Donnerstag 25. April 2024

Der Traum von anderen Verhältnissen

Sozialpredigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis A (29. Jänner 2023)
Autorin: Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer,

Seelsorgerin in Wels – St. Franziskus

Mt 5,1-12,8

Liebe Kinder, liebe Brüder und Schwestern!

 

Wie geht’s Ihnen mit den Worten des Evangeliums? Wir haben ein Stück aus der „Bergpredigt“ gehört, die der „Feldrede“ aus Lukas stark ähnelt. 
Die Armen und Bedrängten, die die es schwer haben mit ihrer Lebensart, werden glücklich gepriesen, über die auf der Sonnenseite des Lebens steht nichts da (nur bei Lukas, dazu später noch). 


Beinahe jedes Mal, wenn ich das lese, finde ich diese Stelle absurd. Einen Trost für die Armen, Traurigen, Verlachten, für die Menschen am Rande zu haben, mag ja positiv sein, aber sie zu vertrösten auf ein „irgendwann später, vielleicht dann im Himmel“ – das passt mir nicht, und das hat man auch der Kirche vorgeworfen, dass sie die bestehenden Verhältnisse stützt, indem sie auf eine Gerechtigkeit im Jenseits vertröstet. Und dabei selber auf der Seite der Reichen, der Mächtigen bleibt.

 

Aber bleibend spannend und genauso herausfordernd finde ich, dass sich Jesus den Armen zuwendet und sie aus der Unsichtbarkeit holt: Ich sehe, dass ihr Hunger habt, und das soll, wird und darf nicht so bleiben! Ich nehme eure Sanftmut, euren Willen zum Frieden wahr! Ich sehe eure Traurigkeit, und auch die soll ein Ende haben. Und eure soziale Isolation, die noch einmal zusätzlich schmerzt, wird aufhören.

 

Die Armen in unserem Land, in Europa, finden sich in den Beschreibungen wieder: sie haben wenig politisches Gewicht, müssen als Sündenböcke herhalten und werden gegeneinander ausgespielt; arme Familien oder Personen stehen vor der Entscheidung: heizen oder essen?; wer nicht aus einem EU- oder EWR-Land stammt, kann oft nicht um kommunale Energiekostenzuschüsse ansuchen. Wer zu wenig Deutsch beherrscht, auswärts geboren ist, krank oder psychisch beeinträchtigt, muss mit Almosen auskommen. Denn täglich mit dem Durchkommen beschäftigt zu sein, motiviert am besten für den Arbeitsmarkt, oder??
Arme, kranke, psychisch belastete oder sonst „einfach andere“ Menschen sind heute „unten durch“, mit ihnen sind keine Wählerstimmen zu gewinnen, und das Geld gehört doch denen, die es erarbeitet haben. Es werden die Armen bekämpft, und eher weniger die Armut. So ist die Stimmung vielerorts in Politik und Gesellschaft.


Der Evangelist Lukas fügt an dieser Stelle noch Wehe-Rufe an, gerichtet an die Reichen, die jetzt alles haben, teilweise von den Krisen profitiert haben – Jesus droht ihnen gleichsam an, dass es nicht immer so bleiben wird, dass ihr jetziger Trost, ihre Fülle, ihr Spaß, ihre Reputation nicht von Dauer sein werden. Auch nicht tröstlich für viele von uns, oder?


Diese Armen (oder immer wieder einmal von Armut bedrohten) waren zur Zeit Jesu 90% der Bevölkerung, die Reichen 10 %.
Auch wenn wir heute mehr Reiche und weniger Arme haben, ist doch das Gesamtvermögen hoch genug, sodass ein Leben in Armut gar nicht mehr sein müsste.

 

Ich erlaube mir einen Traum: mehr Ausgleich, weniger Unterschiede zwischen Arm und Reich. Dass alle bewohnten Unterkünfte im Winter geheizt werden können. Dass eine Reparatur einer Waschmaschine kein Problem ist. Dass alle Schulkinder einfach auf Wandertag, Schikurs oder Landschulwoche mitfahren können, auch andere Kinder einladen und manchmal ins Kino gehen. Dass eine Urlaubsfahrt möglich ist. Und dass auf der anderen Seite große Gewinne, Güterbesitz und Reichtum der Allgemeinheit, insbesondere den Schwächeren, zu Gute kommen – wenn ich hier von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums spreche, so ist das nicht bloß sozialistisches Gedankengut, sondern auch wesentlicher Bestandteil der christlichen Soziallehre.

 

Gesellschaften, in denen der Unterschied zwischen Reichtum und Armut nicht so groß ist, sind glücklicher: darüber gibt es wissenschaftliche Untersuchungen von Kate Pickett und Richard Wilkinson, veröffentlicht in ihrem Buch „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“: in Gesellschaften, wo reich und arm weniger auseinanderklaffen, gibt es weniger Teenagerschwangerschaften, Verbrechen, Gewalt, Inhaftierte, weniger Schulabbrecher*Innen, psychische Erkrankungen oder Drogenkonsum, die Menschen sind gesünder und leben länger. Der Grund dafür ist, dass ein gemeinsames Leben, in dem die Unterschiede nur moderat sind, weniger stresst und entspannter ist, weniger Mittel und Energie zur Selbstsicherung notwendig sind und die Gesellschaft mehr Schutz bietet. Alle profitieren davon: die Reichen und die Armen. 

 

Das könnte doch auch eine Antwort auf die Zumutung dieser Seligpreisungen sein: den großen Unterschied, den Gap zwischen Arm und Reich zu verkleinern suchen. Damit wir alle schon jetzt Momente der Seligkeit, des Glücklichseins und des Friedens erleben können. Und viele mit uns. Amen.

 

Tagesgebet

Guter Gott,
du bist da,
mitten unter uns in unserer Gemeinschaft,
tief in uns, in unserer Seele.
Heile unsere Armut,
stille unseren Hunger, 
wische unsere Tränen ab, 
beende unsere Einsamkeit, 
verwandle unseren Hass in Liebe,
darum bitten wir dich
im Heiligen Geist
durch Christus unseren Herrn.
Amen.


Fürbitten

Wir sind beherrscht, belastet, aber auch beglückt und getragen von so vielem in unserem Leben. So wollen wir unser Leben und unsere Welt vor Gott hintragen

 

Für die Menschen, die nicht lange überlegen, 
sondern anderen beherzt mit einem Friedensangebot begegnen.
Wir bitten dich – erhöre uns

 

Für die Menschen, die Macht haben über andere, 
die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft lenken.
Wir bitten dich – erhöre uns

 

Für die Menschen, die in Syrien, Palästina, im Jemen, in der Ukraine
und in vielen anderen Krisengebieten der Erde 
auf Frieden und ein gutes Leben hoffen. 
Wir bitten dich – erhöre uns

 

Für die Menschen, die unter ihren Belastungen zusammenzubrechen drohen
Und die Welt in schwarzsehen.
Wir bitten dich – erhöre uns

 

Für die Menschen, die genug und mehr als genug haben,
dass sie leichten Herzens geben können.
Wir bitten dich – erhöre uns

 

Für unsere geschundene Erde,
dass sie den Schutz erfährt, den sie so dringend braucht.
Wir bitten dich – erhöre uns


Gott, du hast Einsamkeit, Bedrohung und Tod überwunden. 
Nimm uns mit auf den Weg der Befreiung. 
Sei du der König unseres Lebens. Amen.

 

Reichtum erfahren

Reich bin ich.
Du schenkst mir Menschen
als Begleiter auf meinem Weg.
Danken will ich für alle,
mit denen ich Leben teilen kann,
für die Wertschätzung,
die ich erfahre,
das Verstehen, das Teilen können
von Fragen, Gedanken, Erfahrungen,
für das Miteinander
im Lachen und im Weinen.

Danken will ich für alle,
die mich herausfordern
durch ihr Anderssein,
ihren Widerstand, ihre Kritik.
Nicht immer sind sie mir willkommen,
aber wenn ich sie annehme,
wachse ich an ihnen.

Dir lasse ich die Menschen,
die ich nur schwer ertrage.
Bewahre mich davor,
auf sie herabzusehen
und ihnen achtlos zu begegnen. 

Danken will ich Dir,
Freund aller Menschen,
für die, denen ich verbunden bin
im Glauben an Dich.
Es ist Dein Wohlwollen,
das mich nicht allein sein lässt
auf dem Weg zu Dir.

Segne Du unsere Begegnungen, 
dass wir einander Mut machen,
Dir zu vertrauen,
der Du uns alle
liebevoll umfängst. 


Autorin: Antje Sabine Naegeli aus dem Buch Umarme mich damit ich weitergehen kann – Gebete des Vertrauens
(Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Breisgau)
 

 

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