Leitartikel im Pfarrblatt Ostern 2019 von Pfarrer P. Johannes
Liebe Pfarrgemeinde!
Immer wieder bekomme ich den Eindruck, sei es in der Weltkirche oder auch in der Diözese bis hin zur Religionspädagogik, dass man dem Kern des Christentums ausweichen will und stattdessen auf Neuorganisation setzt. Vielleicht liege ich nicht richtig, aber wenn man meint, mit Umstrukturierung die Menschen gläubiger machen zu können, dann täuscht man sich. Es werden sich so auch keine jungen Menschen finden lassen, die den Pflichtzölibat auf sich nehmen und Priester werden, ebenso wenig wird man dadurch mehr Ordensberufungen bekommen. Mich hat, wenn ich mich auf meine Ordensberufung besinne, damals die Kirchenorganisation wenig interessiert, und ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, „etwas werden zu wollen“.
Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass es um das Evangelium Jesu Christi geht, und jede Kirchenstruktur hat nur die eine Aufgabe, dem Evangelium zu dienen. Sicher muss die Kirche, die ja in die Gesellschaft hineinwirken muss, eine geeignete Organisation aufbauen. Diese darf aber nie Selbstzweck sein. Vor allem müssen wir uns auf den Beginn der Kirche immer neu besinnen.
Die Auferstehungserfahrung hat bei den Jesusfreunden wie eine Bombe eingeschlagen. Der, auf den sie alle Hoffnung gesetzt haben, den sie als Messias gesehen haben, und auf den sie menschliche, irdische Hoffnungen gesetzt haben, dass alles gut wird, ist in einem Maße „gescheitert“, dass die ganze Angelegenheit nur mehr abgehakt werden konnte und man versucht hat, alles zu vergessen. Die Emmausjünger, die davonlaufen wollen und zum unbekannten Begleiter sagen, dass sie „gehofft hatten …“, drücken das deutlich aus. In ihnen ist mit dem Kreuzestod Jesu alles zerbrochen. Sie sind traumatisiert, sie können einfach nicht mehr, sie erleben ein „Burn Out“.
Und dann begegnen sie dem Gekreuzigten, dem Gehängten, dem endgültig samt seiner Botschaft Zerstörten mit einer Intensität, die sich nicht beschreiben lässt. Eine ganz neue, in der Menschheitsgeschichte nicht da gewesene Gewissheit verwandelt sie total. DER GEKREUZIGTE LEBT! Nicht einfach wie bisher, nein, der Getötete ist von Gott her jetzt DAS LEBEN SELBST geworden. Das Feuer der Liebe Christi durchdringt sie im Pfingstereignis so unbeschreiblich, dass sie in aller Öffentlichkeit auftreten und sich zu diesem Gekreuzigten bekennen. Dafür riskieren sie ihr Leben, nehmen alles in Kauf bis zum Letzten, und das durchdringt die damalige Gesellschaft wie ein Sauerteig, der schließlich die bisherigen Staatsreligionen ad absurdum führt.
Leider sind Geldgier, Machtgier und Angst im Laufe der Jahrhunderte immer wieder stark geworden und das Geheimnis des christlichen Glaubens drohte in Vergessenheit zu geraten. Immer wieder konnte aber die Botschaft des Evangeliums zünden und geistliche Erneuerung bewirken, sei es im frühen Mönchtum unter anderem mit Benedikt von Nursia, sei es die Kraft der Mystik des Hochmittelalters, für die auch der heilige Bernhard von Clairvaux steht, sei es die Armutsbewegung beispielsweise des Franziskus von Assisi, oder auch die Jesuitenbewegung im 16. Jahrhundert.
Immer wieder haben Männer und Frauen, vom Feuer des Heiligen Geistes erfasst, ihr ganzes Leben drangegeben bis hin zum Verzicht auf Reichtum, Familie und Selbstbestimmung, um den Osterglauben in einer Dichte zu leben, die in ihrer Umgebung diesen Glauben zu neuer Kraft erwecken konnten.
Ich bin überzeugt, dass dieses österliche Glaubensfeuer die Welt auch in dieser Zeit wieder durchdringen wird, und der Heilige Geist neues Leben auch bei uns entfachen wird.
P. Johannes Mülleder