Donnerstag 18. April 2024

Um der Menschen willen - gerecht, hilfreich und demütig

Herrschaft ohne Herrschaft nach Bildern von Sacharja 9,9-10 und Matthäus 11,25-30
Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A, Sacharja 9,9-10; Matthäus 11,25-30

Sozialpredigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis (9. Juli 2017), Lesejahr A

 

Autor: Mag. Fritz Käferböck-Stelzer,

Betriebsseelsorger

 

 

Da stellt doch glatt einer die Welt auf den Kopf. Und lädt uns ein, mitzutun.  „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig. Und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele.“ Das sollen wir glauben und danach handeln?  Sanft und demütig, das sind doch in unserer Gesellschaft die, die ständig draufzahlen, die Dummen, die sich nie durchsetzen werden, wenn es drauf ankommt.  Diesen Weg sollen wir beschreiten? Bräuchten wir, damit wirklich etwas weitergeht, nicht schon längst wieder einmal wen, der ordentlich auf den Tisch haut, der sagt, wo es langgeht?

 

Der Weg Jesu war eine Kurskorrektur, er weist den Geplagten und Beladenen eine andere Richtung, die Einfältigen und Unmündigen verstehen, worum es geht. Leben kann nur gemeinsam gelebt und bewältigt werden. Erkennt die Ähnlichkeit eurer Lebensverhältnisse, tut euch zusammen, organisiert euch, nehmt euer Leben in die Hand, handelt gemeinsam. Wenn viele Schultern gemeinsam tragen, werden Berge versetzt, manche Probleme leicht.  Wer hat das nicht auch schon erlebt? Die vermeintlich Weisen und Wichtigen in der Bibel haben jedoch die Beladenen und Belasteten, die kleinen Leute, nicht im Blick, sie sind mit sich beschäftigt, ihrer Klugheit und Selbstdarstellung. Vielleicht sind gerade sie es, die den anderen Lasten aufbürden. Aus diesem Grund sind sie auch gar nicht gewillt, Veränderung und Gerechtigkeit zu schaffen. Und heute?

 

Heute erleben wir, dass nationale Perspektiven in Europa und weltweit die bestimmenden und wachsenden Faktoren sind. Starke Männer und Frauen betreten die politischen und gesellschaftlichen Bühnen. Ihr Ziel ist Alleinherrschaft, Anhäufung von Macht, eine Herrschaft, die andere Strömungen, Ideen, vor allem die Bedürfnisse der Menschen ausblendet. Mit der Betonung und Überhöhung der eigenen, oft national begründeten Wichtigkeit werden andere Positionen und Personen verunglimpft, ja oft auch lächerlich gemacht. Der Ruf nach einem starken Mann, einer starken Frau wird wieder laut und lauter. Als Gemeinschaft oder selbst als Partei zukunftsfähige Wege auszuverhandeln, zu diskutieren, und gemeinsame Linien festzulegen, scheint störend. Entscheidungen werden oft nicht mehr rückgebunden an die Menschen, die sie dann zu tragen haben. Die Politik hat sich vielfach von den Menschen entfremdet oder ist beschäftigt mit Selbstdarstellung und feindseligem Gegeneinander. Ihre Grundaufgabe, Sorge für das gemeinsame Ganze zu trage, gerät in den Hintergrund. Gedacht wird in Wahlzyklen. Und selbst die halten nicht, wenn Machtgelüste dazwischenfunken. Der Individualismus hat sich auch hier festgesetzt und schürt Machtkämpfe gegeneinander. Der Blick auf das Gemeinwohl, für das Gemeinsame und vom Gemeinsamen her zu denken, geht immer mehr verloren. Die Hoffnung auf eine zu schaffende Gesellschaft, in der alle Lebensmöglichkeiten haben sollen, scheint in weiter Ferne.

 

Genau in diese Situation hinein klingen Ansagen der Bibel wohltuend. Gerecht, hilfreich und demütig. Kurz und kernig benennt Sacharja das Auftreten des Königs. Der fährt übrigens nicht in der Limousine vor, sondern kommt auf dem Reittier des Volkes, dem Esel.  Ein König präsentiert sich als Ohnmächtiger, scheint nicht mehr zu haben als auch das Volk zum Leben hat. Nicht hoch zu Ross reitet er ein, abgehoben und erhöht. Ein Esel reicht. Stehend können ihm die Menschen in die Augen schauen. Sein Ziel ist Frieden zu stiften, Streitwägen und der Kriegsbogen werden zerschlagen. Die Bibel zeigt uns eine andere Form von politischer Macht und Zusammenleben. Wenn man dann noch im Blick hat, dass die wesentliche Aufgabe ­eines Königs im alten Israel war, Tora zu tun, also zu schauen, dass die Weisungen des Ewigen getan werden, wird uns vielleicht einiges klarer. Jahwe ist der allei­nige Herr, sonst soll es keine Herren und Herrschaften geben. Jahwe ermächtigt die Schwachen, die Ohnmächtigen zu einem Leben in Würde. Dazu braucht es auch eine dementsprechende Struktur des Zusammenlebens. „Weg mit Meister und mit Pfaffen, Kaiser, König sollen sich raffen“ wird in einem alten Lied gesungen, das möglicherweise an diese biblische Tradition ­erinnert.

 

„Gerecht, hilfreich und demütig“ – so ist der König. Sanftmütig und demütig von Herzen statt besserwisserisch und herrschaftlich. Oben und unten werden biblisch immer wieder bewusst verkehrt, neu beschrieben, um Nachdenkprozesse einzuleiten, wie wir uns als Menschen zu­einander in Beziehung setzen sollen. In der Tradition des Volkes ­Israel, eines Volkes von Gleichen darf es kein Oben und Unten geben, hat niemand das Recht, sich über einen anderen Menschen zu stellen. Auch für uns bleibt die ­Frage, wie wir uns als Menschen zueinander verhalten sollen, wesentlich. In Bezug auf unsere geflüchteten Mitmenschen ist das eine neue Herausforderung.

 

Eine neue Herrschaft ohne Herrschaft. Ist so was denn überhaupt möglich? Schon darüber nachzudenken fordert heraus. Die Bibel weitet hier den Blick. Der neue ­König wird von seinem Wesen her beschrieben. Menschenfreundliche ­Eigenschaften zeichnen ihn aus, er wird nicht hierarchisch gedacht. An der Gerechtigkeit arbeiten ist sein Wesensmerkmal, Lebensmöglichkeiten für alle zu sichern ist seine Hauptaufgabe. Was entspräche dem in der heutigen Zeit? Da wäre vielleicht das bedingungs­lose Grundeinkommen für alle zu denken. Eine Lebensgrundlage, die Recht ist und nicht abhängig von der Gnade von vermeintlich Oberen. Was würdest du arbeiten, ­würden Sie arbeiten, wenn für dein Einkommen, Ihr Einkommen gesorgt wäre? Wir könnten unserem Wesen gemäß ­arbeiten, wenn für unser Auskommen gesorgt wäre. Da stünden Tür und Tor ­offen, unsere ­Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen, ein gedeihliches Miteinander besser entwickeln zu können. Nachbarschaftshilfe, Gemeinschaftgärten, gemeinsam Kochen und Essen, neue Formen gemeinschaft­lichen Zusammenlebens entwickeln, weil wir Zeit und auch die Kraft dazu haben. Die Existenz­angst, die ohnmächtig macht, wäre gebannt, eine grundlegende Existenz­sicherung ermächtigt zu eigener Gestaltung, zu Selbster­mächtigung.


Wäre für unsere Arbeitswelt eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden oder weniger denk- und umsetzbar? Arbeit wird gerecht verteilt, und jede und jeder arbeitet nach ihren und seinen Möglichkeiten.

 

Vielleicht greifen hier auch die Worte des Matthäus: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir. Denn ich bin gütig und von Herzen demütig.“  Vom Weg Jesu zu lernen bedeutet, teilen zu lernen. Nicht nur vom Überfluss, sondern das ganze Leben. Dann braucht auch niemand mehr Angst zu haben. Der und die Andere schaut auf mich, genauso wie ich meine Mitmenschen im Blick habe. Wohlwollend und barmherzig, demütig, verbunden mit dem Herzen. Was für eine eine große Vision. Unglaublich klingen diese Bilder, auf dem Hintergrund unserer heutigen Welt sind sie kaum vorzustellen. Hier ist unser Glaube, der Glaube an den Gott des Lebens und der Menschenfreundlichkeit gefordert, damit diese ­Vision Wirklichkeit werden kann entgegen aller Herrschaft und Herrschaften, die sich über andere stellen.

 

Was versprochen wird, klingt nach gutem Leben: „Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“ Das ist eine Herausforderung an unsere vertrauten Bilder, die das alltägliche Leben prägen und sich auch in manchen Sprichwörtern buchstäblich niederschlagen. Arbeit muss hart sein, das Joch spürt man schon auf den Schultern, wenn nur das Wort ausgesprochen wird und das Leben ist schließlich kein Honig­lecken. Und überhaupt: es braucht schon wen, der sagt, was zu tun ist und wo es lang geht. Wenn alle mitreden könnten, kämen wir ja schließlich nie auf einen grünen Zweig.

Genau diesen aber haben die biblischen Geschichten im Auge. Da sprießt Grün, wo für andere Augen nur Dürre und Leblosigkeit scheint. Entgegen aller Herrschaftsverhältnisse des Umlandes keimt immer wieder Hoffnung auf ein anderes Land, auf ein Land, in dem Milch und Honig fließen, für alle. Eine Gesellschaft, in der Menschen einander Nächste werden, entwirft ein neues Miteinander. Vertraute Herrschafts- und Machtverhältnisse werden radikal gesprengt, Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit, der Respekt vor dem Leben des und der Anderen werden federführend. Jede und jeder hat hier Platz mit seiner und ihrer Stimme, seinen und ihren Bedürfnissen. Das Joch, das untereinander verbindet, ist leicht und zukunftsweisend und für alle gleich gültig: die Tora. Das Gesetz Jahwes zu erfüllen bringt Leben, so lautet eine Kurzformel des jüdischen Glaubens. Gerecht, hilfreich und demütig zu leben ist die Anweisung für unser Tun und Handeln. Im Wort „demütig“ verbirgt sich der Mut, den es braucht, von der eigenen Macht und Sehnsucht nach Herrschaft abzusehen und sich auf diesen unglaublichen Weg unbedingter Mitmenschlichkeit einzulassen. Mögen wir diesen Mut für ein neues Miteinander aufbringen.

 

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