Pfarrer P. Johannes zum 1. Adventsonntag
Liebe Mitchristen!
Ich begrüße alle am Beginn des neuen Kirchenjahres. Es ist das Lesejahr B mit dem Schwerpunkt auf dem Markusevangelium.
Der erste Adventsonntag will den Blick auf die Endzeit richten und damit die dringliche Frage nach dem stellen, worauf es eigentlich ankommt. Nur eine Kerze am Adventkranz brennt. Es ist ein Symbol für das geistliche Dunkel in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte, der sich Gott aber doch geheimnisvoll offenbart in einzelnen geistlich sensiblen Menschen, die damit die Welt zu erhellen beginnen.
Das heutige Evangelium (Mk 13, 24-37) bringt einen Ausschnitt der Rede Jesu über das Ende der Welt, wie sie vom Evangelisten Markus überliefert ist: „Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen.“
Die übliche Deutung zielt auf die damaligen Vorstellungen von Erde und Weltall ab, die durch die heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse natürlich überholt sind. Gerade im Markusevangelium kann man aber feststellen, dass hier Bilder der Seele mit äußeren Vorstellungen vermittelt werden. Wenn wir die Worte Jesu so verstehen, dann könnte das folgendes bedeuten:
Jeder Mensch baut sich ein Weltbild auf, an dem er sich orientiert und seine Lebensereignisse deutet. Das gibt ihm Sicherheit und Motivation, und es gibt gewisse Leuchtfeuer, Fixpunkte, an denen er seinen Standpunkt festlegt.
Nun sagt Jesus, dass alle diese Fixpunkte verschwinden werden, alle Idole, Superstars des Lebens, alles, was Licht in das Dunkel des irdischen Lebens gebracht hat - alles wird vom Himmel fallen und alles, was Stabilität gegeben hat, wird erschüttert werden. Man darf sagen, das selbsterrichtete Weltbild bricht zusammen.
Das ist aber offensichtlich notwendig, damit sichtbar werden kann, worauf es eigentlich ankommt: Erst wenn alle Scheinmächte, alle Götzen des Lebens, alle Täuschungen, alle Irrlichter, alle Ideologien, alle „Fixsterne“, alle unverrückbaren sturen Standpunkte in ihrer Nichtigkeit offenbar geworden sind, erst dann kann das sichtbar werden, worauf es eigentlich ankommt, und was bleibende Gültigkeit hat. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
Diese Erfahrungen sind allerdings menschliche Katastrophen, und jeder, der ernsthaft davon reden kann, hat schlimmste Situationen durchgemacht. Es gibt viele, die nach einem schrecklichen Unfall, oder auch durch eine plötzlich auftretende schwere Erkrankung alle ihre Lebenspläne aufgeben mussten, die in ein tiefes Loch fielen, deren Lebenssinn mit einem Schlag zerbrach. Auch mein Elternhaus hat vor 60 Jahren so ein Schlag getroffen und ich durfte selbst erleben, wie sehr sich dadurch alles verändert hat. So habe ich ein wenig Ahnung von dem, was ich hier schreibe.
Damit bekommt aber der Advent eine ungeheuer dramatische Dimension, nämlich die Botschaft, dass tatsächlich alles, was die Welt scheinbar so groß und erfolgreich macht, zusammenbrechen wird, zumindest für jeden einzelnen. Aber Jesus sagt, dass das notwendig ist, weil nur so das aufleuchten kann, was der Schöpfung den eigentlichen Sinn gibt.
In diesem Zusammenhang darf auch ein Satz zu einem Thema gesagt werden, das jetzt in Österreich wieder aktuell geworden ist. Es geht um die aktive Sterbehilfe. Man kann gut nachvollziehen, dass jemand sagt: „Wenn alles zusammenbricht, was bisher mein Leben erfüllt hat, dann will ich gar nicht mehr leben.“ Damit hat auch ein ehemaliger Schüler unseres Stiftsgymnasiums, der mit 16 Jahren einen schrecklichen Schiunfall hatte und seither querschnittgelähmt war, nach eigenen Aussagen zwei Jahre lang (!) gerungen, bis ihm aufgegangen ist, dass dahinter ein wunderbares Geheimnis steht, und er hat dann, (ähnlich wie viele andere, die ein derartiges Schicksal erlitten,) eine große Dankbarkeit gefunden dafür, dass ihm Gott den schrecklichen Unfall geschenkt hat. Dieser Schüler hatte bis zu seinem Tod mit etwa 40 Jahren eine gewaltige Ausstrahlung, und er konnte in einer Weise Trost spenden, wie es ein normaler gesunder Mensch nie schaffen würde.
Wir stehen vor einem Geheimnis, das so unerträglich für einen gesunden Menschen ist, dass sich verständlicherweise alles sträubt, diese Tatsache auch nur theoretisch zu akzeptieren. Wie an anderer Stelle erwähnt, wurde auch Jesus selbst in seinem Ölbergleiden mit dieser Todesangst konfrontiert, und dieser innere Kampf ist schrecklich. Da verfinstert sich die Sonne, die „Stars“ fallen vom Himmel und alle bisherigen Sicherheiten zerbrechen.
Nochmals weise ich auch darauf hin, dass eine Weltreligion, der Buddhismus, zu einem fundamentalen Prinzip gemacht hat, dass man sich der Realität des Zerbrechens allen Glücks und aller Sicherheit von Kindheit an stellen muss, und dass man es aushalten lernen und innerlich nachvollziehen muss, dass es ungeheuer viel Leid in der Welt gibt. Das Leiden gehört zu unserer Welt dazu, wir sollen es nicht verdrängen, es ist ein Teil unseres Lebens.
Und in diese Welt will Gott selbst eintreten, in einem schwachen kleinen Kind, das unser menschliches Lebensschicksal in allen Facetten auf sich nimmt, bis hin zur Todesangst und bis zum Kreuzestod. Das eigentliche Geheimnis dieser Menschwerdung Gottes aber ist Ostern. Die Antwort Gottes auf unser aller Leben mit allen Freuden und Ängsten ist nicht etwas, womit wir allein zurechtkommen müssen, sondern es ist das, was Gott selbst in einem dramatischen irdischen Prozess bewirkt, es ist Auferstehung, ewige Herrlichkeit, es ist das wahre Ostern. Dann wird gelten, was die Offenbarung des Johannes in ein wunderbares Bild kleidet: „Es wird keine Nacht mehr geben, und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (Offb 22,5)
Bibeltexte 031223 - Evangelium (Langfassung Mk 13,24-37)
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.