Im Fahrtwind der Menschlichkeit
Was braucht es nicht alles, um ein Segelschiff flottzumachen! Allein lässt sich da wenig ausrichten. Viele Hände sind nötig, um Seile zu spannen und Segel aufzuziehen. Einer muss sich bereit erklären, das Steuerrad zu übernehmen. Solidarität ist wie ein Segelschiff, dessen Fahrtwind die eigene Menschlichkeit belebt. Immer wieder finden sich Menschen in Oberösterreich, die für andere Segel setzen. Der 24. Solidaritätspreis zeichnete 2017 wieder zehn von ihnen aus, als Beispiele für viele andere.
Die in Linz lebende Ärztin Maria Baumgartner betreut Obdachlose und psychisch kranke Straftäter und musiziert in Gottesdiensten für Häftlinge. Sie kümmert sich nicht nur um Krankheiten, sondern hat ein Ohr für die Probleme ihrer Patientinnen und Patienten. Mit Herz und Seele geht Christa Zauner aus St. Willibald auf Menschen zu. Sie widmet sich den Bewohnerinnen und Bewohnern der Caritas-Wohnoffensive Andorf, die rund um die Uhr oder teilweise Betreuung brauchen, in allen Lebenslagen – vom gemeinsamen Frühstück bis zur Begleitung in den Sommerurlaub. Eine Brücke zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung baut der Verein Lesewelt Pinsdorf. Volksschulkinder lernten die Gebärdensprache und gestalteten einen „Freundeweg“ sowie zwei Bilderbücher gemeinsam mit gehörlosen Menschen. Ein zeitlich begrenztes Engagement, das lange nachwirken wird, zeigten Schülerinnen der Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft und Ernährung HBLA Elmberg in Linz. Für „Augenblicke des Lebens“ haben sie Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Alten- und Pflegeheims verbracht und persönliche Türschilder gestaltet. Ein weiteres Generationenprojekt wird in Bad Zell umgesetzt. Die „Mehr Zeller Nachbarschaft“ zeigt Wege auf, wie das Zusammenleben von Jung und Alt und verschiedenen Kulturen in einer Gemeinde funktionieren kann – mit Besuchs- und Fahrtendienst, einem Mittagstisch für allein lebende Menschen und mehreren Initativen in der Integrationsarbeit. Die Landjugend Naarn wird für ihren Beitrag zum Projekt „Aulehrpfad – Naarn und Au erleben“ ausgezeichnet. Der Pfad wurde mit vielen Vereinen, Erwachsenen und Jugendlichen gestaltet. Gemeinsam mit Asylwerbenden baute die Landjugend ein großes „Insektenhotel“.
Not vor ihrer Haustür hat Bruna Matera und Jochen Reumüller in Braunau berührt. Mit Helferinnen und Helfern errichteten sie eine Versorgungsstation für 40.000 Flüchtlinge, eine weitere für die Helferinnen und Helfern in der Hochwasserkatastrophe 2016. Obdachlose Roma bekamen bei Minusgraden kurzerhand einen Schlafplatz. Ludwig Mülleder hingegen reist seit 17 Jahren in die Ferne, um Hilfe zu leisten. In Tansania und Kenia installiert er Solaranlagen an Buschspitälern, repariert medizinische Geräte und bildet Techniker aus. Zivilcourage und Toleranz sind die Themen des „Papa Gruber Kreises“ und des Vereins „Plattform Johann Gruber“. Ihre zahlreichen Aktivitäten widmen sie dem Gedenken an den Priester Johann Gruber, der 1944 im Konzentrationslager Gusen ermordet wurde.
Der Solidaritätspreis stand im Zeichen eines Lebenswerkes: Bischof em. Maximilian Aichern OSB hat stets das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ in all seinen Facetten in der Öffentlichkeit wachgehalten und Initiativen in die Wege geleitet und gefördert. Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Allianz für den freien Sonntag, Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe und Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen Österreichs sind nur einige der Initiativen, die er in die Wege geleitet hat. Der Altbischof würdigte die vielen Gespräche, die auf Bundes- und Landesebene geführt wurden, und immer zum Erfolg geführt hätten. „Dialog, Dialog, Dialog“, so der Altbischof, sei das Wichtigste, was immer man in die Wege leiten möchte. Achtsamkeit gegenüber jedem Menschen zeichnet ihn aus.
Festakt
Knapp 300 Gäste nahmen am 15. Mai 2017 im Landhaus Linz an der Verleihung des 24. Solidaritätspreises teil. Die Preise wurden dabei von Bischof Manfred Scheuer, Landeshauptmann Thomas Stelzer und Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer überreicht.
Landeshauptmann Thomas Stelzer würdigte den solidarischen Einsatz der Preisträgerinnen und Preisträger. „Wir wissen sehr gut, dass das Helfen im Freiwilligenbereich an Grenzen kommen kann“, so Landeshauptmann Stelzer. Auf der einen Seite sei die Politik gefordert, die richtigen Maßnahmen zu setzen, um Menschen zu helfen. Auf der anderen Seite schätze er trotzdem die Einstellung der vielen Ehrenamtlichen, die sagen: „Ich helfe einfach.“
Bischof Manfred Scheuer ging auf die Frage ein, was junge Menschen bräuchten, um sich in der Gesellschaft solidarisch zu engagieren. „Junge Menschen brauchen eine Ermutigung, ein ‚Du kannst das‘ oder ‚Wir brauchen dich, du gehörst dazu‘“, so Bischof Manfred Scheuer. Vor allem Freunde und eine Perspektive für die Zukunft in Form von Arbeit seien für junge Menschen am wichtigsten.
Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer sprach über ihre Erfahrungen aus ihrer Zeit als Leiterin des Arbeitsmarktservices Oberösterreich, die auch ihre Arbeit als Landesrätin prägen. Man müsse sich in die Situation des einzelnen Menschen, der einem gegenübersteht, hineinversetzen, so Birgit Gerstorfer: „Das Gestalten der Lebensumstände für Menschen muss den Vorrang haben vor dem Gestalten von Umständen und Dingen.“
Text: KirchenZeitung/Diözese Linz