Soziale Gerechtigkeit in der Arbeitsgesellschaft
Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist gekennzeichnet durch die Verfestigung der Massenarbeitslosigkeit. Politiker versprechen zwar immer wieder, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Mit marktradikalen und wirtschaftliberalen Argumenten wird erklärt, es sei ein individuelles Problem das durch Pädagogik oder durch Qualifizierung zu lösen sei oder es sei ein Problem der starren Arbeitsmärkte, das durch Flexibilisierung lösbar wäre. Acht Phänomene, beschreiben die Krise der Arbeitsgesellschaft:
Grenzen des Wachstums
Das bisherige Wirtschaftswachstum ging brutal mit der Umwelt um. Alternativen, wie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, konnten sich nicht durchsetzen. Die Erkenntnis, dass wirtschaften nicht auf Kosten der Umwelt und der kommenden Generationen gehen darf, ist ein Wendepunkt für die weltwirtschaftliche Entwicklung.
Widersinniger Konsum
Unsere Konsumgesellschaft weckt Bedürfnisse, die gar nicht da sind oder sie weckt schädliche Bedürfnisse, z. B. ungesunde Ernährung oder sinnlose Mobilität. Einerseits ist nötig, dass in authentischen Preisen alle Kosten wie z. B. Umwelt- oder Gesundheitsbelastungen eingerechnet werden. Andererseits müssen wirkliche Wettbewerbsverhältnisse geschaffen werden, damit die Preise sich den Kosten annähern. Derzeit gibt es zu viele Anbietermonopole die andere Interessen verfolgen, als den Bedarf der Verbraucher zu befriedigen.
Rasante Produktivitätsentwicklung
Die technische Entwicklung führt zur rasanten Produktivitätsentwicklung vor allem in der Industrie und im Dienstleistungsbereich und in der Folge zu technikbedingter Arbeitslosigkeit. Bei personen-nahen Diensten, wie z. B. im Gesundheitsbereich ist ein vergleichbarer Produktivitätsfortschritt nicht möglich. Wie aber wird der Produktivitätsgewinn verteilt? In den letzten Jahren gelingt es den Kapitaleignern, diejenigen, die den Produktivitätsfortschritt geschaffen haben - die abhängig Beschäftigten - mit Lohnsteigerungen abzufinden, die weit unter der Höhe der Produktivitäts- plus Zielinflationsrate der EZB liegen. Gerecht wäre es, den Produktivitätsfortschritt so zu verteilen, dass er nicht nur bei den Kapitaleignern sondern auch bei den Beschäftigten zu mehr Einkommen führt; oder als Alternative zur Arbeitszeitverkürzung.
Niedriglohnkonkurrenz im Schatten der Globalisierung
Die Niedriglohnkonkurrenz wird in der politischen Diskussion überbewertet, 73% des österreichischen Exportes gehen in westeuropäische Länder, nur 3% der Importe stammen aus China. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes drückt sich in den Lohnstückkosten aus (die Produktivität eingerechnet), die sich in Österreich und Deutschland günstig entwickelt haben. Unternehmen gewichten bei ihren Standortüberlegungen Marktbedingungen und Rechtssicherheit stärker als Sozialkosten oder Lohnnebenkosten.
Pathologische Arbeitsverhältnisse
Die Arbeit ist in den letzten Jahren intensiviert worden, der Arbeitsdruck wurde erhöht. Besonders bei sog. neuen Selbstständigen ist Arbeit nicht mehr das halbe Leben, Arbeit tritt an die Stelle des Lebens. Die Politiker wollen die Bevölkerung fit machen für den vermeintlichen internationalen Wettbewerb. Arbeitslose werden diszipliniert und in eine pathologische Arbeitswelt hinein getrieben. Lohnsenkungen im unteren Bereich werden erzwungen und ? um den Lohnabstand zu wahren ? Sozialleistungen gekürzt.
Überbewertung der Erwerbsarbeit
Die theologische Deutung der Arbeit kann nicht einfach auf die abhängige Erwerbsarbeit in einer kapitalistischen Marktwirtschaft übertragen werden. Statt Verteilungsgerechtigkeit wird nun die "Chancengleichheit" betont, d. h. gleiche Startbedingungen für alle. Die fit sind, kommen schneller ans Ziel, die schwerfällig sind, später. Leistungsgerechtigkeit wird hervorgehoben, weil die Menschen unterschiedlich talentiert sind und sich unterschiedlich anstrengen. Das honoriert die Gesellschaft durch zunehmende Spreizung von Einkommen und Vermögen.
Schieflage gesellschaftlicher Macht
Der Kapitalismus ist ein gesellschaftliches Machtverhältnis. Eine kleine Gruppe hat die Produktionsmittel und lässt andere an diesen rentabel arbeiten. Auf der anderen Seite die große Gruppe derer, die nur ihre Arbeitskraft besitzen, um damit ihren Unterhalt zu verdienen. Diese Schieflage verkörpert sich im Unternehmen, wo die Eigentümer der Produktionsmittel das Sagen haben, sie überträgt sich auf den Gütermarkt, wo die Anbieter sich besser organisieren (Konzentration, Kartelle) als die Verbraucher, sie überträgt sich auf den Arbeitsmarkt, wo zwischen Arbeitgebern und -nehmern nicht auf gleicher Augenhöhe verhandelt wird und sie überträgt sich auf das Geld- und Kreditschöpfungssystem der Banken, die die Investitionsentscheidungen vorweg mitbestimmen.
Monetäre Revolution
Mitte der 1970er Jahre sind die Finanzmärkte explodiert, seither beherrschen sie die Weltwirtschaft, mit dem Ergebnis, dass nur 2% der Finanztransaktionen für den Warenhandel nötig sind. Die Kontrolle der Finanzmärkte ist der Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung. Die Geldfunktion hat sich stark verändert. In reichen Volkswirtschaften ist das Geld nicht mehr nur Tauschmittel sondern auch Vermögensgegenstand. Die Politik zielt vorrangig durch Inflationsbekämpfung auf die Werterhaltung der Geldvermögen ab. Die Bewertung von Unternehmen richtet sich zunehmend nach zukünftigen Zahlungsströmen, die auf einen Gegenwartswert bezogen sind (Shareholder-Value). Weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch die Befriedigung von Konsumbedürfnissen, also die reale Wirtschaft, ist für börsennotierte Unternehmen wichtig, sondern positive Erwartungen zu wecken, damit die Kapitaleigner in Stimmung geraten und ihnen das Kapital zur Verfügung stellen. So ist es möglich, dass der Börsenkurs steigt und der Arbeitswert fällt, indem Mitarbeiter massenhaft entlassen werden.
Gerechtigkeit als Weg aus der Krise
Nach der Kampagne: "Gute Arbeit" ist nun die Initiative: "Gerechte Arbeit" fällig: Die Stärkung der - solidarischen - Verhandlungsposition der ArbeitnehmerInnen um mit den Arbeitgebern auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Die garantiert gerechte Arbeitsverhältnisse, gerechte Löhne und eine ausgewogene Einkommensverteilung.
Audio-CD mit dem Vortrag gegen eine Spende erhältlich bei:
arbeitslosenstiftung@dioezese-linz.at
Zusammenfassung eines Vortrages am 22. Mai 2007 in Linz
Ausführlicher Text zum Download:
Weitere Texte von Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ: