Donnerstag 16. Mai 2024

Predigt von Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz bei der Chrisammesse 2010

In seiner Predigt während der traditionellen Chrisammesse am MIttwoch, 31. März 2010 im Linzer Mariendom ging Bischof Schwarz auf aktuelle Ereignisse im Leben der Kirche ein um bat um Entschuldigung für das Versagen der Kirche. In der Folge die Predigt von Bischof Schwarz im Wortlaut.

Liebe Brüder im priesterlichen und diakonalen Amt, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

wir sind versammelt, weil wir in diesem Gottesdienst die heiligen Öle weihen und jene Gemeinschaft pflegen, die uns in der gemeinsamen Hirtensorge für die Menschen verbindet. Der Chrisam, das Katechumenenöl und das Krankenöl sind sprechende Zeichen dieser Verbundenheit.

Das Öl wird in der Heiligen Schrift wiederholt mit seiner besonderen Kraft zur Heilung und Stärkung beschrieben. Schon der Olivenbaum verweist auf den Schöpfer, der uns die Gaben seiner Schöpfung für einen sorgsamen Umgang miteinander anvertraut. Das Öl ist dabei ein Sinnbild für Gesundheit und Freude, für die Kraft des Geistes und der heilenden Wirkung, schließlich auch für das Glück des Friedens und des Wohlwollens. Als sakramentales Zeichen unserer Liturgie verweist das Öl in besonderer Weise auf Christus selbst, weil im Salben mit dem Öl die Sorge Gottes durch Jesus Christus für uns Menschen deutlich wird. Christus, also „der von Gott Gesalbte“, hat uns in der Taufe und in der Weihe mit der Kraft seines Geistes gesalbt, so dass wir uns zu Recht „Christen“ nennen dürfen, wie es seit apostolischer Zeit üblich ist.

Kirche hat Auftrag zur klaren Orientierung an Jesus

Darin zeigen sich auch die besondere Berufung der Kirche und ihr Grundauftrag. Sie hat den Auftrag, radikal und mit all ihren Kräften das zu tun, was Jesus, der Gesalbte, tat. Die Kirche orientiert sich an der Verkündigung Jesu und feiert die Sakramente, um die rettende und verwandelnde Zuwendung Gottes leibhaftig spürbar werden zu lassen. Sie bekennt damit die Würde eines jeden Menschen und muss sie nach Kräften fördern.
Die Lesungen dieses Gottesdienstes weisen uns darauf in besonderer Weise hin. Der Bote Gottes – so heißt es – ist mit dem Geist gesalbt, um den Armen Gutes zu berichten und die Menschen mit zerbrochenem Herzen aufzurichten, Gefangenen Hoffnung zu geben, die Trauernden zu trösten und zu begleiten, damit dem Leben wieder Freude und Zuversicht geschenkt sei. Die Blinden und Orientierungslosen mögen neue Wege finden und so erfahren, wie Gott selbst je neue Wege eröffnet.

Grundvertrauen der Menschen in Kirche ist ins Wanken geraten

Gerade in diesen Wochen aber müssen wir erfahren, dass dieser Auftrag der Kirche angezweifelt und ihre moralische Autorität zutiefst erschüttert ist. Während sich die allermeisten Priester, Diakone, kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Jahre hinweg redlich und mit viel Einsatz, in lobenswerter Anerkennung ihrer Arbeit im Sinne Jesu bemüht haben und dies in Treue auch weiterhin tun, haben einige Priester und Ordensleute das dadurch aufgebaute Grundvertrauen der Menschen in die Kirche ins Wanken gebracht.

Versagen wider die Menschlichkeit und die Botschaft des Evangeliums

Man muss das Verbrechen deutlich beim Namen nennen. Sie haben sich vergangen an hilflosen Kindern, die ihrer Obhut anvertraut waren und die sich in ihrer Verletztheit zudem kein Gehör verschaffen konnten. Es ist ein Versagen wider die Menschlichkeit, das ohne Einschränkung zu verurteilen ist. Im Hinblick auf die Opfer muss dies so deutlich gesagt werden, damit sie ermutigt sind, ihre Verwundungen wenigstens heute auszusprechen und kundzutun. Ihnen gilt es, Hilfestellung zu geben und Genugtuung entgegenzubringen. Sie sind auch in erster Linie zu nennen, wenn die Heilige Schrift zum Heilen und Aufrichten aufruft. Aber die Täter haben auch diejenigen in der Kirche verletzt, die korrekt und redlich die pastorale Arbeit in so vielen unterschiedlichen Bereichen gestalten, denn auch das Vertrauen in diese zahllosen Unbescholtenen ist empfindlich gestört.

In der Präfation der Chrisammesse heißt es, dass Priester berufen sind, dem Volk Gottes in Liebe zu dienen und den Menschen die Liebe und Treue zu Gott beispielhaft zu bezeugen. In ihrem Verhalten haben einige unserer Mitbrüder genau das Gegenteil getan. Daher sind nicht nur die unmittelbar Betroffenen enttäuscht und empört. Viele Menschen zweifeln am Sinn der Kirche, weil diese Vorfälle so absolut gegen die Menschlichkeit und die Botschaft des Evangeliums sprechen. Weil die Kirche ein Instrument der Liebe Gottes ist, wirken sich diese Verfehlungen noch deutlicher und schmerzlicher aus. Es gilt dabei aber auch einzugestehen, dass es in der Kirche selbst im Umgang mit Opfern und Tätern Fehler gegeben hat.

Entschuldigungsbitte und Rechenschaftsleistung als Chance einer Versöhnung

Daher ist das Wort der Bitte um Entschuldigung auch an dieser Stelle angebracht und ich will es deshalb heute nochmals sagen. Es tut uns von Herzen leid und es schmerzt unsäglich, dass jungen Menschen solches Leid angetan wurde. Wir brauchen hier gewiss noch einiges an Ursachenforschung, damit wir besser verstehen können, warum Menschen, wo auch immer, zu derartigem Verhalten fähig sind und welche Umstände ihre Taten viel zu lange unentdeckt ließen. Es braucht vor allem in der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft effektive Präventivmaßnahmen, damit mögliche Opfer geschützt werden. Zugleich ist aber wahrzunehmen und im Blick zu behalten, dass Täter nicht nur für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen sind, sondern sehr oft als kranke Menschen selbst den Arzt brauchen.

Die Kirchenväter sagen seit alters her, dass die Sünde eine Macht ist, wodurch die Strahlkraft Christi und die Strahlkraft seines Leibes, der Kirche, gestört und gemindert wird. Nun ist es unsere gemeinsame Aufgabe, in der Kirche schwerste Sünde und großes Unrecht wieder gut zu machen, zumindest soweit es möglich ist. Das bedeutet zugleich, in aufrichtiger Weise Buße zu tun. Dies hat zum einen zu geschehen durch die vom öffentlichen Recht vorgesehenen Strafen für Täter, deren Schuld erwiesen ist, und darüber hinaus zum anderen durch jene Buße, die ihnen von der Kirche aufgetragen wird, damit ein Weg zur Versöhnung überhaupt eine Chance hat.

Keine Lippenbekenntnisse, sondern notwendige Konsequenzen

Der Papst hat in sehr klaren Worten auch unsere Situation benannt und den Auftrag der Kirche in Blick genommen. Indem er sich direkt und einzeln an Täter, Kirchenverantwortliche und Christen wandte, hat er ins Gewissen aller gesprochen und dazu aufgerufen, konsequente Schritte vor Ort zu setzen. Die österreichischen Bischöfe haben sehr deutlich reagiert, schließlich hat auch Kardinal Christoph Schönborn der österreichischen Öffentlichkeit versichert, ernsthaft und mit aller Konsequenz für eine offene, vorbehaltlose und konsequente Aufklärung zu sorgen. Er hat dafür die entsprechenden Einrichtungen und Maßnahmen vorgestellt.

Für unsere Diözese möchte ich unterstreichen, was bereits von verschiedenen Stellen den Kirchenmitgliedern sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche öffentlich als zentrales Anliegen gesagt wurde: Es muss unser gemeinsames Bemühen in der gegenwärtigen Situation sein, das Vertrauen der Menschen in das vielfältige positive Wirken der Kirche wieder zu gewinnen. Auch wenn die meisten gemeldeten Vorkommnisse schon Jahrzehnte zurückliegen und die Zeiten sich verändert haben, so muss die Kirche doch ernsthaft beweisen, wie sehr ihr an den Menschen gelegen ist, wie sehr sie sich gerade um die Schwachen und Notleidenden, die Armen und Bedrückten kümmert. Den stummen Schrei zu hören und gegen himmelschreiendes Unrecht aufzutreten darf kein Lippenbekenntnis sein. Es muss eine vollständige Aufklärung erfolgen in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen und Gerichten, gefordert ist eine gemeinsame Wahrheitsfindung und konsequentes Handeln ohne Vertuschung oder falsche Rücksicht. Die jetzt erarbeiteten österreichweiten Richtlinien für den Umgang mit Beschuldigten und überführten Tätern sollen jedenfalls so rasch wie möglich zur Geltung kommen.

Bitte um differenzierten Blick: Bemühungen sehen

Ich bitte daher aber auch alle Gläubigen und Menschen guten Willens in unserer Diözese, unsere Bemühungen zu sehen und der Kirche aufgrund dieser schwerwiegenden Verfehlungen Einzelner nicht einfach enttäuscht den Rücken zu kehren. Ich rufe demgegenüber vielmehr dazu auf, sich mit uns um einen differenzierten Blick zu bemühen. So wie sich die Zeiten ändern, ändern sich auch die Sensibilisierung und die Einstellung gegenüber Vorgängen und Verhaltensweisen. Aus den Fehlern der Vergangenheit gilt es zu lernen, so wie es auch die Gesellschaft tut, gerade im Bereich der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Heute verpflichtet uns das gemeinsame Bemühen, Kindern den allergrößten Schutz zukommen zu lassen – innerhalb und außerhalb der Kirche, im familiären und institutionellen Bereich. Es ist unser aller Auftrag, hier aufmerksam zu sein und entsprechende Hilfestellungen zu geben.

Wir sehen in diesen Wochen, wie Sünde sich rächt und wirkt; daher gilt es Gegenteiliges tun.
 

Der Weg in der Karwoche zur Tauferneuerung in der Osternacht

Wenn wir den Blick in diesen Tagen auf Ostern hinlenken und uns dem Weg zuwenden, den wir in den kommenden heiligen drei Tagen gehen, dann möchte ich noch einige Impulse mitgeben. Am Gründonnerstag gedenken wir der Einsetzung der Eucharistie. Die Fußwaschung ist dabei das Zeichen, mit dem Jesus zeigen will, wie sehr die Kirche berufen ist, einander zu dienen und füreinander da zu sein. Dieses Beispiel gilt es heuer noch wichtiger als sonst zu nehmen. Gemeinsam wollen wir uns dabei verpflichten, dem Liebesgebot Jesu treu zu sein und das Gute in uns und den Menschen zu fördern.

In den Ölbergandachten und im Bedenken des letzten Leidensweges Jesu wollen wir die von den Untaten betroffenen Menschen besonders im Blick haben und für sie beten, damit ihr erwachsener Kreuzweg Hilfe und Leichterung finde. Aber es gilt auch die Täter dem Herrn anzuvertrauen. Allen Gläubigen möchte ich ans Herz legen, die Ungerechtigkeiten und Verwundungen in Blick zu nehmen, die wir Menschen uns antun, damit im versöhnenden Gespräch neuer Mut und neues Miteinander wachsen können.

Am Karfreitag möge eine Fürbitte für die verletzten Opfer und für die Heilung der verwundeten Glaubwürdigkeit der Kirche gesprochen werden. Möge der Herr in seiner Liebe, die vom Kreuz ausgeht, allen entgegenkommen.
Schließlich schlage ich vor, die Tauferneuerung in der Osternacht besonders wichtig zu nehmen. Als getaufte Christinnen und Christen bekennen wir aufs Neue, dass wir dem Bösen absagen. Wie aktuell hört sich dies an in diesen Tagen! Wer sich auf die Gemeinschaft mit Christus einlässt, hat eine Kraft im Herzen, dem Bösen widerstehen zu wollen und zu können. Gerade weil es uns oft ein Rätsel bleibt, warum wir dennoch Böses tun und Gutes unterlassen, empfangen wir als Festigung unserer Taufberufung das Osterlicht, um damit alle Seiten unseres Herzens auszuleuchten und erfassen zu lassen. Möge es uns motivieren, mit einem in Liebe erneuerten Herzen für die Welt und für die Kirche Christi zu leben und zu wirken. So lädt uns Christus an seinen Tisch, um uns zu stärken, aufzurichten, bei ihm Ruhe zu suchen und den Weg weitergehen zu können. Ich wünsche mir sehr, dass es gelingt, aus dem Grab der Sünde und der Verwundung heraufzusteigen, aus den Enttäuschungen und der Abwendung aufzustehen hin zu einem neuen Leben. Dieses möge getragen sein von der Kraft, die der Auferstandene verleiht, und sich sehen lassen können in seinem Licht.

Wenn unser Herz im Verweilen beim Herrn brennt und uns die Augen wieder neu aufgehen für seine Botschaft und sein Vorbild im Dienen, dann werden auch die Menschen wieder neue Hoffnung und neues Vertrauen schöpfen und die Glaubwürdigkeit der Kirche wird wieder Fuß fassen – um Gottes und der Menschen willen. In diesem Sinne und in dieser Hoffnung wünsche ich Ihnen allen gesegnete Kar- und Ostertage. Amen.

Offizielle Bilder zum Download Bischof Schwarz
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