Wahre Schätze
Grundsätzlich kann man zwischen materiellen und spirituellen Schätzen unterscheiden. Die materiellen Schätze haben allerdings eine gravierenden Nachteil: sie sind vergänglich. Sie haben eine gewisse Halbwertszeit. Sobald man sie eine bestimmte Zeitspanne besitzt, verlieren sie an Reiz. Sie werden uninteressant, manchmal sogar zum Ballast, zur Belastung, denn Besitz beinhaltet auch die Dimension, dass der Besitz uns besitzt. Mit dem Besitz gehen wir in der Regel auch eine Verpflichtung des Pflegens und des sinnvollen Nutzens des Besitzes ein. Das kann mit der Zeit als Belastung empfunden werden. Vor allem dann, wenn man große Mühen und Ressourcen zur Erlangung dieser Schätze aufgebracht. Es muss sich ja schließlich lohnen!
Auf der anderen Seite stehen nun die spirituellen Schätze. Aber was sind spirituelle Schätze? Was können spirituelle Schätze darstellen?
Liest man die Gleichnisse vom Schatz und von der Perle im Matthäus-Evangelium (Mt 13,44-46): „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.“, so ist offenkundig von einem spirituellem Schatz, dem Himmelreich, die Rede. Die Freude über den Fund des Schatzes ist so groß, dass jeder der „Schatzsucher“, alles verkauft, um diesen einen Schatz kaufen zu können. Also muss es in ihren Augen, das Wertvollste sein, was existiert.
Diese kurze Bibelstelle kann als Anleitung für eine spirituelle Schatzsuche angesehen werden, denn sie beschreibt eine unbewussten Schatzsuche und eine bewusste Schatzsuche, die mit Erfolg gekrönt worden sind. Beiden Schatz suchenden Männern gemeinsam ist, dass sie genaue Vorstellungen besitzen, was für sie persönlich einen Schatz darstellt. Der eine findet ihn zufällig, der andere, der Kaufmann, sucht gezielt nach dem Schatz (die besondere Perle). Sobald sie den Wert des Schatzes in ihren Händen erkannt haben, agieren beide gleich: sie verkaufen alles, was sie haben, um den Schatz erwerben zu können.
Man kann aus dieser Bibelstelle auch herauslesen, dass es sehr wichtig ist, genau zu wissen, auf welcher Schatzsuche man sich begeben will. Nur wenn man eine präzise Vorstellung des persönlichen Schatzes hat, kann man ihn erkennen, wenn man ihn in Händen hält. Speziell in unserer Überflussgesellschaft herrscht eine Orientierungslosigkeit aufgrund des Überangebots an Möglichkeiten, „Schätze“ zu sammeln (wobei der Begriff „Überfluss“ auch im Zusammenhang mit der Informationsflut und den damit verbundenen Ablenkungen in den digitalen Medien zu sehen ist). Deshalb kann uns eine genaue Vorstellung, wie mein persönlicher Schatz beschaffen sein soll, Orientierung im Leben geben. Auf der einen Seite drückt also die Formulierung der Beschaffenheit des Schatzes, den ich suchen will, meine Persönlichkeit und auch Wünsche und Sehnsüchte aus. Auf der anderen Seite kann es sich dann nur um „dauerhafte“ Schätze, also spirituelle Schätze handeln.
Wie findet man nun seinen persönlichen, spirituellen Schatz?
Zu aller erst muss ich mich fragen: „Was sind meine Bedürfnisse? Habe ich überhaupt noch Bedürfnisse und Sehnsüchte?“ In der Apostelgeschichte findet sich dazu ein Hinweis (Apg 4, 34-35): „Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ Im individuellen Kontext fordert uns diese Bibelstelle auf, darüber nachzudenken, was brauche ich wirklich im Leben, sodass ich keine materielle Not leide. Hilfreich zur Identifizierung des persönlichen Schatzes sind auch die Fragen: „Was lenkt mich vom Wesentlichen ab? Was ist das Wesentliche in meinem Leben?“
Interessanterweise findet diese Haltung, das heißt, die materielle Beschränkung auf das zum Leben Notwendige, um das Wesentliche im Leben entdecken zu können, eine Renaissance in der modernen Bewegung des Minimalismus. Die Erkenntnis, dass unsere materielle Konsumgesellschaft mit einer zunehmenden Umweltzerstörung einhergeht, ist sicher ein Grund für diese Entwicklung. Im sechsten Kapitel (202–245) der Enzyklika „Laudato Si“ ruft Papst Franziskus zu einer ökologischen Umkehr auf, die sich in einem neuen Lebensstil in „Freude und Frieden“ (222–227) ausdrücken soll. Wir sind also aufgefordert, einen individuellen Lebensstil zu entwickeln, der durch Kontemplation, Genügsamkeit, Demut und „gelassener Aufmerksamkeit“ sowie „Liebe im zivilen und politischen Bereich“ (228–232) charakterisiert sein soll. Diesen Prozess anzustoßen, ist nicht einfach, denn wir müssen uns von unseren bequemen und lieb gewonnenen Gewohnheiten verabschieden.
Aber das ist gerade der Kern einer „spirituellen“ Schatzsuche. Erst wenn es uns gelingt, nicht nur materiell, sondern auch geistig zu entrümpeln, wird der Blick auf das für mich Wesentliche, auf meinen Schatz, frei. Erst wenn wir Zeit und Mühen für eine Änderung der eigenen Gewohnheiten und persönlichen Lebenseinstellungen aufgewendet haben, tragen wir gute Früchte. Machen wir uns also auf den Weg! Seien wir gute Schatzsucher!
Andreas Resetarits,
Diözesanobmann der Katholischen Männerbewegung Eisenstadt