Freitag 19. April 2024

Liebe Brüder und Schwestern in Gott!

 

In der Vorbereitung auf die heutige Feier habe ich Kinder gefragt: Glaubt ihr, dass der Mensch von Grund auf gut ist, oder ist auch Böses in ihm?


Was denken Sie dazu?

Die Kinder haben mir geantwortet: Im Menschen ist das Gute und das Böse, er kann sich entscheiden, eine Richtung einzuschlagen. Der Mensch ist nicht nur gut. Böses kommt auch von den Tieren, vor denen er sich fürchtet (Löwe, Schlange…).

 

Der Text der heutigen Lesung ist Ihnen sicher schon von Kindheit her bekannt: Aus dem Katechismus, vom Religionsunterricht oder Kinderbibeln. Diese Erzählung aus dem ersten Testament will eine Geschichte dazu liefern, warum das Verhältnis von Mensch zu Gott oft ein gestörtes, belastetes, mit Schuld beladenes ist; und dazu auch noch erklären, warum das Verhältnis von Mann und Frau so kompliziert ist – in Anziehung, Abhängigkeit, Über- oder Unterordnung, mit Misstrauen und Schuldzuweisungen verbunden.

 

Menschen geben sich nicht mit paradiesischer Unschuld zufrieden, sie wollen den Dingen auf den Grund gehen, Grenzen überschreiten und eigene Akzente im Leben setzen. Gut und böse zu unterscheiden, ist da eine verlockende, gottgleiche Fähigkeit: Moralisch zu handeln und zu urteilen, hebt Menschen von Tieren ab, stellt Menschen – als Richter und Gerichtete – über- und untereinander, macht Reflexion und Nachdenken über das eigene Handeln möglich – und zugleich nötig. Dieser Schritt, in einigen Belangen quasi wie Gott zu sein, vertreibt uns aus dem Paradies kindlicher Naivität.


Was in jüdischer Tradition den Zwiespalt in der menschlichen Existenz beschrieb, wurde in der christlichen Tradition zur Urschuld, Ursprungssünde oder „Erbsünde“ – also einer Schuld und Sünde, die uns  „von Adam und Eva her“ alle betrifft.  „Erbsünde“ wurde zum theologischen Streitgegenstand, leider oft auch mit Sexualität in Verbindung gebracht, und braucht – so denke ich – heute neue Deutungen bzw. Verbindungen mit dem, wie wir die Gebrochenheit des Lebens im Alltag erleben.

 

Zwei Gedanken möchte ich ihnen anbieten:

Dass in mir nicht nur gute Gedanken wohnen, sondern auch finstere und böse, erlebe ich oft. Meine erworbenen Moralvorstellungen und mein gebildetes Gewissen, zusammen mit einer guten Impulskontrolle, halten mich meist davon ab, diese schwarzen Ideen in die Tat umzusetzen. Aber dennoch handeln (oder unterlassen) wir gegen besseres Wissen, gegen das Gute, gegen andere, gegen Gott. Diese Tendenz gibt es in uns.

 

Und wir können „Erbsünde“ so lesen, dass jede und jeder von uns schon vom Mutterleib an in vielfältige Zusammenhänge eingebunden ist in vielfältige Zusammenhänge: In mehr oder weniger problematische Familiengeschichten, in die Zustände in einem Land, in Arbeitsverhältnisse, in Machtgefälle, in die ökologischen oder wirtschaftlichen „Schulden“ des Geburtslandes und vieles mehr. 


Einige dieser Strukturen sind ungerecht, und ich kann ihnen fast gar nicht entkommen und mache mich mit meinem Handeln oder auch Nicht-Handeln zur Komplizin des Unrechts, mitschuldig:

Welche Kleidung ich kaufe (wo und unter welchen Umständen sie produziert wurde, welchen Hungerlohn die NäherInnen dafür bekamen), woher meine Nahrung kommt und wer sie wie herstellt, dass ich fossile Treibstoffe tanke, um von A nach B zu kommen (und es geht fast nicht anders), dass ich mich ohnmächtig fühle gegenüber dem erweiterten Bürgerkrieg in Syrien, dass ich im privilegierten Österreich lebe, dass unsere Regierenden Asylgesetze verschärft haben, und vieles mehr.


Den Zustand der paradiesischen Unschuld, den gibt es auch hier nicht: Ich muss mich kleiden, muss essen, wohnen, muss auch mobil sein, Geld verdienen, abschalten können. Aber ich weiß – oder kann ganz leicht wissen, wenn ich mich nur ein wenig informiere – wie ungerecht es auf dieser Welt zugeht, ich kann sie in kleinen Teilbereichen ändern, aber nur ein klein wenig. Mehr bewegen lässt sich in Solidarität und Verbundenheit mit anderen.

 

Soll ich mich als Eremitin in ein einfachstes Leben zurückziehen? – Aber, entziehe ich mich da nicht auch der Gemeinschaft, mit meinen Fähigkeiten, nehme ich mich und mein Änderungspotential damit nicht ganz aus dem Spiel?

Mit dem heutigen Feiertag „Mariä Empfängnis“ ist auch folgendes gemeint: Eines Tages werden auch wir – wie Maria schon vor uns – heil und hell sein, so wie wir gedacht sind von Gott her, so wie Maria schon beschenkt wurde. – Maria, ein Mensch wie wir, mit Bedenken, Zweifel, Schmerz und Vertrauen auf Gott. 


Zwar sind wir täglich von Schuld, Versagen und Unheil umgeben, „verbandelt damit, verstrickt darin“ – was aber noch wichtiger ist: Wir sind gehalten und getragen von der Gnade und Liebe Gottes, die wir immer wieder als Weihnachtsgeschenk annehmen dürfen.


Fürbitten:

Jesus Christus, du nimmst uns an in unserer Gebrochenheit und mit unseren Unfreiheiten. Du kommst uns entgegen mit deiner Gnade und deiner Liebe. Dir vertrauen wir unsere Bitten an:

Wir bitten dich für uns und unsere Mitmenschen: Dass wir auch in allem Versagen und aller Schuld die Achtung vor der Würde jedes und jeder einzelnen bewahren.

  • Wir bitten dich – erhöre uns. 
  • Wir bitten dich für die Menschen, die unsere Hilfe benötigen: Dass wir ihnen Licht und Unterstützung sind.
  • Wir bitten dich – erhöre uns. 
  • Wir bitten dich für die Welt, wo es an vielen Ecken und Enden ungerecht abläuft: Lass uns erkennen, wo wir selber ansetzen und die Welt zum Besseren verändern können – und gib uns die Kraft, es auch zu tun. 
  • Wir bitten dich – erhöre uns. 
  • Wir bitten dich für alle Menschen guten Willens: Schenke ihnen einen langen Atem, deinen Beistand und Humor, um schwierige Situationen durchzustehen.
  • Wir bitten dich – erhöre uns. 
  • Jesus, dir ist das Menschliche nicht fremd. Du bist bei uns auf allen Wegen – hellen und dunklen. Dafür danken wir dir, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.
     

 

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