Kraftquellen für gelingendes Zusammenleben
Die derzeit so dominante Coronakrise, die sich sozial und gesellschaftlich stark in Richtung Abstandhalten, Distanz, Kontakt- und Berühungslosigkeit, Verlust von Sicherheit auswirkt, ruft in besonderer Weise die zeitlosen Werte unserer katholischen Soziallehre auf den Plan: Personalität, Solidarität, Subsidiarität, die Sorge um das Gemeinwohl, also die Verantwortung für unsere Um- und Mitwelt.
Wir sind gefordert, das soziale Leben zu erhalten: die Zusammenkünfte, den Austausch, solidarische Aktionen mit Blick auf die Armen, Kranken, Schwachen und Ausgegrenzten unserer Gesellschaft - auch mit dem weltweiten Blick. Es geht darum, Zusammengehörigkeit und Verbundenheit zu leben und zu erleben. Nicht zuletzt geht es um das Feiern unseres gemeinsamen Glaubens.
So spreche ich in der Folge einige konkrete Punkte an, die aus Sicht der KMB derzeit eine besondere Beachtung und Aufmerksamkeit brauchen:
Respekt vor der Würde des Menschen
Menschen werden vor allem aufgrund des medizinischen Fortschritts immer älter. Dafür sind wir dankbar. Dadurch steigt aber auch der Bedarf an Menschen, die bereit sind, Kranke und Leidende zu pflegen. Wir unterstützen Initiativen, die verstärkt Männer dazu ermutigen, einen Pflegeberuf zu ergreifen. Der Respekt vor der Würde jedes Menschen verlangt, dass Menschen bis zuletzt liebevoll betreut werden. Dafür müssen Politik und Wirtschaft gute Rahmenbedingungen schaffen, vor allem in der Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Beruf.
Wir haben in den letzten Monaten schmerzhaft erlebt, was es für Menschen in Pflegeheimen bedeutet, wenn Seelsorge nicht mehr erlaubt ist. Gerade in Krisenzeiten müssen ein sozialer Kontakt mit den Verwandten und eine persönliche Begleitung durch Seelsorgerinnen und Seelsorger möglich sein.
Gerechte Aufteilung zwischen Frauen und Männern
Durch die Coronakrise hat neben dem Bewusstsein für die Klimakrise auch die gerechte Aufteilung zwischen Frauen und Männern in der Care-Arbeit gelitten. Wir setzen uns dafür ein, dass wir Männer wieder verstärkt unsere Verantwortung in Familie und Kinderbetreuung annehmen. In diesem Zusammenhang treten wir dafür ein, das Pensionssplitting als Norm festzuschreiben, die nur in begründeten Einzelfällen verändert werden kann.
Wertschätzung für unsere Arbeit
Jeder Mensch braucht für seine Arbeit Wertschätzung. Dazu gehört eine angemessene Entlohnung bei der Erwerbsarbeit, aber besonders auch die Anerkennung des Wertes der geleisteten Arbeit - sowohl bei der Arbeit die der Erhaltung der Lebensgrundlagen dient, als auch bei ehrenamtlicher Arbeit.
Das gilt in besonderer Weise für den Bereich der Landwirtschaft, die gerade im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielt. Nur in respektvollem Miteinander von Konsumentinnen und Konsumenten auf der einen Seite und Bäuerinnen und Bauern auf der anderen Seite wird eine qualitativ hochwertige und schonende Landwirtschaft möglich, die auch nachkommenden Generationen gute Lebensbedingungen sichert.
Verantwortung für nachfolgenden Generationen
Bei der Nachhaltigkeitsgala der KMB am 17. September in der Pfarre St. Franziskus in Wels wurde genau dieser generationenübergreifende Aspekt von Nachhaltigkeit vor den Vorhang geholt. 12 Männer der KMB erzählen in beeindruckenden Videos von ihren konkreten Projekten. An ihrem Beispiel wird deutlich, wie eine Zukunft möglich ist, die einen Weg aus der drohenden Klimakatastrophe weist.
Neuorganisation wirtschaftlicher Kreisläufe
Nach den dramatischen Auswirkungen der Corona-Epidemie können wir nicht das Ziel haben, dass alles so wird wie zuvor. Wir erkennen die Notwendigkeit eines Umbaus der Wirtschaft hin zu mehr Regionalität und Nachhaltigkeit. Die notwendige Anpassung der Produktion bedarf einer großen Solidarität für alle. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte ein Werkzeug sein, diesen Umbau gut zu begleiten.
Sei So Frei – Für eine gerechte Welt
Mit unserer entwicklungspolitischen Organisation Sei So Frei verbessern wir die Lebensbedingungen vieler Menschen in Ländern des Südens. Damit arbeiten wir aktiv daran, dass Menschen nicht aus ihren Heimatländern flüchten müssen, um überleben zu können. Wir erwarten auch von der staatlichen Entwicklungshilfe, dass sie vorrangig Projekte unterstützt, die vor Ort Menschen dabei helfen, ein lebenswertes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Papst Franziskus schreibt in seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti“: „… es ist unsere Pflicht, das Recht eines jeden Menschen zu respektieren, einen Ort zu finden, an dem er nicht nur seinen Grundbedürfnissen und denen seiner Familie nachkommen, sondern sich auch als Person voll verwirklichen kann. Unsere Bemühungen für die zu uns kommenden Migranten lassen sich in vier Verben zusammenfassen: aufnehmen, schützen, fördern und integrieren.“ (129)
Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, flüchtenden Menschen Aufnahme zu gewähren, soweit wir als eines der reichsten Länder die Möglichkeiten dazu haben. Österreich war immer dafür bekannt in Krisensituationen zu helfen. Auch in Zukunft soll unser Land für Mitmenschlichkeit und weltweite Solidarität stehen.
Mit Gottvertrauen in der Angst bestehen
Kraftvolle Männer sind Männer, die mit (Gott-)Vertrauen in der Angst bestehen. Das hat uns P.M. Zulehner beim 70Jahr-Fest der KMB in Lambach als Vision mitgegeben. Kraftvolle Männer setzen sich für eine Politik des Vertrauens ein. So ist unsere Antwort auf die Herausforderung der Corona-Krise nicht der Rückzug und die Angst vor Begegnung, sondern das kreative und verantwortungsvolle Suchen nach neuen Formen, Gemeinschaft und Beziehung zu leben. Gerade in Krisenzeiten ist es Aufgabe der Kirche, bei den Menschen zu sein und sie im Geiste Jesu zum Leben zu ermutigen.
Berufen durch die Taufe übernehmen wir Verantwortung in und für die Kirche, damit sie als Gemeinschaft zur Kraftquelle wird für alle, die Hoffnung, Trost und Stärkung suchen. Die Fähigkeiten jeder Christin und jedes Christen sind gefragt. Nicht das Streben nach Macht einzelner Gruppen führt zu einer zukunftsfähigen Kirche, sondern das wertschätzende und behutsame Miteinander in der Nachfolge Christi.
DI Bernhard Steiner, Diözesanobmann