Mittwoch 24. April 2024

"Mein Erlöser lebt!"

Was erwartet uns nach dem Tod?

Buch Ijob, Kap. 19

Ijob ergriff das Wort und sprach: "Doch ich, ich weiß: Mein Erlöser lebt, als Letzter erhebt er sich über dem Staub. Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen. Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd."

 

Markusevangelium, Kap. 12

24 Jesus sagte zu ihnen: Ihr irrt euch, ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes. 25 Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch lassen sie sich heiraten, sondern sind wie Engel im Himmel. 26 Dass aber die Toten auferstehen, habt ihr das nicht im Buch des Mose gelesen, in der Geschichte vom Dornbusch, in der Gott zu Mose spricht: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? 27 Er ist kein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Ihr irrt euch sehr.

 

Was kann ich nach dem Tod erwarten? Diese Fragen stellen sich viele, gerade heute bei einer Beerdigung. Und gerade heute am Allerseelentag, wenn Katholikinnen und Katholiken weltweit ihrer Verstorbenen gedenken.

 

Das ist die Frage aus dem Lied „Oma“ von den Seern: „Oma, sag, wia, fühlt si denn der Himmel on? Oma, is des a Plotz wo ma si immer noh sein konn?“ Andreas Gabalier weiß da schon mehr: „Amoi seg ma uns wieder. Amoi schau i a von obm zua.“ In diesen Versen kommt unsere große Sehnsucht nach Beziehung zum Ausdruck. Es gibt auch einen Hymnus der Kirche, der sich die andere Welt ganz konkret vorstellt. Ich werde ihn am Ende dieser Feier singen: „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.“ Dieser Hymnus sagt allerdings nichts von einem Wiedersehn.

 

„Oamoi segts eich doch wieder“, meinen jene Schriftgelehrten im Evangelium, die Jesus fragen, wie wir denn im Himmel verheiratet sein werden. Jesus weist sie zurecht: „Ihr irrt euch sehr“, sagt er. Und Jesus erinnert daran: Rechnet damit, dass Gott der Ewige ein Gott der Lebenden ist. Wenn wir uns an ihn halten, treten wir auch ein in seine Ewigkeit.

 

Ijob, der Geschundene und dennoch treu Glaubende kann in der Lesung aus dem Ersten Testament klar bekennen: „Ich weiß: Mein Erlöser lebt ... Ohne meine Haut und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen. Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd.“ Gott schauen ohne irdische Begrenztheit: Das ist etwas, bei dem ich gut mitgehen kann.

 

Also, was können wir sagen? Wenn ich meine irdische, menschliche Begrenztheit ablege, die mich hindert, das Wahre ganz zu erkennen, die mich hindert, das Richtige zu tun, dann hoffe ich, vor Gottes Angesicht ohne die Last der Materie einmal alles zu durchschauen. Auch mich selbst. Wie aber ist es, wenn ich seinem Licht – auch so ein irdisches Bild – direkt gegenüberstehe? Ein befreiender, vielleicht auch schmerzlicher Prozess: zu erkennen, wo ich gescheitert bin; zu sehen, wo ich selbst mir meine Möglichkeiten verbaut habe; nachzuleben, wo ich bewusst Falsches getan und mir und anderen Schaden zugefügt habe. Und ich darf auch in Dankbarkeit klar sehen, wo ich in meinem Leben beschenkt worden bin und wo ich selbst andere beschenken durfte.

 

Am Ende wird alles gut, sagen manche. Aber ohne Klärung und Reinigung wird es nicht gehen. Unser irdisches Leben ist wichtig und entscheidend, das irdische Leben zählt, es macht meine Persönlichkeit aus. Die Merkmale dieses irdischen Lebens - im Positiven wie im Negativen - prägen meine Identität und Individualität. Das bleibt, auch vor Gott. Am Ende wird alles gut, das kann heißen: Am Ende ist alles geklärt; oder am Ende findet alles seinen Sinn. Aber kein Schwamm drüber und keine Gleichschaltung im Hauptwaschgang, porentief rein. Wir erinnern uns an Ostern: Der Auferstandene trägt noch seine Wundmale.

 

Zu unserer Identität gehört grundlegend, dass wir Beziehungswesen sind. Und auch Gott ist Beziehung. So werden wir wohl auch in der Ewigkeit nicht als Einzelgänger auf einer Wolke sitzen, sondern in Beziehung sein. Ob das dann ein Familienfest wird? Die Verstorbenen sind „wie die Engel im Himmel“ sagt Jesus. Über die Engel im Himmel wissen wir konkret nicht wirklich etwas.

 

Die Hoffnung für unsere Verstorbenen und auch für jede und jeden von uns will ich so formulieren: Wir werden bei Gott sein, beim guten Gott, der barmherzig ist; bei Gott, der befreit und der die Liebe ist. Mehr würde ich nicht sagen, aber auch nicht weniger. Für mich genügt das. Es ist für mich die Kraft und die Hoffnung, aus der ich lebe. Ihr komme ihr nahe, wenn ich mich hier Tag für Tag bemühe, den Ewigen und seinen Willen zu entdecken und zu vertiefen. Denn was für die Ewigkeit gilt, ist ja genauso richtig hier und jetzt schon in unserem Leben: Wir werden bei Gott sein. Nun hier auf Erden wollen oder können wir das nicht immer so klar erkennen.

 

Wir Menschen brauchen konkrete Bilder, um uns dem Geheimnis der Ewigkeit anzunähern und es zu erhellen. Und gleichzeitig brauchen wir auch immer einen guten Abstand dazu. Die Gefahr ist, dass wir meinen, die Wirklichkeit zu sehen, wo es doch nur Bilder sind. Die Gefahr ist auch, dass sie unsere Wahrnehmung verengen und uns hindern, das anzunehmen, was der Ewige uns wirklich schenken will. Das Verbot, sich von Gott ein Bild zu machen, wie wir es in den Zehn Geboten finden, hat hier seine uneingeschränkte Berechtigung.

 

Darum zum Schluss eine Geschichte aus dem Mittelalter:

Zwei Mönche unterhielten sich wieder und wieder über den Tod. Wie würde es sein bei Gott? Sie malten sich alles genau aus, manchmal dachten sie, sie sähen den Himmel bereits vor sich. Dann wieder hatten sie Zweifel. Was wäre, wenn ihre Bilder völlig falsch wären?

So beschlossen sie eines Abends: Wer zuerst stirbt, soll in der Nacht nach seinem Tod dem andern erscheinen und nur ein einziges Wort sagen – mittelalterliche Mönche sprechen natürlich Latein: „Taliter: es ist so“ oder „Aliter: es ist anders“.

Kurz darauf stirbt einer der beiden. In der Nacht erscheint er, wie abgemacht, seinem Freund. „Taliter?“ fragt der ihn. Er schüttelt den Kopf. „Aliter?“ fragt der Freund ängstlich. Wieder schüttelt der andere den Kopf und sagt ganz leise mit einem feinen Lächeln: „Totaliter aliter: Es ist vollkommen anders.“

 

Markus Himmelbauer

Allerseelen, 2. November 2019

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