Donnerstag 18. April 2024

Die göttliche Rechtsschutzversicherung.

Klar und wuchtig sind die Zeilen in der heutigen Lesung aus dem Buch Exodus. Eingewoben in das sogenannte Bundesbuch, einer Sammlung von Gesetzestexten, die das religiöse und gesellschaftliche Leben im Alltag Israels regeln sollen, steht diese Passage. Sie wendet ihr Augenmerk den Menschen zu, die für gewöhnlich unter die Räder kommen.

 

Es beginnt mit den Fremden im eigenen Land, die nicht ausgenützt werden dürfen. Und erinnert die ZuhörerInnen daran, dass sie in ihrer Geschichte (im Land Ägypten) selber Fremde gewesen sind.

 

Auch die Witwen und Waisen sollen nicht ausgebeutet werden: diese haben nicht mehr den Schutz der größeren Familie oder Sippschaft und sind somit der Umgebung hilflos ausgeliefert.

 

Und man soll die Not der Armen nicht ausnutzen, um für geborgtes Geld Zinsen zu verlangen. Denn das vergrößert letztendlich nur die Not derer, die ökonomisch am Boden sind. Und ganz basal: wenn man einem Schuldner den einzigen Mantel nimmt, ihm sozusagen das Nötigste abknöpft, um eine Sicherheit zu haben - auch das ist nur bis zum Abend erlaubt. Denn sonst friert der arme Teufel. Und wenn er dann zu Gott schreit wird IHN Gott erhören. Nicht erhören wird Gott offensichtlich die Klage der Gläubiger gegenüber den säumigen SchuldnerInnen.

 

Wir haben hier also eine Gesellschaft, die gerechtes Handeln zutiefst religiös begründet: es ist Gott, der diese Sätze Mose weitergibt, auf dass sie dem wartenden Volk Israel verkündet werden. Glaube an Gott bedingt hier gerechtes Handeln. Es geht nicht bloß um Mitleid oder gar Almosen für die Gruppen in der Gesellschaft, die am Rande leben, die schutzlos und gefährdet sind. Nein, sie sind im Zentrum der göttlichen Aufmerksamkeit, und es braucht klare Normen im Umgang mit ihnen. Sonst dominiert im schlimmsten Fall absolutes Elend bei den Machtlosen und entsprechende Willkür der Starken und im besten Fall eine Art „Charity Haltung“ mit dem entsprechenden Wankelmut, welche Not einem halt am besten zu Gesichte steht.

 

Es ist also keine verhandelbare Sache, sondern wesentlich für den gläubigen Menschen: Achte auf den Umgang mit den sozioökonomisch Schwächsten der Gesellschaft! Selbst wenn sie nicht zu den eigenen Leuten gehören, sondern als Fremde im Land leben!

 

Mit diesen und weiteren Gesetzen in diesem Abschnitt wird verhindert, dass Menschen mit wenig Einkommen oder Rückhalt durch die Familie weiter strukturell verarmen. Abhängigkeiten sollen so verhindert werden, das randständige Leben soll nicht einzementiert werden. Die Logik eines Gottes, der auf der Seite der politisch Schwachen steht, schlägt die übliche Logik, dass die Stärkeren sich durchsetzen und von der Not anderer profitieren. Selbst mit dem Tod droht Gott hier denjenigen, die darauf pfeifen und andere ausnutzen. Dagegen ist unsere politische Kritik ja geradezu ein sanftes Säuseln…aber so wichtig ist es Gott, hier für absolute Klarheit zu sorgen!

 

Nun, das ist lange her. Was tun wir heute damit, in einer anderen Zeit und in einer Gesellschaft, die ein ausgeklügeltes Sozialsystem und auch entsprechende Rechtsnormen hat?

 

Als Kirche gilt das für uns auch heute noch: der Glaube an Gott trägt den Glutkern der Gerechtigkeit weiter in sich. Unsere Zuwendung zu Gott wird dann echt (also für die Umwelt wirksam) sein, wenn die Menschen in unserer Umgebung merken, dass wir sie sehen in ihren Nöten. Unseren Glauben wird man wahrnehmen, wenn diejenigen, die am meisten am Rand stehen, sehen: wir kümmern uns, wir nehmen ihre Nöte auf, wir fordern politische und strukturelle Maßnahmen ein, wenn ihnen Unrecht geschieht. Und wir tun selber, was in unserer Macht steht, um konkret zu helfen.

 

Wer fremd im Land ist, wer wenig Ressourcen hat, wer wem Geld schuldet - all dies Gruppen sind auch heute der Umgebung ausgeliefert und gefährdet, ausgenutzt zu werden.

 

Die überteuerte Mietwohnung für die subsidiär Schutzberechtigten, der ihnen verwehrte Zugang zur Sozialhilfe…

 

Die Tretmühle für Menschen, die sich verschuldet haben und nun mit Raten Kredite bedienen müssen ohne dauerhaft runterzukommen vom Schuldenberg...

 

Tausende Frauen aus Osteuropa, die bei uns gegen geringen Lohn in der Pflege tätig sind, weil sie zuhause kaum Perspektiven haben - und Österreich ihnen zuletzt auch noch die Kinderbeihilfe gekürzt hat…

 

Die Alleinerziehenden, die stark armutsgefährdet sind…

 

viel Phantasie braucht es nicht, um die Witwen, Fremden und Waisen ins heute zu übersetzen!

 

Als Kirche haben wir hoffentlich den Blick für die Lücken im System, für die verborgenen Winkel in der Gesellschaft, wo von der Not anderer profitiert wird. Politisch müssen wir achtgeben, wohin wir uns als Gesellschaft entwickeln. Die leidenschaftliche Liebe Gottes zu den Armen wird nämlich realpolitisch derzeit in Österreich nicht gerade erwidert. Eher gibt man gerne den ökonomisch Schwachen die Schuld für ihr Übel, begnügt sich gerne auch mit Almosen bzw. verteilt großzügig Schuldzuweisungen an Gruppen wie Geflüchtete, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose etc.

 

Die Bedingungen haben sich in der Sozialpolitik in den letzten Jahren für gewisse Gruppen eindeutig verschlechtert. Gerechtigkeit ist im öffentlichen Gespräch verkürzt worden zu Gerechtigkeit für die sogenannten „LeistungsträgerInnen“. Als gerecht beurteilt wird z.B. von manchen politischen Parteien die Kürzung der Sozialhilfe für Familien mit mehreren Kindern, damit der Abstand zu Niedriglöhnen wieder größer wird. Auf die Idee, daran zu arbeiten, dass Niedriglöhne erhöht werden, kommt man dabei nicht. Man moralisiert wieder verstärkt, verteilt großzügig Schuld an diejenigen mit weniger Möglichkeiten und ruft alle zur Leistung auf. Aber vergisst zu erwähnen, dass die Startbedingungen auch heute sehr ungleich verteilt sind.

 

Angesichts der größten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ist der Zug Gottes zu den sogenannten Kleinen, Schwachen und Armen aktueller denn je. Wir werden als Kirche unsere biblisch jüdischen Wurzeln nicht vergessen können, die leidenschaftlich darum kreisen, dass wir daran bemessen werden, wie es den sozioökonomisch Schwächsten unter uns geht. Eine Politik, die sich den christlich-sozialen Wurzeln verpflichtet fühlt, sollte sich dessen auch besinnen. Wenn sie das nicht tut, werden wir als Kirche, gegründet auf unsere alltäglichen Erfahrungen in unserer sozialen Arbeit, in Wort und Tat aktiv werden müssen. Die Tradition der biblischen Propheten, die gerade dazu oft ihre Stimme erhoben haben, ermuntert uns dazu, nicht zu schweigen, und kreativ laut zu werden.

 


Beispiele für Kürzungen im Sozialbereich am Beispiel von Oberösterreich finden Sie unter:

 

http://www.armutskonferenz.at/news/news-2020/sozialhilfe-keine-krisenfeste-absicherung.html
(Abgerufen am 7.9.2020)
 

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