„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehn; Indess ihr Komplimente drechselt, kann etwas nützliches geschehn.“ So lässt Goethe in seinem Werk Faust den Theaterdirektor rufen: Nach einem längeren Disput mit einem Dichter, der gerne noch ausgiebig an seinem Kunstwerk gefeilt hätte, plädiert der Direktor vehement dafür, das lange Reden doch endlich sein zu lassen und dafür lieber entschlossen zu handeln. Während es dem Direktor neben der Nützlichkeit des Handelns vor allem um eine breite Publikumswirksamkeit für sein Theater geht, betont das heutige Evangelium die Dringlichkeit des Handelns deswegen, da es unser engagiertes Handeln braucht, um der Botschaft Jesu gerecht zu werden!

 

Natürlich ist es wichtig, zu glauben – doch muss unser Glaube auch „praktisch“ werden und muss zur überzeugenden Tat kommen. Der Jakobusbrief ruft uns also auf, handelnd für unseren Glauben einzustehen, wo wir als ChristInnen gefragt und gebraucht sind. Das ist zum einen dort, wo wir Menschen ganz konkret in unserem Umfeld und nach unseren Möglichkeiten unterstützen können: etwa wenn unser/e Arbeitskollege/in ein schweres Schicksal trifft, wenn der/die Nachbar/in von Not oder Armut betroffen ist oder wenn Menschen, denen wir in unserem weiteren Alltag begegnen, in Angst und Unsicherheit leben müssen oder von Ausschluss aus der Gemeinschaft betroffen sind. Zum anderen sind unser „handelnder Glaube“ und unsere Stimme aber auch dort notwendig, wo gesellschaftliche und politische Verhältnisse sich so entwickeln, dass sie soziale Ungleichheit verfestigen oder verschärfen, sie einzelne Personen oder ganze Gruppen diskriminieren und so die Solidarität zwischen den Menschen herausfordern.

 

„Ein Glaube, der nicht zu guten Taten führt, ist kein Glaube – er ist tot und wertlos“, lässt uns das Evangelium wissen; er ist nicht mehr als ein frommer Segenswunsch. Glaube soll auch „praktisch“ werden und sich in den Taten verwirklichen – weil sich darin auch das Wirksamwerden des Reiches Gottes andeutet. Doch die Arbeit am Reich Gottes, an gerechten und friedlichen Zuständen braucht unser Zutun, unser Handeln.

 

Nicht von ungefähr hat sich die Initiative „Christlich geht anders“ die Aussagen von Dorothe Sölle1 zum Wahlspruch gemacht, wonach der Satz „Da kann man nichts machen, der gottloseste aller Sätze“ ist. Und auch Papst Franziskus mahnt uns „[s]ich in die Politik einzubringen, [das] ist für Christen ein Muss“2.
 

Wie schwer es mitunter fällt, Worte und Taten im „Gleichschritt“ zu halten, merken wir vielleicht, wenn wir aufmerksam unseren eigenen Alltag reflektieren: Sehe ich den Obdachlosen auf der Straße und spreche ich ihn auch an, frage ihn, ob er vielleicht friert und eine wärmende Decke braucht? Wage ich es, mich einzumischen, wenn ich im Zug erlebe, wie ein Mensch anderer Hautfarbe rassistisch als Schmarotzer oder schlimmer – als Ratte – bezeichnet wird? Hebe ich die vor mir zu Boden geworfene Plastikflasche auf der Straße auf, um sie entsprechend zu entsorgen? Ist es nicht so, dass die Tat dann oft einem „ja, aber“ weichen und der Wille fürs Werk gelten muss?

 

Wie widersprüchlich es ist, wenn Worte und Taten auseinanderfallen, zeigt sich auch in den (politischen) Sonntagsreden, die zwar oft voll des Lobes für bestimmtes Tun sind, deren Lob sich aber nicht in einer entsprechenden und gerechten Anerkennung zeigt. So ergeht es z.B. der Pflege- und Sorgearbeit: Wir „glauben“ zwar – und wissen dies eigentlich auch – wie wichtig diese Tätigkeiten für uns und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind. Die hohe Bedeutung erschließt sich besonders dann, wenn wir uns darauf besinnen, dass wir Menschen aufeinander angewiesen sind; wir sind weder alleine auf die Welt gekommen noch sind wir unverwundbar und unsterblich – im Gegenteil: wir sind verletzbare Wesen, die in irgendeiner Phase unseres Lebens der Fürsorge anderer Menschen bedürfen. Und trotz dieser hohen gesellschaftlichen Relevanz und Bedeutung, kommt besonders diesen – meist von Frauen geleisteten – Tätigkeiten der Kindererziehung, der Betreuung alter, kranker oder beeinträchtigter Menschen, oft nur wenig Anerkennung zu. Viele sagen zwar, du machst so wichtige Arbeit oder ich könnte das nie! Am Ende des Monats ist davon aber nur wenig zu spüren! Ähnlich wie beim Glauben und den (guten) Taten zeigt sich dann ein Widerspruch, der unglaubwürdig macht.

 

Das Beispiel der Pflege- und Sorgearbeit ist wohl nur ein gesellschafts- und sozialpolitischer Bereich, der uns und unsere politischen Verantwortungsträger aktuell herausfordert: Weitere Brennpunkte liegen etwa in der Flüchtlings- und Migrationspolitik, der Umwelt- und Arbeitsmarktpolitik, um nur ein paar zu nennen. Wenn wir diese Tage wiederholt hören, „die Regierung wird an ihren Taten zu messen“ sein, bedeutet das für uns aber nicht, taten-los zuzusehen; besonders dann nicht, wenn eine Politik der befreienden und für alle gültigen Botschaft von Gerechtigkeit und Frieden zutiefst wiederspricht. Dann sind wir als ChristInnen aus dem Glauben heraus und mit unserer politischen Verantwortung gefordert, Einspruch zu erheben und Widerstand zu praktizieren.

 

„Handelnder Glaube“ reicht weit und ist umfassend; er bedeutet das „Füreinander Sorge tragen“ in den unterschiedlichsten Bereichen und Facetten. „Ich kann durch mein Handeln meinen Glauben zeigen!“ Handeln, damit der Glaube nicht wirkungslos und bei „leeren Worten“ bleibt. Daran zeigt sich – Glaube und Handeln gehören zusammen – sie sind die zwei Seiten einer Medaille.

 

Anmerkung:
Wie in der Predigt versucht darzustellen, verhält es sich mit den Taten und dem Glauben ähnlich wie mit der gesellschaftlichen Anerkennung und der materiellen Vergütung von Arbeit; im Lied Brot und Rosen3 kommt diese Zusammengehörigkeit sehr deutlich zum Ausdruck.

 

Wenn wir zusammen gehen,
geht mit uns ein schöner Tag,
durch all die dunklen Küchen
und wo grau ein Werkshof lag,
beginnt plötzlich die Sonne
unsre arme Welt zu kosen
und jeder hört uns singen
BROT UND ROSEN
 
Wenn wir zusammen gehen,
kämpfen wir auch für den Mann,
weil unbemuttert kein Mensch
auf die Erde kommen kann
und wenn ein Leben mehr ist
als nur Arbeit, Schweiß und Bauch
wollen wir mehr - gebt uns Brot
doch gebt die Rosen auch.
 
Wenn wir zusammen gehen
gehen unsre Toten mit,
ihr unerhörter Schrei nach Brot
schreit auch durch unser Lied
sie hatten für die Schönheit,
Liebe, Kunst erschöpft nie Ruh
drum kämpfen wir ums Brot
und woll‘n die Rosen dazu.

Wenn wir zusammen gehen
kommt mit uns ein bessrer Tag,
die Frauen, die sich wehren
wehren aller Menschen Plag,
zuende sei, dass kleine Leute
schuften für die Großen,
her mit dem ganzen Leben:
BROT UND ROSEN

 

 

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1 Dorothe Sölle, evangelische Theologin und Dichterin, +2003.

2 Papst Franziskus,2013, auf Radio Vatikan.

3  Das Lied ist aus dem Jahr 1912. Es entstand bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterinnen in Lawrence/ USA. Quelle: http://www.kaboe.at/site/oesterreich/ueberuns/spirituelles/article/160.html

 

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