"Gaudium et spes" - unser Auftrag in der Welt von heute
Die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (GS) - "Die Kirche in der Welt von heute" - wurde am 7. 12. 1965 als eines der letzten Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils verabschiedet.
Es geht in GS um eine grundsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Welt, um eine Absage an die herkömmliche Auffassung einer Herrschaft der Kirche über das Zeitliche. Zum ersten Mal in der Kirchengeschichte wird in einem Konzilsdokument von einer Autonomie der weltlichen Wirklichkeit gesprochen (GS 36), die auch die Kirche zu respektieren hat.
GS ist in zwei Teile geteilt. Die Kapitel 11-45 beschäftigen sich mit allgemeinen Fragen über "Die Kirche und die Berufung des Menschen", die Kapitel 46-90 widmen sich wichtigen Einzelfragen.
GS hat wichtige Einsichten vermittelt, die bleibende Gültigkeit haben:
- Der Mensch ist Urheber, Mittelpunkt und Ziel des wirtschaftlichen Lebens und der Kultur, denn die Würde der menschlichen Person gründet in der Gottesebenbildlichkeit.
- Die menschliche Person ist Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen, daraus entwickelt sich der Auftrag im Dienst an anderen, eine humane Gesellschaft zu gestalten.
- Die Kirche hat ihren Ort in dieser konkreten Welt, bei diesen konkreten Menschen - so wie sie sind. Die Kirche darf sich nicht von der Welt und den Menschen abschotten. Sie weiß sich solidarisch mit der ganzen Menschenfamilie.
- Die Kirche in ihrem Wirken ist an "kein politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden" (GS 42). Sie braucht den offenen Dialog mit der Welt, um "die Zeichen der Zeit" zu erkennen und ein Gemeinwohl, im weltweiten Kontext, nach Gottes Ordnung anzustreben.
- Den Christen in der Welt (Laien) wird eine eigene Kompetenz bei ihrem Wirken in der Welt zugesprochen. Ihr Welteinsatz ist echte, von Gott her kommende "Berufung" (GS 43).
Es ist erstaunlich, welcher Wandel der Selbsteinschätzung von Kirche in ihrem Verhältnis zur Welt in diesem Dokument zum Ausdruck kommt. Gaudium et spes ist sicherlich das Konzilsdokument, das am zutreffendsten die Vision von Papst Johannes zum Ausdruck bringt, die Kirche möge zu ihrem Grundauftrag zurückfinden, nicht nur Wahrheiten "an sich" zu verkünden, sondern sie so den Menschen von heute nahe zu bringen, dass sie heilende Wirkung des Evangeliums erkennbar werden kann.
Gregor Dabrowski