Dienstag 23. April 2024

"Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?"

Eine harte Nuss für uns gefühlte Leistungsträger...
Weinstock, Himmel, Neid

Sozialpredigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis (24. September 2017) Lesejahr A

 

Evangelium: Mt 20,1-16a

 

Autor: DSA Mag. Wilfried Scheidl, Leiter RegionalCaritas

Immer wieder mal stößt man auf Stellen in der Bibel, die es einem/einer schwer machen, das so einfach zu schlucken. Gut so, möchte man sagen – eine Chance sich daran zu reiben, sich daran abzuarbeiten, in der Hoffnung auf ein Stück Erkenntnisgewinn; so auch an diesem Sonntag mit diesem Evangelium.

 

Hand aufs Herz:  Wen von uns irritiert das denn nicht: Da arbeitet einer den ganzen Tag in der Hitze im Weinberg und am Ende des Tages bekommt er gleich viel raus wie der andere, der eine Stunde am späten Nachmittag engagiert war. Das stößt doch auf – wird da doch gefühlt extrem ungerecht vorgegangen. Das wurmt einen doch, wenn man diese Geschichte hört…

 

Also eine harte Nuss für uns. Nebenbei: Wenn wir so fühlen und denken, identifizieren wir uns unwillkürlich mit denen, die bereits am frühen Morgen ans Werk gegangen sind. Wir stehen auf Seite derer, die viel gearbeitet haben. Würden wir uns in die Fußstapfen derer stellen, die erst am Nachmittag gearbeitet haben, wäre es für uns vielleicht weniger schwierig. Wir wären dann eventuell überrascht, würden uns freuen über dieses unvermutete Ende. Der Besitzer hat uns das gegeben, was in seinen Augen recht ist.

 

Was ist recht für die Arbeit? Nun, ein Denar - diese römische Münze – das hat damals gereicht, um einer Kleinfamilie die Existenz für einen Tag zu sichern. Mit einem Denar hat es gerade gereicht, um Frau und Kinder für einen Tag zu versorgen. Morgen aber, da muss man aufs Neue sein Glück versuchen, an der Straße stehen und warten, dass hoffentlich einer kommt der Arbeit gibt. In unzähligen Ländern der Welt ist das heute noch so: keine geregelte Festanstellung, kein sicheres Einkommen, sondern Tag für Tag aufs Neue warten und hoffen, dass es am Ende des Tages reicht.

Nun, man könnte meinen, der Gutsbesitzer denkt da sehr sozial – er schaut auf die Bedürftigkeit der eingestellten Leute. Und wie auch im Text erwähnt: „Niemand hat uns angeworben“, sagen die, die um die 11. Stunde engagiert werden. Es lag nicht an ihnen, dass sie nicht früher angeworben wurden – sie haben sich auf dem Arbeits-Markt angeboten.

 

Was es schwer macht für die zuerst Eingestellten, das ist der Neid. Sie neiden den  später Gekommenen das Existenzminimum für den Tag. Wohlgemerkt: Würde der Gutsbesitzer denen z.B. nur einen Vierteldenar geben, dann hätten sie wohl kein Problem. Ihr Denar als Lohn bliebe ja gleich – so wurde es vereinbart mit dem Gutsbesitzer. Aber dass die anderen auch so viel kriegen – das wurmt, das verleidet einem das Eigene. Der Neid, er wirkt…

 

Der Sozialexperte Martin Schenk weist darauf hin, was der Neid tut: er spaltet – er macht aus einem Wir ein Ich gegen Dich. In Österreich ist aus den letzten Monaten wohl die Debatte erinnerlich, dass man anerkannten Flüchtlingen die Sozialleistungen kürzen muss. Ihnen stünde nicht so viel zu, wie den Einheimischen. Und in einigen Bundesländern wurde das ja auch schon umgesetzt. Es stand nicht die Frage im Vordergrund: was braucht wer zum Überleben, was braucht wer in seiner Bedürftigkeit?
Nein, der Neid stand im Vordergrund. Und damit hat die Politik gespaltet. Es wurde nicht diskutiert: wie geht es den BezieherInnen von Mindestsicherung allgemein – was wäre hier zu verbessern? Nein, es wurde gesagt:  Wieviel könnten wir „denen“ kürzen? Und klammheimlich hat man zugleich auch gekürzt bei kinderreichen Familien, bei Alleinerziehenden, bei pflegenden Angehörigen. Und zwar ungeachtet der Herkunft! Neid spaltet, Neid ist ein Freund der Mächtigen, die ihre eigene Agenda verwirklichen wollen.

 

Neid ist ein Gefühl, das sich auf die Menschen in meiner Nähe, in meinem Umfeld bezieht.  Auch damals gab es Einkommen von mehreren 100.00 Denaren im Jahr bei hochrangigen Funktionären des Systems. Aber den Neid, den haben die Arbeiter auf die Ihresgleichen. So auch heute: Der Neid trifft z.B. die Geflüchteten, denen man ihre kärgliche Versorgung neidet. Nicht aber neidet man dem Multimillionär mit seinem in Steueroasen geparkten Vermögen – das ist bestenfalls ein flüchtiges Gefühl. Aber der Geflüchtete neben mir mit seiner Mindestsicherung – das kann mich zur Weißglut treiben. Siehe dazu auch die diversen Vorwürfe in den Untiefen des Internets.
Daraus lässt sich vortrefflich politisches Kleingeld machen.

 

Und es geht weniger darum, dass ich dann mehr habe - nein, Hauptsache der andere hat weniger – erst dann geht es mir besser. So argumentieren ja auch viele politische VertreterInnen: Mit dem Hinweis auf die Kürzung der Mindestsicherung wird gleichzeitig verkündet, dass nun wieder mehr „Leistungsgerechtigkeit“ herrsche. Eigentlich verrückt: Man hat in einem Bereich gezielt verschlechtert, ansonsten hat sich nichts geändert. Aber „gefühlt“ ist es nun eine Verbesserung, von der aber kein Mensch in Wirklichkeit etwas hat.

 

So hätten es sich vielleicht auch die Arbeiter im Gleichnis gewünscht: Hauptsache die anderen müssen mit weniger auskommen; dann, ja dann erst kann ich meins genießen. Ansonsten ist es mir vergällt.

Nun, Jesus zielt mit diesem Gleichnis wohl keine sozialpolitische Diskussion an – wiewohl der Gedanke, dass alle zumindest das für den Tag Notwendige bekommen sollten, weiterhin gültig ist (und die ArbeiterInnen im Gleichnis wollen ja auch was tun!). Aber Jesus weiß doch sehr gut, wie wir ticken. Wie wir uns unwillkürlich selber das Leben schwer machen, indem wir auf das schauen, was der/die andere neben uns hat, statt uns zu fragen ob das Eigene für uns nicht reicht. Wir könnten ja auch genießen, was uns gegeben wurde und uns daran freuen, anstatt in die Neidspirale zu kommen.

Mit dem Himmelreich ist DAS endlich vorbei: das Starren auf Mein und Dein, das ständige Beurteilen, Vergleichen und Aburteilen. Das Fixiert sein auf die eigene Leistung. Gott sei Dank zählt im Himmel keine Liste mit den geleisteten Arbeitsstunden - nicht wer hat mehr getan im Weinberg… Nein, himmlisch (und damit ganz anders als unser Maßstab) wirkt die Güte Gottes und sein Geschenk an uns: unsere Bedürftigkeit entscheidet darüber, was wir bekommen. Kein Fleißkärtchen, kein Punktesystem, keine Leistungsträgerlogik zählt. Das ist erleichternd und gibt uns auch frei.

Wenn wir schon in Zeiten des wachsenden Neides leben (und zwar des Neides auf die Kleinen, die Schwachen im System, und nicht auf die großen Mächtigen), dann ist das Evangelium heute ein Gegengift. Dann kann uns das Gleichnis aus dem emotionalen Wirbel befreien, in den sich viele immer mehr reinziehen lassen.

 

Gegen Neid, so Martin Schenk, hilft das Genießen können. Wenn ich genießen kann, dann werde ich genießbarer und gönne auch den anderen ihren Teil. Gegen die Kränkung, die bei so vielen Leuten mit Neidgefühlen wohl im Hintergrund steht, hilft die Anerkennung: wieder gesehen zu werden, gefragt zu werden. Und gegen die Ohnmacht, die sich bei vielen so artikuliert, dass nach oben gebuckelt und nach unten getreten wird, hilft die Erfahrung, selber wieder etwas bewirken zu können.

Das wäre also unser Auftrag als „Bodenpersonal“, ein Stück „Himmel  auf Erden zu verwirklichen“, Gelegenheiten zu eröffnen, in welchen Menschen aussteigen können aus dieser unguten Spirale, bei der letztendlich alle verlieren. Räume schaffen, wo man genießen kann, wo man Ansehen erfährt, wo man lernt, wieder etwas bewirken zu können.

 

Wir als Christinnen und Christen haben allen Grund dazu, diese „himmlische Logik „ sich in uns entfalten zu lassen. Gegen alle verinnerlichte Leistungsträgerlogik die innere Weite zu bekommen, auszusteigen aus diesem Teufelskreislauf. Und heilsam zu wirken: gegen den Neid-Wurm, der in uns und in vielen nagt…

 

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