Gedanken zum Tag von Pfarrer Maximilian
Predigt Weihetag der Lateranbasilika, 9.11.2025 Perikopen: 1 Kor 3,9c-11.16-17 Joh 2,13-22
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Weihetag der Lateranbasilika, das Weihefest einer Kirche feiern wir heute. Es ist nicht irgendeine Kirche, sondern die eigentliche Kirche des Papstes. Das ist eben nicht, wie manche meinen der Petersdom. Nach einer alten Bezeichnung ist der Lateran „Haupt und Mutter aller Kirchen des christlichen Erdkreises.“ So ist das heutige Fest die Einladung über das Wesen und Geheimnis der Kirche nachzudenken. Drei Gedanken dazu.
Erstens: Bin Blick auf den Anfang der Kirchengeschichte. In den Anfängen des Christentums fanden die Gottesdienste bekanntlich in Privathäusern statt und das natürlich heimlich. Es war ja verboten Christ zu sein. Vor allem wohlhabendere Familien mit ausreichend Platz stellten ihre Häuser der Christengemeinde zur Verfügung. Diese frühen Hauskirchen sind die Vorläufer der späteren Kirchengebäude. Ruinen davon wurden 1930 im nördlichen Syrien entdeckt. Sie waren 200 Jahre nach Tod und Auferstehung Jesu inmitten vieler heidnischer Tempel errichtet worden und die Wandgemälde und Mosaike sind teilweise noch erhalten. Die älteste Hauskirche in Dura Europos besteht aus zwei zusammengelegten Räumen und einen Taufhaus. Es konnte ca. 40 Personen fassen. Ein halbes Jahrhundert später wurden in Syrien schon Kirchen beinahe in der Größe unserer Kirche errichtet. Der Anfang der Kirchenbauten liegt also in Syrien. In Rom wurde erst 50 Jahre später auf einem Grundstück der Familie der Plautii Laterani das erste Haus für einen christlichen Gottesdienst gebaut und 324 von Papst Silvester dem Erlöser Allerheiligsten geweiht. Heute wird ihr Kirchweihtag begangen. Tausend Jahre lang war diese Lateranbasilika mit den Nebengebäuden Sitz des Bischofs von Rom. Basilika nannte man in Rom große Hallen, die für sowohl für Repräsentation der Reichen, oft aber für Marktzwecke oder eben Versammlungen der Bürger gedient haben. Das waren die Anfänge.
Zweitens: Warum nannten die Christen ihre Gottesdienststätten nicht Tempel, sondern Kirchen: Versammlungsbauten für den Kyrios, den Herrn Jesus? Tempel waren Opfer- und Wohnstätten für Götter gewesen, damit wollten die Christen nichts mehr zu tun haben. Im Evangelium war vom Tempel in Jerusalem die Rede, dem Wohnsitz des Gottes Israels, und in der Lesung unerwartet davon, dass die Getauften selbst der Tempel Gottes sind, in denen er wohnt. „Der Tempel Gottes ist heilig und der seid ihr,“ sagt Paulus. Er sagte es in einer Zeit, in der der Tempel in Jerusalem noch in Betrieb war. Das ist jetzt ein ganz neues Verständnis: Der Mensch als Wohnort Gottes. Es ist es also wert, die beiden und darüber weiter nachzudenken. In jedem Menschen gibt es einen heiligen Raum, in dem Gott selbst wohnen will. Dieser Raum gibt jedem Menschen, ob gesund oder krank, unschuldig oder schuldig, fähig oder unfähig seinen Wert. Dass wir Tempel Gottes sind – für Paulus aufgrund unserer Taufe – gibt uns eine unzerstörbare Würde. Wer diese Würde missachtet oder angreift, erhebt sich gegen Gott. Die Tempel der Antike standen unter dem Schutz des Kaisers. Niemand durfte sich an ihnen vergreifen, sie schädigen oder ohne kaiserliche Erlaubnis zerstören. Für die Menschen galt dieser kaiserliche Schutz damals nicht. Mit den Menschen durfte man alles tun. Und das ist bis heute so. Mittlerweilen werden sogar die Menschenrechte, die erstmals 1948 als Lehre aus Krieg und Holocaust definiert worden sind, immer unverhohlener in Frage gestellt. Der Mensch ist zerstörbar, vernichtbar, an ihm darf man sich auch in staatlichem Auftrage vergreifen. Jeder m² nationales Territorium ist mehr wert als ein Menschenleben, muss durch Menschenleben/Menschenopfer geschützt werden. Was Paulus sagt über die unangreifbare Würde des Menschen, war und ist absolut mutig und gegen den Trend. Der Mensch als Wohnort Gottes. Das müsste Folgen haben, wie man mit dem Menschen umgeht.
Drittens: Und was sagt Jesus? Er sagt: Der Tempel, genauso der heilige Raum Gottes im Menschen, bedarf der Reinigung. Es nistet sich auch im Innersten des Menschen etwas ein, was ihn immer mehr von Gott trennt. Das Innere kann zur Geschäftswelt werden, sagt uns heute das Johannesevangelium und bei den anderen Evangelien heißt es sogar noch stärker: Räuberhöhle. Räuberhöhlen sind Räume, in die sich die Räuber zurückziehen und verstecken, um dann wieder aufs Neue auszurücken zum nächsten Raubzug. Manches von unseren Fehlhaltungen versteckt sich in unserem Innersten und bricht immer wieder daraus hervor, zum Beispiel: Unversöhnlichkeit, Rachegedanken, Revanchedenken…, sie entheiligen den heiligen Raum in uns und bedürfen der Tempelreinigung. Jesus vollzieht sie in uns nicht mit Stricken und Geißeln, sondern stets mit seinem Wort, mit dem er uns unermüdlich zurückruft und uns vor Augen stellt, dass wir alle Kinder des einen Vaters sind und Brüder und Schwestern untereinander, was mehr wiegt und höher wertig ist, als alles, was uns kränkt und provoziert. Wir sind Tempel Gottes, das soll Motiv genug sein, diesen Tempel heilig zu halten. Übrigens hat es das Zweite Vatikanische Konzil in einem sehr schönen Satz über die Kirche gesagt, was für den ganzen Menschen gilt: „Die Kirche ist heilig, und stets der Erneuerung bedürftig.“
Liebe Brüder und Schwestern!
Kirchweihfeste, Einladung zum Nachdenken über unser Kirchesein. Aus den ersten Hauskirchen sind so viele kleine und große Gebäude entstanden. „Raststätten Gottes mit stiller Bedienung“ hat sie einmal jemand genannt. Wir dürfen dankbar sein, das wir diese Gebäude haben, als Orte der Gottesbegegnung. Und dann ist da im Christentum auf einmal etwas komplett neues. Der Mensch selber wird zur Kirche, zur Wohnstätte für den Herrn. Und dieser Raum bedarf auch immer wieder der Reinigung, nach der Botschaft vom starken Zeichen der Tempelreinigung durch unseren Herrn für 2000 Jahren. Amen.