Dritter Fastensonntag
Das Johannesevangelium wurde um etwa 100 n.Chr. geschrieben; das bedeutet, dass dieses Gespräch nicht so stattgefunden hat; der Verfasser dieses Textes hat es nicht miterlebt, keiner hat es auf CD oder Video aufgenommen. Was im Johannesevangelium steht ist vor allem ein Nachdenken des Verfassers über Jesus Christus. Deswegen wirkt das Gespräch auch irgendwie unecht. So würden Menschen nicht miteinander reden. Der Evangelist hat hier niedergeschrieben, was ihm und den Menschen seiner Gemeinde wichtig ist am Glauben an Jesus Christus.
Wenn wir das bedenken, wird uns klar, dass der Ort des Gespräches - der Brunnen - und das Gespräch über das Wasser-Holen und Durst-Haben im übertragenen Sinn zu verstehen sind.
Der Evangelist beschreibt wie Jesus spürt, dass diese Frau tieferen Durst hat als nur den nach Wasser. Diese Frau hat - wie alle Menschen - eine große Sehnsucht danach, angenommen zu sein; Sehnsucht nach Geborgenheit. Bisher hat sie niemand gefunden, der ihr diese Sehnsucht gestillt hat. Jesus lässt sie erfahren, dass sie - auch trotz dessen, was in ihrem Leben nicht in Ordnung ist - eine geliebte Tochter Gottes ist. So wird sie dann auch eine der ersten Frauen, die bezeugen, dass Jesus der Messias, der Christus ist. Eine Vorläuferin der Maria Magdalena.
Genau das will uns das Johannesevangelium zeigen.
Das Gespräch Jesu mit der namenlosen Frau am Jakobsbrunnen knüpft an die existentielle Bedürftigkeit des Menschen an und führt von der äußeren realen Ebene auf die innere symbolische. Dieser Weg stellt sich als Ringen um die Frage dar: Wer ist dieser Jesus?
Antwort: Die tiefste Sehnsucht des Menschen wird durch Jesus und die Begegnung mit ihm gestillt. Mehr noch: Wer dieses Wasser trinkt, der wird selbst zur Leben spendenden Quelle! Die Frau wird gleich selbst ein Beispiel für einen solchen Menschen sein, der für andere zur Quelle des Lebens wird. Damit bietet sie sich auch als Identifikationsfigur an für uns als Hörerinnen und Hörer dieses Evangeliums. Ihre Frage an die Leute ihres Heimatortes, ob Jesus vielleicht der Messias ist, löst eine Bewegung hin zu Jesus aus, die in den Glauben an ihn mündet. Dieser Glaube drückt sich aus im abschließenden Bekenntnis: Er ist wirklich der Retter der Welt!
Ist er für mich der Retter? Was erwarte ich mir von ihm? Von ihm, dessen Tod wir jetzt wieder verkünden, dessen Auferstehung wir preisen und dessen Wiederkunft wir erwarten. Ist die Schicksalsgemeinschaft mit ihm in Tod und Auferstehung wirklich meine Rettung? Wenn ich mich so gerettet weiß, welche Schwerpunkte und Akzente setze ich dann in meinem Leben?
Ernste Fragen, die an die Grundfesten unseres Daseins gehen. Wenn wir als Getaufte auf Ostern zugehen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, so wie sich die Gemeinde des Johannesevangeliums damit auseinandergesetzt hat und zur Überzeugung kam, er ist wirklich der Retter der Welt.