Mittwoch 24. April 2024

Himmelfahrt und Erdenreise

Sozialpredigt zum Fest Christi Himmelfahrt (21. Mai 2020) im Jahreskreis | Lesejahr A
 

Apg 1,1-11
Mt 28, 16-206
 

Autorin: Johanna Strasser-Lötsch, Wels

Liebe Schwestern und Brüder,

 

das Fest, das wir heute feiern – Christi Himmelfahrt – ist mit dem vorangegangenen Fest – Ostern – und dem nachfolgenden Pfingsten aufs engste verbunden. Eigentlich bildet diese Trias eine Einheit, es handelt sich quasi um „3 Seiten einer Medaille“, wenn es denn so etwas gäbe.

 

Was in der Bibel als ein Nacheinander erzählt wird und sich auch im Kirchenjahr über 50 Tage erstreckt, das stelle ich mir als EIN Ereignis vor, EIN Ereignis allerdings mit mehreren Facetten.

Aus der Sicht der Jünger und Jüngerinnen betrachtet, war da einerseits die umwerfende österliche Erfahrung des lebendigen Jesus: Sie begegnen ihm nach seinem Tod auf eine sehr persönliche und zugleich geheimnisvolle Weise. Es sind Begegnungen, die ihre Erwartungen und Vorstellungen sprengen. In ihrer Mehrdeutigkeit changieren sie zwischen überwältigender Freude und ratlosem Zweifel, zwischen Erkennen und Nicht-Erkennen. 


Zugleich erfahren sie diesen lebendigen Jesus als einen Entzogenen, als einen, dessen man nicht habhaft werden kann, der in eine andere Wirklichkeit gehört. Die Bibel nennt diese Wirklichkeit „Himmel“ und beschreibt Jesu Entzogen-Sein als Himmelfahrt – unser heutiges Fest. 
Und wiederum zugleich wird das Entschwinden Jesu und das damit verbundene Alleingelassen-Sein aufgehoben in der Erfahrung, dass da etwas Unverlierbares, Brennendes und Leuchtendes von ihm in den Herzen zurückbleibt. Die Bibel spricht von der Sendung des Heiligen Geistes.

Wie gut können wir uns doch in dieser Erfahrung der Jünger und Jüngerinnen und ihrem Niederschlag in den biblischen Erzählungen wiederfinden! 


Auch auf unserem spirituellen Weg gibt es die österliche Erfahrung: Wir spüren manchmal die unbesiegbare Leuchtkraft des Lebens, und wir kennen auch die inspirierten und inspirierenden pfingstlichen Momente, in denen uns Geistkraft von innen beseelt.


Zugleich kennen wir auch die Krisis, die mit der Himmelfahrt Christi verbunden ist: die Verunsicherung, das Gefühl des Alleingelassen-Seins, den fragenden Blick nach oben: „Was nun? Wer zeigt uns, wo’s lang geht?“. Wie die Jünger und Jüngerinnen sind wir hineingeworfen in die Rätselhaftigkeit der Welt. Wie sie vermissen wir vielleicht den vorgespurten Weg, den Jesus als Spurenleger vorangegangen ist. Wie sie erkennen wir, dass es an uns ist, tastend und suchend den Weg der Liebe weiterzugehen, ohne Jesus Christus als Leitfigur direkt, unmittelbar und handgreiflich vor uns zu haben. Wie sie erkennen wir in der Himmelfahrt Jesu, dass wir auf unserer Erdenreise hineingerufen sind in die Verantwortung, diese unsere Welt zu gestalten.

Die Erzählung von der Himmelfahrt scheint mir ein Reflex auf eine Erfahrung zu sein, die sich in einem gewissen zeitlichen Abstand zur Lebenszeit Jesu eingestellt hat, seien es die 50-60 Jahre, die den Verfasser des Evangeliums vom irdischen Jesus trennen, oder seien es die 2000 Jahre, die uns von ihm trennen. Es scheint – damals wie heute - eine gemeinsame Frage im Raum zu stehen: Was bleibt von ihm? Was hat das Kommen Jesu für unsere Welt gebracht? Versinkt alles im Dunkel der Geschichte: Dieses Aufblitzen von Licht und Sinn, von radikalem Aufbruch zur Liebe und eindringlich erfahrener Gottesnähe? Schließt sich dieser besondere Moment der Geschichte sang- und klanglos wieder? 

 

Mit der Sorge der späteren Generationen, es könnte alles beim Alten bleiben, hat sich wohl auch schon der Verfasser der Apostelgeschichte auseinandersetzen müssen. Er lässt die Jünger und Jüngerinnen fragen: Wird das „Reich für Israel“ jetzt wiederhergestellt? Er tut dies im Wissen des Nachgeborenen, nämlich im Wissen, dass mit der Zerstörung Jerusalems, die ja etwa 20 Jahre vor der Abfassung der Apostelgeschichte passiert ist, dieser Hoffnung schon ein Ende gesetzt worden ist. Was der Verfasser der Apostelgeschichte seiner Generation damit sagen will, ist vielleicht dies: Es ist jetzt nicht mehr Jesus, der die Geschicke der Menschen in die Hand nimmt, der in die Geschichte eingreift, um sie zum Besseren zu wenden, diese Erwartung richtet sich nun an sie selbst; Es ist an ihnen, sich auf ihre eigenen Füße zu stellen. Alle nachfolgenden Generationen müssen sich dieser Einsicht stellen; sie - und damit auch wir Christen und Christinnen heute – sind es, die in die Pflicht genommen sind – zusammen mit allen anderen Menschen guten Willens.

 

Die Antwort auf die Frage, ob denn von Jesus etwas bleibt, ob sich denn die Welt in seinem Sinn verändert hat, kann also nur lauten: Ja, das Kommen Jesu Christi hat für unsere Welt etwas gebracht, wenn und sofern seine Jünger und Jüngerinnen auf ihrer Erdenreise den Weg Jesu auch nach seiner Himmelfahrt fortsetzen, wenn und sofern Christen und Christinnen zwar tastend, aber beharrlich die LIEBE einbringen in alle sozialen Bezüge, wenn und sofern sie selbst die Verantwortung übernehmen, den Impuls Jesu in ihr Leben, in ihre Zeit, in ihre Gegebenheiten zu übersetzen.

 

Auch die Stelle aus dem Schluss des Matthäusevangeliums stimmt in diesen Duktus ein: Jesus schickt die Jünger und Jüngerinnen aus – „geht und tauft!“ Das heißt wohl auch: Geht IHR nun und nehmt die Menschen, die ihr trefft, mit! Steckt sie an mit meiner Botschaft! Mischt euch ein! 

Aber das ist noch nicht ganz das letzte Wort. Das letzte Wort ist die Zusage: „Ich mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Zu mir, zu dir, zu uns allen sagt Jesus: „Ich bin bei dir … unwiderruflich ... in diesem Funken der göttlichen Geistkraft, den ich in dein Innerstes lege.“
 

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