Freitag 19. April 2024

Jesus regelt die "Grauzonen"

Sozialpredigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis A (12. Februar 2023)
Autorin: Dorothea Schwarzbauer-Haupt

Mt 5,17–37 (oder 5,20–22a.27–28.33–34a.37)

Liebe Mitchristen, liebe Mitchristinnen!

 

Das heutige Evangelium stammt aus der sogenannten Bergpredigt Jesu. Seine erste große Rede hält er auf einem Berg. Das ist kein Zufall, sondern spielt auf den Berg Sinai an, wo Gott dem Volk durch Mose die Zehn Gebote übergeben hat.

 

Das Verhältnis der Lehre Jesu zur Thora, der Weisung Gottes, war damals heftig umstritten. Die einen waren fasziniert und sagten: Er lehrt mit Vollmacht, nicht wie die Schriftgelehrten, andere lehnten seine Versuche, die erstarrte Religion zu beleben ab, weil sie fürchteten, dass von Jesus ihre bisherige Praxis in Frage gestellt wird. Jesus deklariert sich: Er ist gekommen, um die Lehre des Mose und der Propheten zu erfüllen, nicht um sie aufzuheben. Erfüllen, das bedeutet vollmachen, was leer geworden ist. Regeln und Anweisungen neu mit Sinn zu erfüllen, zu beleben. Jesus wollte sein Volk zu Jahwe zurückführen, ihn als den Nahen, Gütigen erfahrbar machen, die Religion erneuern. Er wollte keine neue Religion gründen, geschweige denn, eine Kirche stiften.

 

Und dann kommen Beispiele, die zeigen, wie Jesus das meint: Im Himmelreich geht es nicht nur darum die großen Verbrechen, wie Mord, Ehebruch, Hass oder Meineid nicht zu begehen. Im Himmelreich geht es darum, zu erkennen, welche Gefühle und Haltungen, welches Begehren die Ursachen sind bzw. ist, die zu schweren moralischen Verfehlungen führen. Schon gegen Zorn, die beleidigende Herabwürdigung von Menschen, die ungezügelte sexuelle Begierde und den schlampigen Umgang mit der Wahrheit muss angegangen werden. Jesus möchte, dass wir uns mit unseren negativen Gefühlen, Gedanken und Ansichten auseinandersetzen, um sie in den Griff zu bekommen. Er weiß, dass aus negativen Gefühlen und Gedanken böse Worte werden können und aus diesen dann böse Taten. Genau das möchte er unterbinden. Deshalb stellt sich Jesus mit der Formulierung: Ich aber sage euch, - sie werden auch Antithesen in der Tradition genannt – nicht gegen das Gesetz des Mose, nicht gegen die Zehn Gebote, sondern macht bewusst, dass Untaten eine Vorgeschichte haben, die es in den Blick zu nehmen gilt. Das versteht er unter der Erfüllung des Gesetzes.

 

Ich denke dieser Text ist heute von enormer Bedeutung. Man hört ja bei den großen Themen von Korruption über Vorteilsannahme bis hin zu Postenbesetzungen und Mittelverteilung in Wirtschaft und Politik immer wieder den Satz: „Ja, die Optik ist leider sehr schief, es ist nicht optimal gelaufen, aber rechtlich ist alles in Ordnung. Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen.“ Es gibt im rechtskonformen Verhalten aber immer wieder und immer noch Grauzonen und Spielräume, die nicht geregelt sind. Und es gibt Menschen, die diese Grauzonen zum persönlichen Vorteil bis an die Grenzen des Erträglichen skrupellos ausreizen. Rechtlich gedeckt zu sein, glauben sie, das genügt. 

 

Aber all jene, die dann empört oder entsetzt aufschreien spüren, dass in diesen Grauzonen ebenfalls, Regeln gelten, auch wenn es Ungeschriebene sind. Anständigkeit, Redlichkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit und Rücksichtnahme sind Spielregeln, die diese Grauzonen prägen und auch jenseits gesetzlicher Grenzen eingehalten werden müssen. Zum Wohle aller.
Genau das meint Jesus, wenn er mit seiner Autorität als Wanderrabbi fordert, dass das menschliche Zusammenleben von der Vergiftung durch das unbekümmerte Ausleben aggressiver Emotionen oder egoistischer Begierden gereinigt werden soll und muss. Auch mit der Wahrheit müssen wir eindeutig und authentisch umgehen, damit Vertrauen entsteht und Verlässlichkeit erhalten bleibt.

 

Wir sind eingeladen uns auf diese Thematik einzulassen und unser eigenes Leben in dieser Hinsicht zu reflektieren. Wie gehen wir mit unseren destruktiven und egoistischen Impulsen um, obwohl wir, was das Recht betrifft, kein Fehlverhalten gezeigt haben. Auf andere zu zeigen und zu meinen, die sollten sich darum kümmern, hilft nicht weiter. 
Aber wenn es uns persönlich gelingt, in der Familie, am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft im Sinne der Forderungen Jesu zu leben, könnte das Christentum etwas von jener Strahlkraft zurückbekommen, die damals die Menschen bei Jesus wahrgenommen haben und die sie so fasziniert hat, dass sie ihm in Scharen nachgelaufen sind.

 

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