„Man muss dranbleiben, nicht lockerlassen ...“
Als Mensch, der seit über 25 Jahren in der römisch-katholischen Kirche arbeitet, bekommt man im Lauf der Jahre ein gutes Gespür dafür, wo und wie Gerechtigkeit, Fairness und Gleichbehandlung gelebt wird und mit welcher Ernsthaftigkeit, Projekte dazu vorangetrieben werden. Sind die Chancen für Frauen und Männer gleich gut verteilt? Gibt es Schieflagen? Wo liegen dafür die Ursachen? Welchen Handlungsspielraum habe ich? – Es war und ist zum Beispiel spannend zu sehen, wenn geweihte und nichtgeweihte Studienkolleg:innen neue Ämter bekleiden oder neue Aufgaben übertragen bekommen. Das Geschlecht spielt dabei in der katholischen Großwetterlage noch immer eine wichtige Rolle. – So ehrlich möchte ich sein.
Das Bemühen und der Wille, dass in der Diözese Linz arbeitende Frauen gesehen, geschätzt und gefördert werden und auch in Leitungsfunktionen kommen, war für mich immer wieder spürbar. Neue Handlungs- und Arbeitsfelder in der Seelsorge und in der Verwaltung zu ermöglichen, war und ist den leitenden Gremien in der Diözese wichtig. Die Kirche – und auch sonst kein Arbeitgeber – kann es sich nicht leisten, auf das Engagement von Frauen zu verzichten. Frauen sind nicht besser. Sie sind einfach da und wollen – gemeinsam mit den Männern – sich einbringen, sichtbar sein, geschätzt werden, sich entfalten können. Egal, wo.
Die Sensibilität für Frauen- und Geschlechterthemen ist in kirchlichen Kreisen hoch. Ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn ich im gesellschaftlich-weltlichen Umfeld mit feministischen Positionen überraschen kann. Oder wie es die ehemalige kfb oö-Vorsitzende Erika Kirchweger einmal formuliert hat: „Die Kirche hat mich zur Feministin gemacht!“ Das wird oft nicht von einer Frau in der Kirche erwartet, dabei ist gerade hier das Gespür für und das Wissen um Geschlechtergerechtigkeit hoch. Ein Beispiel dafür: dass nicht immer alle mitgemeint sind, wenn in Texten die männliche Form verwendet wird, weiß jeder und jede in der Kirche Arbeitende. Es heißt eben Priester – und nicht Priesterinnen. – So ehrlich muss ich sein.
Mit der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen und kirchlichen Leben ist es wie mit allen Dingen auf dieser Welt: man muss dranbleiben, nicht lockerlassen, sich auf Erreichtem nicht ausrasten. Es geht schneller rückwärts als vorwärts.
Wie jede Frau ihr Leben konkret gestalten möchte, soll ihr überlassen sein. Klar ist aber, dass es in einer offenen Gesellschaft nur im Miteinander geht. Geschlechtstypische Feindbilder helfen uns nicht weiter. Die Welt kann nur besser werden, wenn wir gemeinsam handeln. Dazu braucht es Solidarität, Zusammenhalt, Respekt und eine faire Arbeitsverteilung in der Arbeitswelt und ganz konkret in den eigenen vier Wänden: Wer bleibt bei den Kindern zuhause? Wer macht den Haushalt? Wer steckt im Beruf zurück? – Das ist nicht immer einfach. So ehrlich muss ich sein.
„Wenn ich auf unsere Zeit blicke, finde ich es überhaupt nicht gerecht, dass tugendhafte, starke Menschen missachtet werden, nur weil sie Frauen sind.“ – Dieses Zitat stammt von Teresa von Ávila, die 1515 geboren wurde. Ist das nicht überraschend? Ich war sehr beeindruckt, als ich mich im Rahmen einer Kirchenzeitungsreise mit dem Leben dieser Heiligen beschäftigte. – Das Christentum hat einen großen Schatz an Texten anzubieten, die Orientierung bieten, spirituelle Wege eröffnen und zu gesellschaftlichem Handeln herausfordern. Das Leben und die Botschaft Jesu hat nach wie vor Sprengkraft. Dass aus diesen Quellen unseres Glaubens auch im 21. Jahrhundert noch getrunken wird, ist mir ein großes Anliegen, … so ehrlich will ich sein.
Zur Person:
Mag.a Elisabeth Leitner ist Redakteurin bei der KIRCHENZEITUNG Diözese Linz.