Das Dekret über das Laienapostolat
Etwas, das 50 Jahre alt ist, ist heute selbstverständlich oder längst vergessen. Auch viele Aussagen des 2. Vatikanischen Konzils werden kaum mehr als etwas Besonderes wahr genommen. Dennoch ist es gerade in einer Umbruchszeit in der Kirche, wo Altes zusammenbricht und Neues gesucht wird, sehr fruchtbar, sich mit den Texten auseinanderzusetzen. Sie machen deutlich, welche Veränderungen das Konzil gesehen hat und welche Entwicklungen es fördern wollte.
Auch das Laiendekret wirkt nicht sensationell. Der Theologe Edward Schillebeeckx schreibt: "Das "Neue" besteht in erster Linie darin, dass überhaupt ein "Dekret über die Laien" ... vorliegt."
Es ist nur auf dem Hintergrund der Geschichte verstehbar: über viele Jahrhunderte wurde die Kirche nur über die Priester, Bischöfe und Ordensleute definiert, die übrigen Christen, die Laien, waren eher "Christen zweiter Klasse". Es gab in den 60er Jahren noch kaum Laien, die in der Seelsorge mitarbeiteten. Die Rollenverteilung war klar: Der Klerus spricht, die Laien haben zu befolgen. Dieser Vorstellung erteilt das Konzil eine klare Absage.
Im Einleitungskapitel schreibt das Konzil das wachsende Verantwortungsbewusstsein der Laien ausdrücklich dem "unverkennbaren Wirken des Heiligen Geistes" zu. Der etwas sperrige Begriff "Apostolat" meint jede Tätigkeit der Kirche, innerhalb wie außerhalb der Kirche, zur Verwirklichung ihres Zieles, alle Menschen zur Erlösung zu führen. Warum sollen Christen sich engagieren? Weil wir als Getaufte dazu befähigt und von Christus selbst berufen sind.
Das wirklich Neue ist der theologische Grund dafür; er wurde auf der Basis des Neuen Testaments schon ein Jahr zuvor in der Kirchenkonstitution gelegt und wird hier wiederholt: Die Laien haben teil am "priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi", sie "werden zu einer königlichen Priesterschaft und zu einem heiligen Volk geweiht". In einem gewissen Sinn (die Kirche nennt es "Gemeinsames Priestertum") sind also alle Christen Priester!
Priester und Laien sollen fruchtbar zusammenarbeiten; das Konzil sieht dabei "eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung". Die Laien sind ausdrücklich zur Mitarbeit in der Kirche und in der Welt berufen. Gerade aber das Engagement in der Gesellschaft, das Einbringen von christlichen Grundsätzen in Wirtschaft, Politik, Bildung und allen anderen Bereichen des Zusammenlebens, ist die spezifische Aufgabe der Laien. In den verschiedenen Milieus, in denen sie leben, sollen sie authentisch nach dem Evangelium leben und sich auf der Basis der Kath. Soziallehre einbringen.
Auch dieses Dekret ist ein Kind seiner Zeit. Einzelne Punkte wirken veraltet, heute aktuelle Fragen, z.B. die Rolle der Frauen, werden leider kaum angesprochen. Dennoch ist es ein wichtiger Mosaikstein der großen Neuausrichtung der Kirche, die durch das 2. Vatikanische Konzil angestoßen wurde und noch lange nicht abgeschlossen ist.
Martin Brait