"Dignitatis humanae" -Die Erklärung über die Religionsfreiheit
Es ist nicht verwunderlich, dass man sich in den Reihen der Konzilsväter zu diesem Thema "Gewehr bei Fuß" gegenüberstand. Bischof Helmut Krätzl schrieb dazu: "Die teils unrühmliche Geschichte der so lange auch von der katholischen Kirche unterdrückten Religionsfreiheit hatte zwei Triebfedern. Die eine war die Angst, die wahre Religion könnte dadurch gefährdet und ihre Anhänger irre geführt werden, die zweite war die Sorge, die katholische Kirche könnte ihre dominierende Stellung in vielen Staaten verlieren." (Im Sprung gehemmt, Seite 104)
Gerade bei dieser Konzilserklärung gilt die Aufforderung des früheren österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky an einen Journalisten: "Lernen Sie Geschichte!" Um die Brisanz dieses Themas zu verstehen, müssen wir bis an den Anfang des Christentums zurückgehen und die Entwicklung von der rechtlosen, ohnmächtigen und verfolgten Kirche über das Staatskirchentum und die kirchliche Dominanz im Alleinbesitz der Wahrheit und deren gewalttätiger Durchsetzung bis zum Konzil verfolgen. Die Grundlage für die Religionsfreiheit sieht das Konzil in der Offenbarung begründet, die jeden Zwang zum Glauben ausschließt (DH Art. 9-14). Sie liegt auch in der Gewissensfreiheit und der Selbstverantwortung jedes Menschen.
Die katholische Kirche besteht - gebunden an die Offenbarung und an Jesus Christus - weiterhin darauf, dass sich in ihr die einzig wahre Religion verwirklicht (vgl. Aussagen in Lumen gentium).
Religionsfreiheit bedeutet daher keine gleiche Gültigkeit der verschieden Religionen, sondern betrifft eine andere Ebene, nämlich das soziale, friedliche und nicht ausgrenzende Miteinander der Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit.
In der Gesellschaft wird oft zu wenig oder gar nicht beachtet, dass Freiheit ohne Bezug zu Wahrheit, Liebe, Gerechtigkeit usw. im Nu in Gleichgültigkeit, Willkür und Ungerechtigkeit mündet.
Das Übergehen oder die Missachtung dieser Einbindung und der zunehmende Indifferentismus und Relativismus führten als Gegenschlag bereits vor dem Konzil und nach ihm noch vermehrt zu rechthaberischen und ausgrenzenden religiösem Fundamentalismus.
Die Erklärung zur Religionsfreiheit hält fest (DH Art. 2): "Dieses Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit muss in der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, dass es zum bürgerlichen Recht wird."
Zum Schluss sagt das Konzil nochmals deutlich (DH Art. 15): "So steht also die Freiheit der Kirche im Einklang mit jener religiösen Freiheit, die für alle Menschen und Gemeinschaften als ein Recht anzuerkennen und in der juristischen Ordnung zu verankern ist." Schön wär 's, kann man da sagen. Wer sich in der Welt umschaut, sieht sofort, dass dies bis heute in vielen Staaten nicht einmal im Ansatz beachtet wird.
Das Konzil gibt offen die eigenen Irrwege der katholischen Kirche im Lauf ihrer Geschichte zu (DH Art 12) und korrigiert bisherige Vorstellungen und Verhaltensweisen.
Die Erklärung zur Religionsfreiheit war wirklich ein beachtenswerter Sprung vorwärts, nachdem Papst Gregor XVI. noch 1832 in seiner Antrittsenzyklika Mirari vos behauptet hatte, die Gewissensfreiheit sei ein Wahnsinn (deliramentum).
Franz Schobesberger