Die Dekrete über Dienst und Leben der Priester und über die Mission
Die Kath. Kirche steckt heute in einem Dilemma: Die Priester spielen die entscheidende Rolle, doch es gibt kaum mehr junge Männer, die Priester werden wollen. Das 2. Vatikanische Konzil kannte diesen dramatischen Einbruch der Priesterzahlen noch nicht, und auch nicht die Mitarbeit der Laien in der heutigen Selbstverständlichkeit und Vielfalt. Seelsorge war vor 50 Jahren noch fast ausschließlich Sache der Priester.
Das Dekret über die Priester ("Presbyterorum Ordinis")
geht in der Beschreibung des Priesteramtes neue Wege. Es verabschiedet sich von der jahrhundertealten Vorstellung von der Kirche als 2-Klassen-Gesellschaft mit den Priestern als den aktiven und entscheidungsfähigen Mitgliedern und mit den Laien als passiven Empfängern.
Die Konzilstheologie blickt zurück auf den Ursprung, das Neue Testament: Christus ist eigentlich der einzige Priester, Mittler des Heils von Gott. Doch durch die "Taufweihe" (PO 12) haben alle Getauften an diesem Priestertum Christi teil ("Gemeinsames Priestertum der Getauften"). Den Unterschied macht das Wort "besonders" aus: Aus den Gläubigen "hat der Herr einige von ihnen zu amtlichen Dienern eingesetzt" (PO 2). Diese sind geweiht, "um in besonderer Teilhabe am Priestertum Christi die heiligen Geheimnisse ... zu feiern" (PO 5)
Die erste Aufgabe des Priesteramtes ist die Verkündigung der Frohen Botschaft, zentral ist jedoch die Feier der Sakramente, und hier noch einmal vor allem die Eucharistie. Hier wird die Lebenshingabe Christi gefeiert, deshalb sollen auch die Priester "das nachahmen, was sie vollziehen" (PO 13). Stark wird ein integrer Lebenswandel der Priester betont. Zum Zölibat merkt das Konzil an, dass er nicht notwendig mit dem Priesteramt verbunden, aber "in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen" ist (PO 16).
Das Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche ("Ad Gentes")
muss gelesen werden auf dem Hintergrund der oft unheilvollen Missionsgeschichte mit Verfolgung und Zwangstaufen in früheren Jahrhunderten. Seine Pointen entfaltet es mehr in grundlegenden Aussagen als in praktischen Anweisungen.
Es betont, dass die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist. (AG 2) Die Kirche kann also gar nicht anders, als den Menschen das Heil Gottes zu verkünden, weil Gott das Heil aller Menschen will. Mission geht die ganze Kirche an und ist Verkündigung des Evangeliums und Einpflanzung der Kirche.
Die Lehre, dass Glaube, Taufe und Zugehörigkeit zur Kirche notwendig seien, das Heil zu erlangen, wird nicht abgelegt. Aber es wird niemand mehr ins Unheil verbannt, der nicht zur Kirche gehört. Es wird Gott überlassen. Ein Blick in andere Konzilsdokumente macht deutlich, dass die Konzilsväter Religionsfreiheit und andere Religionen sehr positiv bewerten. Wichtig ist das strikte Verbot von Zwang oder ungehöriger Beeinflussung oder Verlockung zum Glauben (AG 13). Mission ist kein "Drüberfahren" mehr, sondern Missionare müssen die jeweilige Kultur zu verstehen versuchen, um das christliche Leben besser mit den Gepflogenheiten und der Lebensauffassung der Menschen in Einklang bringen zu können.
Das Konzil markiert in beiden Dokumenten einen Übergang von der geschlossenen katholischen Gesellschaft zur Anerkennung der Moderne mit ihrer großen Vielfalt und neuen Denkwegen. Es hat nichts abgeschlossen, sondern Türen aufgemacht.
Martin Brait