Freitag 26. April 2024

Der Tag des Zornes ist nahe

Gerlinde Baumann zu Gewalttexten in der Bibel

Gewalt ist heute in unserer Gesellschaft großteils verpönt, Gewalt im Namen der Religion und auch Gewalt in religiösen Schriften (Koran, Bibel) ein Problem, bei dem Menschen doppelt sensibel reagieren. Und es ist ein Thema, das interessiert – 61 Menschen kamen zum Vortrag von apl. Prof. Gerlinde Baumann (Universität Marburg) an der KU Linz.

 

Die Schwierigkeit(en) von biblischen Gewalttexten
In einem ersten Schritt zeigte Baumann auf, wo überhaupt das Problem liegt. Biblische Texte, in denen Gewalt – von Menschen an Menschen, von Gott an Menschen – vorkommt, sind einerseits für gläubige Menschen eine Schwierigkeit (für die Frömmigkeit, das eigene Gottesbild, für das ethische Empfinden, …), andererseits aber auch „willkommenes Fressen“ für Kritik am Christentum: Wer mit dem Vorverständnis, das Christentum sei schlecht, an die Bibel herangeht, wird sich in diesen Texten bestätigt sehen. Ähnliches passiert derzeit viel stärker mit dem Islam und dem Koran. Der Blick in die Kirchengeschichte, der ebenso viel Gewalt aufdeckt, verhärtet das Bild. Jedoch sind nicht die Texte selbst gewalttätig, sondern die Menschen, die sich von solchen Texten zu Gewalt inspirieren lassen.

Biblische Gewalttexte besser verstehen
Es geht demnach darum, wie man diese Texte heute besser verstehen und wie man mit ihnen umgehen kann oder soll. Dass die Bibel Gewalttexte enthält, lässt sich zu einem großen Teil damit erklären, dass in ihrer Entstehungszeit Gewalt im Alltag eine nicht unwesentliche Rolle spielte (Krieg, Gewalt von Männern an Frauen, …) und die Bibel eben „das ganze Leben“ enthält. Gewalt war damals Tatsache – und ist sie, wie wir heute (wieder) entdecken müssen, immer noch … Auch die Göttervorstellungen der damaligen Zeit hatten einen Einfluss auf das Gottesbild Israels, so dass auch Züge eines Kriegsgottes mit hinein kamen. Außerdem konnte man sich nicht vorstellen, dass es etwas gab, was nicht durch die Götterwelt (mit) verursacht war; so lässt sich der Satz erklären: „Geschieht ein Unglück in der Stadt, ohne dass JHWH (Gott) es bewirkt hat?“ (Am 3,6)
Auch die Lesenden beeinflussen durch ihren Lebenshorizont ganz zentral das Verständnis von Bibeltexten; so haben z.B. Menschen, für die Gewalt Alltagsthema ist, viel weniger Schwierigkeiten mit solchen biblischen Aussagen, bzw. diese können für jene sogar Ausdruck und Deutemöglichkeit ihrer eigenen Situation sein.
Womit ein letzter, wichtiger Schritt benannt ist:

Wie können wir mit diesen Texten umgehen?
Die Vortragende sprach sich gegen eine allegorisch-spirituelle Interpretation von Gewalttexten aus, da diese die Gewalt-/Kriegssprache übernehmen würde – und im Lauf der Christentumsgeschichte dadurch reale Gewaltanwendung im Namen der Religion erleichtert hätte (nach Philippe Buc).
Es gilt hingegen, die Texte wertzuschätzen, zu akzeptieren, dass Gewalt Alltagsthema in biblischer Zeit war. Diese Texte können uns auch einen Spiegel vorhalten für unsere eigene Gewalttätigkeit, für die Seiten an uns, die wir gerne verschweigen.
Eine gute Umgangsweise ist sicher die Erinnerung an geschehene Gewalt und an die Opfer, an die Opfer des Bibeltextes, aber auch mit der Bibel an die Opfer der Geschichte und Gegenwart. Auch können wir uns die schon innerbiblisch belegte Delegation von Vergeltung zu eigen machen: Gewalt wird nicht mit Gegengewalt vergolten, sondern Gerechtigkeit wird an Gott delegiert, d.h. der Mensch steigt aus der Gewaltspirale aus. Manche Texte allerdings können wir einfach nur stehenlassen bzw. wir müssen ihnen aus heutiger Sicht widersprechen (und sie an den „Rand des Kanons“ stellen – was wir bei unserer meist selektiven Bibelrezeption sowieso ständig mit manchen Texten tun).
Auch in den regen anschließenden Fragen wurde deutlich, dass uns das Thema innerchristlich betrifft und es (wie meist) nicht die einzelne perfekte Antwort gibt – jedoch Wege, die gangbar sind.

Rainer Haudum

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