Konzerteinführung zum Präsentationskonzert
Moderatorin Martina Noll führte charmant durch die Konzerteinführung im Domcenter Linz vor dem Präsentationskonzert zur Kompositionswerkstatt: Komponieren in HIMMLISCHER HÖHE. Den Reigen ihrer Gesprächspartner eröffneten Johann Hintermaier und Eva Malfent.
Hintermaier: „Es freut mich einfach!“
Johann Hintermaier, Bischofsvikar für Bildung und Kultur, wies in seinen Begrüßungsworten darauf hin, dass es „im und um den Dom immer wieder Kompositionen gegeben hat, die im wahrsten Sinne des Wortes herausragend waren“ – das habe zur Kompositionswerkstatt inspiriert. Auf die Frage, wie es ihm jetzt unmittelbar vor dem Höhepunkt der Kompositionswerkstatt gehe, antwortete er: „Es freut mich einfach. Und heute bin ich schon auch ein Stück aufgeregt. Ich freu mich sehr und bin einfach nur dankbar, dass das zustande gekommen ist. Und aufgeregt brauch ich nicht sein, ich kann ja konsumieren …“
Malfent: „Ein sehr erfreuliches Beispiel!“
Eva Malfent, organisatorische Leitung der Kultur EXPO Anton Bruckner 2024, gleichzeitig auch in Vertretung von Landeskulturdirektorin Margot Nazzal zu Gast, hob in ihren Gedanken die Qualität des Projekts hervor: „Dieses Projekt ist einfach ein sehr erfreuliches Beispiel im Brucknerjahr, das sehr viele Ziele, die wir uns in der Kultur EXPO gesetzt haben, abdeckt, nämlich dass wir Bruckner im Heute verhandeln wollen, dass wir uns zeitgenössisch damit beschäftigen wollen, dass wir dazu junge Menschen aktivieren wollten, sich damit zu beschäftigen und ihre Kunst dazu zu machen.“
Natürlich sprach Martina Noll bei der Konzerteinführung auch mit den Hauptprotagonist:innen des Abend: den sieben Komponierenden aus Österreich und Deutschland, in deren Leben sich alles um die Musik dreht.
Ebmeyer: „Unser Kompositionsunterricht ist wie eine Therapie!“
Auf die Frage, was Komponieren für sie bedeutet, antwortete die 2001 in Hamburg geborene und in Salzburg studierende Emma Ebmeyer: „Komponieren bedeutet für mich, mich ganz tief mit verschiedenen Aspekten meines Lebens auseinandersetzen zu können. Und ganz vorne dran mit mir selbst. Mein Kompositionslehrer sagt manchmal: Unsere Sitzungen sind wie eine Therapie. Und er hat auch irgendwie recht. Und man redet nicht nur über das, was man zu Papier bringt, sondern auch über das, was dahintersteht, was in einem vorging, was einen gerade beschäftigt. Und irgendwie findet man alles immer so ein bisschen in seinen Werken wieder.“
Stevanović: „Das war die beste Therapie meines Lebens!“
Für die in Linz lebende Sara Stevanović (*1998) war die Erfahrung auf 68 Meter Höhe in der Türmerstube etwas ganz Besonders: „Ich glaub, das war tatsächlich die beste und die effektivste Therapie meines Lebens, diese drei Tage oben. Es waren drei Tage voller Herausforderung, Selbstentdeckung für mich. Ich musste auch vielen von meinen Ängsten direkt ins Auge schauen, was auch für mich unerwartet war. Es war aber generell einfach eine superschöne Zeit, auch wenn ich nicht weit von hier wohne, war es für mich, als wäre ich wirklich an einen anderen Ort, in eine andere Zeit teleportiert und einfach was ganz Neues. Ich habe diese Stadt auch aus einer neuen Perspektive gesehen und gehört, man hört auch oben alles ein bisschen anders und das war alles für mich einfach superspannend und eine sehr einzigartige Erfahrung.“
Bäucker: „Meine Komposition ist auch eine Herausforderung!“
Von besonderer Bedeutung ist der soziale Ansatz in ihrer Kunst für die in Berlin studierende Lara Bäucker (*2000) – wie sich das beim Komponieren zeigt, hat sie im Gespräch verraten: „Das ist ein ständiger Prozess, rauszufinden und zu suchen, was können Wege sein, um mit der Musik wirklich einen Impact zu haben, auf das Umfeld, auf die Menschen, die es hören, auf die Welt. Und es ist ein sehr großes Ziel, aber zwei Strategien, die ich jetzt schon vielleicht gefunden habe, sind folgende: Ich versuche manchmal, die Grenze zwischen der Realität, dem normalen Leben, und der Kunst ein bisschen zu verwischen. Und ich thematisiere auch einfach Themen, die mit einem sozialen Problem zu tun haben.“ Ihre Komposition setzt sich daher nun mit dem Thema Begegnung/Nächstenliebe auseinander – inhaltlich und technisch: „Meine Komposition ist auch eine Herausforderung oder eine Spielanweisung eigentlich für das Ensemble, dass sie sich miteinander auseinandersetzen, wenn sie sich begegnen, dass sie miteinander spielen. [...] So ein Spiel, was sie spielen müssen, das viel mit Vertrauen zu tun hat und darauf, sich auf den anderen einzulassen und auch, dass das Ensemble als Gruppe sozusagen diese Art von Zusammengehörigkeit und Nächstenliebe erfährt und erlebt während des Stückes, das war für diese Arbeit mein Ansatz.”
In der nächsten Gesprächsrunde wandte sich Martina Noll Cordula Bürgi, der künstlerischen Leitung von Cantando Admont, sowie zwei der drei Hauptinitiatoren – Klangkünstler Sam Auinger und Domkapellmeister Andreas Peterl – zu. Leider erkrankt war Domorganist Wolfgang Kreuzhuber.
Auinger: „100.000 Kubikmeter bewegte Luft!“
Sam Auinger als einer der Masterminds hinter der Kompositionswerkstatt bedankte sich zunächst bei den 14 Bewerber:innen aus Europa: „Das hat uns sehr erstaunt, weil wir die Vorgabe gemacht haben, dass die Komponist:innen zum Zeitpunkt der Ausschreibung unter 25 Jahren sind, weil wir wirklich versuchen wollten, dahinter zu kommen, wie gelingt es uns mit jüngeren Komponist:innen diesen Dom zu erforschen.” Hauptkriterium war dabei das Motivationsschreiben und die Idee, nach verschiedenen Persönlichkeiten Ausschau zu halten. Den Klangraum Mariendom schätzt der Klangkünstler sehr: „Wir haben es in diesem Raum mit 100.000 Kubikmetern bewegter Luft zu tun, wenn ein Schallereignis stattfindet und was wirklich aus meiner Sicht [...] ganz besonders am Mariendom ist, dass er einen extrem ausgewogenen Hall hat. Normalerweise ist es so, dass ein Raum bestimmte Frequenzen hat, die er sehr stark bevorzugt, was der Mariendom nicht hat. Der Mariendom ist von seiner Architektur und Klangfähigkeit her eher wie Register auf der Orgel.“
Bürgi: „Ich als Dirigentin mach diesen Klang!“
In und mit diesem Klangraum arbeitet Dirigentin Cordula Bürgi beim Präsentationskonzert – der Mariendom ist für sie dabei faszinierend: „Sehr, sehr, sehr selten kommt es vor, dass wir in einen Raum kommen, uns aufstellen, anfangen und gleich ist da einfach ein Klang, wo man denkt: Das kann ja nicht sein. So derart schön.“ Voll Begeisterung erklärte Bürgi: „Also das muss einfach ein unglaublicher Architekt gewesen sein, also der ganze Dom, der ist wirklich auf das konzipiert. Und ich muss sagen: Ich bin fast ein bisschen eifersüchtig. Dass Linz sowas hat, das wusste ich gar nicht … ist auch ein bisschen peinlich … aber jetzt weiß ich es, wissen wir’s und wir freuen uns riesig auf dieses Konzert, weil es ist auch für uns ein ganz großes Erlebnis, auch für mich als Dirigentin. Vielleicht darf ich das verraten – die größte Distanz von zwei Sängern sind 70 Meter. […] Der ganze Dom klingt einfach und ich habe das Gefühl, ich als Dirigentin mach diesen Klang. Und das ist einfach fantastisch.“
Peterl: „Wir wollen Mäzenatentum neu definieren!“
Domkapellmeister Andreas Peterl zeigte sich glücklich, mit Anton Bruckner „so ein berühmtes Teammitglied in unserer Ahnengalerie der Dommusik“ zu haben. Bischof Rudigier trat dabei als Förderer von Bruckner in Erscheinung, auch heute soll Kirche durch Projekte wie diese als Ermöglicherin von Kunst auftreten: „Das ist uns ein ganz großes Anliegen bei dem Projekt, dass wir Mäzenatentum, was die Kirche die Jahrhunderte lang schon macht, neu definieren oder dem Ganzen einen neuen Blickwinkel geben, indem wir Kunst ermöglichen und das wollten wir in diesem Zusammenhang ganz besonders mit jungen Künstlerinnen und Künstlern machen, in diesem Projekt einfach den Raum schaffen, sowohl auch was das Infrastrukturelle-Ökonomische betrifft, dank auch der Unterstützung durch das Land Oberösterreich, und dann natürlich mit unserem wunderbaren spirituellen Klangraum Mariendom und somit haben wir auch eine Parallele zu Rudigier, weil er hat Bruckner gefördert und wir versuchen das auf neue Art 2024 auch.“
In der letzten Gesprächsrunde mit den Komponierenden erfuhren die rund 50 Gäste im Domcenter manche Hintergründe zu den Werken.
Geroldinger: „Ich habe mir viele Fragen gestellt!“
Die aus Kirchberg-Thening stammende Tina Geroldinger (*2000) verriet zu ihrer Erfahrung in der Türmerstube: „Ich habe mir während meines Aufenthalts in der Türmerstube ganz viele Fragen gestellt, ganz bewusst auf viele kleine Details geachtet: Wie ein Bild am Abend, wenn man mit der Taschenlampe alleine im Dom die Stiegen wieder zur Türmerstube raufgeht und man beleuchtet die Wand, dann findet man an der Wand von diesem Lichtkegel eigentlich viele kleinen Planeten. Auf solche Kleinigkeiten habe ich geachtet. Oder die Texte: Welche Texte lassen sich im Dom noch finden außer der Bibel? In der Türmerstube gibt es zum Beispiel ganz viele Tagebücher der Eremiten, die haben mich sehr inspiriert […]. Und dann natürlich ganz viel klangliche Sachen, also: Welche Klänge möchte ich im Dom hören? Wo sehe ich selber meinen Platz im Dom? Wie kann ich in diesem Raum selber einen Raum schaffen? Wie kann ich den Raum bespielen? Also ganz viele Fragen, und auf die versuch ich dann eben in meinen Stücken so kleine Einblicke zu geben.“
Wielend: „Gestern ist mir der Begriff Luxusprojekt eingefallen!“
Anna Wielend (*1999), die derzeit Komposition an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz studiert, nimmt viele Erfahrungen aus dieser Zeit mit: „Ich glaube, das wird die nächsten Tage noch klarer werden, was es genau ist. Seit gestern ist mir der Begriff Luxusprojekt eingefallen und es war auf so viele Ebenen ein Luxus: In der Türmerstube zu sein. Dieses tolle Ensemble, das diese Stücke singt. Während dem Komponieren hab ich mir gedacht: Ist das zu schwer? Und es scheint so leicht zu sein für das Ensemble. Die Cordula, ihre Art und Begeisterung, unseren Wünschen und Vorstellungen nachzukommen, das ist sehr bestärkend und auch dieses Vertrauen, ein Stück schreiben zu können und zu dürfen, das ist im Prozess manchmal nicht so einfach. Und auch die Gruppe, dieses Gemeinsam-Klänge-Erforschen beim Workshop war sehr besonders.“ Auch die Arbeit in 68 Meter Höhe war spannend für Wielend: „Ich hab ein bisschen skizziert, wenn ich Bewegung brauchte, bin ich Runden gelaufen oben. Und der Sonnenuntergang war immer sehr schön und auch die Stadt von oben zu betrachten [...] und ich glaub, ein sehr spannender Moment war auch, wie der Helikopter vorbeiflog auf Augenhöhe.“
Böttcher: „Dann hat es gefunkt zwischen uns!“
Jakob Böttcher, 1999 in Hamburg geboren, in Berlin lebend, arbeitend und studierend, musste erst eine Beziehung zu Anton Bruckner aufbauen … und da hatte die Kompositionswerkstatt wesentlichen Anteil daran: „Das darf ich ja hier eigentlich gar nicht sagen. Auch in Berlin kommt man an Bruckner natürlich überhaupt nicht vorbei und in meiner Tätigkeit als Tonmeister lag immer wieder Bruckner vor mir und immer dachte ich so: Hm ... okay. Aber es ist irgendwie auch alles so ein bisschen blockhaft. Und dann wurde ich schon hellhörig, weil ich dachte: Moment, meine Stücke sind auch irgendwie so ein bisschen blockhaft, so in einzelnen Ideen. Und da kam schon die erste Connection. Und dann kam ich nach Linz und mir wurde hier Bruckners Geburtsort gezeigt und diese Kirche – und dann wurde Bruckner plötzlich ein Mensch, und dann hat es irgendwie gefunkt zwischen uns. Weil eben Bruckner ja auch für diesen Raum so viel geschrieben hat und ich dann in seinen Partituren viel mehr entdeckt habe. Und dann habe ich – ich nenne das immer Strangeness, also das Verrückte, das Absurde, wonach ich in meinen Kompositionen suche – dies auch bei Bruckner entdeckt, auf seine Weise halt, ich mach das vielleicht mit Geräuschen und Alltagsklängen, Bruckner macht das vielleicht mit komischen Akkorden […]. Und das habe ich dann herausgenommen aus seiner Partitur, quasi ausgeschnitten. […] In meinem Stück heute Abend wird man dann – das werden Sie niemals erkennen – einzelne Akkorde, die ich bei Bruckner ausgeschnitten habe, hören. Und so bin ich jetzt mit Bruckner verbunden.“
Proske: „Der Mariendom ist auch eine Heimat geworden!“
Was der Mariendom für die gebürtig aus Thüringen stammende Sarah Proske (*1999) bedeutet, hat sie im Gespräch mit Martina Noll verraten: „Den Mariendom in Linz habe ich das erste Mal ungefähr vor zweieinhalb Jahren betreten, da war ich hier schon einmal in Linz und hab mir die Kirche aber nur angeschaut. Das heißt, ich habe sie eigentlich rein visuell wahrgenommen, und da beeindruckt natürlich erstmal, wenn man von hinten unter der Orgel in den Dom hineinkommt, die Länge von dem Gebäude und irgendwie auch diese Dunkelheit und total fasziniert haben mich auch die Kirchenfenster [...]. Das war eigentlich meine erste Begegnung mit dem Dom und dann hatten wir im Rahmen der Kompositionswerkstatt die Möglichkeit, hier im Dom mit der Stimme zu experimentieren und ihn auch klanglich zu erforschen. […] Für mich war das auch ganz schön, da noch mal eine andere Perspektive auf den Raum zu bekommen, vor allem, wie viele verschiedene Orte es gibt, von denen aus man musizieren kann. Und es ist immer oder von vielen Orten, ist das, was ankommt beim Publikum eigentlich sehr klar, also man versteht es, man denkt halt fast, die Sänger sind mikrofoniert, das ist aber nicht der Fall, also der Raum transportiert einfach sehr gut den Klang.“ Und darüber hinaus ist der Mariendom für sie nun auch eine Heimat geworden: „Auf der anderen Seite ist der Mariendom irgendwie auch ein Stück weit dann wie ein Zuhause geworden über die Zeit, auch eben durch den Aufenthalt in der Türmerstube. Man kommt irgendwie hierher zurück und man kennt alles schon. Und während ich in der Türmerstube war, war ich allerdings nicht die ganze Zeit da oben, es war sehr warm, ich bin immer mal rausgegangen, ich bin runter an den Fluss gegangen, bin mal spazieren gewesen im Park und da blühten sehr viele verschiedene, sehr schöne Blumen an dem Fluss und das hat mich dann auch für meine Komposition inspiriert.“