„Ich möchte in einem größeren Radius aussäen...“
„Step by step“, so möchte Irmgard Lehner in ihre neue Aufgabe starten: „Ich denke, das ist eine gute Haltung dafür. Es ist eine besondere Zeit, in der sehr viele Veränderungsprozesse laufen und da ist es notwendig, Schritt für Schritt in die neuen Themen einzusteigen und sich viel erzählen zu lassen.“ Der schrittweise Einstieg begann für sie eigentlich bereits seit der Zusage, dass sie die Position der Leiterin des Fachbereichs übernehmen könne. Obwohl sie bis zum 31. August als Leitende Seelsorgerin für die Pfarre Wels-St. Franziskus tätig war, war sie in Absprache mit der bisherigen Direktorin, Brigitte Gruber-Aichberger, bereits seit April in diversen Gremien und Besprechungen.
Zuhören, das charakterisiert wohl allgemein ihre Haltung und ihren Zugang zu dieser Rolle: „Seit 1995 bin ich an verschiedenen Orten tätig gewesen, die Gesichter und die Abläufe sind mir also vertraut. Dennoch ist es ein anderer Blickwinkel, den ich nun einnehme. Da braucht es offene Augen und Ohren, die schauen und hören, was es braucht.“
Visitenkarte Pfarre Wels-St. Franziskus
Wie sie ihr Bild von Kirche im Allgemeinen und Spiritualität im Besonderen versteht, lässt sich in ihrer ehemaligen Pfarre ablesen: „St. Franziskus ist so etwas wie meine Visitenkarte. Kirche und Spiritualität, das muss nicht immer so modern sein wie in Wels-St. Franziskus, das kann auch traditionell sein. Wichtig sind die Verbundenheit zu Christus und das Anliegen, mehr Liebe in die Welt zu bringen, sowie eine große Nähe zu den Menschen. Aber auch Lebendigkeit und die Hoffnung, dass Gott sich Wege sucht, die weit über das hinausgehen, was wir uns vorstellen können.“
Auch eine gewisse Abschiedswehmut mit Blick auf St. Franziskus ist dabei. Irmgard Lehner hat sehr gerne in dieser Pfarre gewirkt und verbindet mit dem Ort und den Menschen sehr viele Lebensgeschichten und Erfahrungen. Für die neue Rolle hat sie aber genau aus diesen Erfahrungen geschöpft: „Ich habe die Arbeit als Seelsorgerin als unglaublich schöne und wertvolle Arbeit empfunden. Nun mag ich gerne dazu etwas beitragen, einen Rahmen zu setzen, damit die Seelsorger*innen gut arbeiten und diese wertvolle Aufgabe mit Freude erfüllen können. Ich möchte das meine dazu tun - im Interesse der vielen Menschen, die in Oberösterreich zuhause sind und gute Seelsorge bekommen sollen.“
Führungsstil mit Leichtigkeit, Herzenswärme und Lebensfreude
Drei Werte, die sich Irmgard Lehner jedenfalls bewahren und in den Fachbereich einbringen möchte, sind Leichtigkeit, Herzenswärme und Lebensfreude. Sie ist davon überzeugt, dass dies drei Eigenschaften sind, die handelnde Personen in der Kirche brauchen: „Auch, wenn es nicht jeden Tag gleich geht, so sind dies wichtige Eigenschaften der christlichen Botschaft. Ohne dabei naiv zu sein. Ich sehe ganz klar die Schwierigkeiten und Konfliktflächen, oder auch Aspekte, die wir gerne hätten, die aber nicht möglich sind. Ich bin keine Träumerin.“
Bewusstsein für Schwierigkeiten
Das zeigt auch das Problembewusstsein, das Irmgard Lehner schon von Beginn an mitbringt: „Besonders mit Blick auf die Umsetzung des neuen Strukturmodells stelle ich sehr viel Verunsicherung fest. Bei Veränderungen ist es wichtig, gut wahrzunehmen, wo Unsicherheiten liegen, und es ist notwendig, die Ängste und Sorgen zu hören. Es gilt aufmerksam zu sein, wo etwas verloren geht und wo Trauerarbeit notwendig ist. Für all das habe ich ein offenes Ohr.“ Deshalb bietet die neue Leiterin an, dass man sie gerne anrufen oder ihr ein Email schreiben kann, wenn man etwas ansprechen möchte. „Das heißt nicht, dass ich auf alles eine Antwort oder gar eine Lösung habe. Aber ich möchte deutlich machen: Mir ist nicht egal, was ihr empfindet.“
Beteiligung als zentrale Kategorie
Beteiligung ist für Irmgard Lehner generell ein Anliegen. Sie versteht Kirche als ein Miteinander-auf-dem-Weg-Sein und empfindet es als wichtig, die Möglichkeit zu bieten, dass sich Menschen beteiligen. „Das gilt für die Hauptamtlichen an den verschiedenen pastoralen Orten genauso wie für die Menschen im Dekanat und die Ehrenamtlichen bzw. für die diözesane Sicht. Es ist wichtig, sich miteinander an einen Tisch zu setzen, um alles Wichtige dort aufs Tablett zu bringen und miteinander um Lösungen zu ringen, mit denen alle gut leben können.“ Um das zu ermöglichen ist es notwendig Klarheit zu haben, wer Entscheidungen trifft. Und diese dann auch transparent zu kommunizieren. „Schön ist, wenn man danach über etwas lachen kann, über das man zuvor streiten musste“, so Irmgard Lehner.
Personalknappheit und Rollenwandel als Herausforderungen
Dabei sieht sie klar die Herausforderungen, die mit der neuen Position einhergehen: „Es ist eine große Aufgabe, für mehr als 300 Mitarbeiter*innen einen guten Rahmen für ihre Arbeit zu setzen. Dies ist noch herausfordernder in einer Zeit, wo die Personalressourcen knapp sind und nicht nur in der Kirche qualifizierte Menschen gesucht werden.“
Gleichzeitig sieht sie auf die Kirche als Ganzes und die Pfarrgemeinden im Besonderen große Veränderungen zukommen. „Es ist notwendig, dass es in den Pfarren ausreichend Ehrenamtliche gibt, denen am Herzen liegt, dass eine lebendige Kirche am Ort ist und die darum mehr leitende Aufgaben und Verantwortung übernehmen. Dazu müssen sie qualifiziert und begleitet werden. Das bedeutet umgekehrt für die Hauptamtlichen einen Rollenswitch, der herausfordernd sein kann.“ Den Rollenwandel sieht Irmgard Lehner auch darin, weniger selbst in der Hand zu halten, als vielmehr zu ermöglichen. „Für mich ist das sehr paulinisch: Da zu sein und zu schauen, was braucht es und was ist aufzubauen. Wenn es gut geht heißt es aber auch sich einmal herauszunehmen und Kirche sein, aber nicht alleine zu lassen.“
Schwerpunkt diözesane Prozesse und Begleitung
Die Schwerpunkte ihrer eigenen Aufgabe sieht Irmgard Lehner besonders zu Beginn von den diözesanen Prozessen her gesetzt: „Im Zuge der Veränderung in den diözesanen Ämtern wird auch die Abteilung Pastorale Berufe in einen Fachbereich übergeführt. Dieser Übergang muss begleitet und gute Strukturen aufgebaut werden.“ Als wichtig dafür empfindet die Leiterin gute Kommunikationslinien im Umgang miteinander: „Denn alle Bereiche miteinander dienen dem, dass Kirche in Oberösterreich lebendig ist und die Menschen in ihrem Christsein gut unterstützt sind.“ Wichtig ist ihr derzeit die gute Einarbeitung der Pastoralvorständ*innen in ihre neue Funktion. „Mein Anliegen ist, hier gut zu begleiten und eine gute Vorgesetzten-Funktion zu erfüllen. Da ist es notwendig gut im Gespräch zu bleiben.“
Gleichzeitig ist es Irmgard Lehner wichtig, die Pfarren, die weiterhin im alten Modell arbeiten, nicht zu vergessen: „Denn die sind derzeit noch in der Mehrheit und erfüllen einen wichtigen Teil der Arbeit. Das Neue wächst derweilen langsam heran.“
Vorfreude auf einen größeren Radius und den Schatz der Mitarbeiter*innen
Bei all den Herausforderungen und anstehenden wichtigen Aufgaben gibt es aber auch vieles, auf das sich Irmgard Lehner freut: „Ich freue mich auf das Arbeiten im Team, sowohl im Fachbereich als auch im Bereich Pfarre und Gemeinschaft. Dort finde ich überall Menschen, mit denen ich gut arbeiten kann. Außerdem freue ich mich auf einen größeren Radius, denn es war auch mein Anliegen bei der Bewerbung, das, was ich auf Grund meiner Spiritualität, Qualifikationen und Erfahrungen beisteuern kann, in einem größeren Radius aussäen zu können, um dann darauf zu vertrauen, dass etwas daraus wächst.“ Gleichzeitig freut sich Irmgard Lehner, mit den Mitarbeiter*innen von Pastorale Berufe besser in Kontakt sein zu können: „Ich empfinde meine bisherigen Kolleg*innen als ganz großen Schatz. Das wurde mir vor Kurzem beim Mitarbeiter*innen-Treffen in der Welser Stadthalle wieder ganz deutlich: Was für eine Ressource das ist, so eine tolle Belegschaft zu haben. Das ist zwar keine neue Erkenntnis für mich, doch berührt es mich als Leiterin nun nochmal in anderer Weise.“
Aber auch bei Irmgard Lehner selbst löst der Blick auf die neue Position etwas aus: „Ich fühle mich sehr bereit für etwas Neues. Für mich als Mensch ist das belebend, ich spüre, wie ich neugierig und quirlig werde, ich fühle mich lebendig. Auch wenn ich mir manchmal denke, ich mute mir da ganz schön was zu.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA