Der etwas andere Advent
„Wie kann man – besonders in diesen Zeiten – ein Zeichen der Aufmerksamkeit setzen, sich Nähe ereignen ohne physische Grenzen zu verletzen“, dieser Gedanke leitete Mag.a Martina Resch, die als so genannte Kundschafterin in der Diözese Linz arbeitet, in der letzten Zeit. Onlineangebote gibt es zur Genüge, aber ihr ging es um etwas Anderes. So hat sie überlegt, wie man Ort und Raum derzeit anders und angemessen denken kann, so dass sich auch etwas vor Ort, analog, umsetzen lässt.
Daraus ist eine Verteil-Aktion am 8.12.2020 geworden. Jede*r durfte sich nehmen, so viel er*sie mag: „Die Idee war es, sich ein Sackerl abzuholen. Nicht nur für sich selbst, sondern gleich zwei, drei weitere um sie vor die Türen von Nachbar*innen zu stellen. Einfach als kleine Geste der Nähe und Aufmerksamkeit, in Zeiten, wo diese so schmerzlich fehlt,“ beschreibt Martina Resch.
Bereits im ersten Lockdown hat Martina Resch beobachtet, wie Michael Steininger, Inhaber des Restaurants muto in der Linzer Altstadt, angeboten hat, sich Sonntag vormittags Frühstücksgebäck bei ihm abzuholen. Das hat sie berührt und auch inspiriert. So nahm sie Kontakt mit ihm auf und erzählte ihm von ihrer Idee der Verteilung eines Brotsackerls, das mit Brot, Bildern, Botschaften und Texten bestückt sein sollte. Steininger sagte sofort zu und begann in seinem Netzwerk weitere Kooperations-Partner*innen zu suchen. So kam es, dass das Cafe Friedlieb und Töchter „Franz-Brötchen“ und Markus Fuchs alias Fuxxy gebrannte Mandeln für das Sackerl beigesteuert haben. Vom Restaurant muto kamen selbst gebackene Vollkornlaugenbrezen dazu. Zwei Illustratorinnen, Katja Seifert und Carina Lindmeier, entwarfen Bilder für diese Aktion, Christian Feisleben-Teutscher schrieb einen Advent-Impuls dazu, Mein Müli steuerte Papiersäckchen bei und die Familie Dobretsberger übernahm den Druck der Illustrationen.
Martina Resch hat die große Bereitschaft der Unternehmer*innen beeindruckt: „Ich war total baff mit welcher Großzügigkeit mir alle Akteur*innen begegneten. Denn ich hatte ja nur ein relativ kleines Budget und eine Idee. Doch alle haben sich zudem entschlossen ihre kleine Aufwandsentschädigung zu spenden.“ Gemeinsam mit den Spenden für die Sackerl selbst kam dieses Geld der Caritas-Einrichtung FRIDA zugute, einem Tageszentrum für wohnungslose Frauen in Linz.
Als am 8.12.2020 die Sackerl vor dem Restaurant muto verteilt wurden, waren innerhalb von vier Stunden alle 120 Sackerl weg. Martina Resch berichtet: „Einige Menschen standen tatsächlich schon um Punkt 10:00 vor der Tür. Die erste Person nahm sich gleich fünf Stück mit. Das war natürlich ganz wunderbar. So viele lächelnde Gesichter zu sehen, war sehr schön und die Vorstellung, dass diese kleinen Präsentsackerln noch mehreren Menschen, die nicht anwesend waren, ebenso ein Lächeln ins Gesicht zaubern könnten, das war etwas sehr Besonderes.“
Überwältigt war sie auch von der Freude und dem Engagement aller Beteiligten der Initiative: „Jede*r gab an diesem Tag, was er*sie konnte. Das war ja auch das Besondere an den Sackerln, dass ganz viel Herzblut und Liebe von unterschiedlichen Personen drinnen steckte, die nach ihren je eigenen Talenten und Fähigkeiten das Gesamtprodukt erst möglich gemacht haben. Ich glaube daran, dass kleine Zeichen sehr wirkmächtig sein können. Für mich war dies Sakrament.“
Der Adventkalender, den Martina Resch auf ihrer Facebook-Seite https://www.facebook.com/wundersucherin anbietet, verfolgt ein ähnliches Ziel. „Er ist klein und fein, sehr flüchtig.“ So beschreibt sie ihn selbst. Dabei veröffentlicht sie täglich einen Dreizeiler, den sie auf ihrer Schreibmaschine getippt hat. Sie fotografiert ihn an einem Platz in ihrer Wohnung, postet dieses Bild auf Facebook. Danach bringt sie den Dreizeiler in den öffentlichen Raum und legt ihn irgendwo in der Linzer Innenstadt ab. „Der Adventkalender ist somit für unterschiedliche Sichtweisen zugänglich. Einmal im digitalen Raum, einmal im öffentlichen Raum. Natürlich kann ich nie überprüfen, was aus den Bild-Texten wird. Das will ich auch gar nicht. Mit diesem Geheimnis mag ich gerne leben. Aber manchmal gehe ich an den Orten vorbei, an denen ich sie abgelegt hatte, und sie sind weg. Da beginnen natürlich dann in mir ganz wunderbare Bilder im Kopf zu entstehen.“
Unterstützt wird sie in diesem Prozess von ihrem Sohn: „Für ihn ist es natürlich auch ganz toll, weil er mir manchmal dabei hilft, die Plätze auszuwählen, oder weil er neugieriger ist, als ich es bin, wenn es darum geht, nachzuschauen. Ich merke, so wenige Rituale ich mit ihm auch habe im Advent, das könnte in diesem Jahr unser gemeinsames sein. Und das ist etwas sehr Schönes. Zu sehen, dass sich neue Rituale entwickeln können, die zu einem passen. Und das ist eine Hoffnung, die ich für viele Menschen habe.“
Martina Resch, die sonst eher längere Texte schreibt und auf dem Blog https://www.wundersucherin.at der Wundersucherin veröffentlicht, entschied sich beim Adventkalender bewusst für eine Reduktion, die aber „nicht nichtssagend sein sollte, sondern ganz viel Weiß- und Spielraum, für mögliche Leser*innen lassen sollte.“
Die Texte versteht Martina Resch „als kleine, feine Angebote. Ich sag ja nie, was zu tun ist, oder zu lassen ist, ich zeige einfach ein Stückerl von mir und meiner Freiheit mit Worten und Räumen zu spielen. In der Hoffnung, dass sich jemand anders eine ebensolche Freiheit nimmt zu gestalten, wo auch immer, wie auch immer.“
Text: Mag.a Melanie Wurzer BA