Pfarrer Paulinus im Interview der Woche
Seit fast einem Jahr teilen sich die beiden Gemeinden einen Pfarrprovisor:
Onyekwelu Paulinus Anaedu aus Nigeria ist der neue „Fada Onyii“ und hat in den Gemeinden an der Donau eine zweite Heimat gefunden.
Welser Zeitung:
Sie sind seit September Leiter der beiden Pfarren Hartkirchen und Haibach. Wie bewältigen Sie diese Doppelbelastung?
Onyekwelu Paulinus Anaedu:
Es läuft wirklich sehr gut. Ich habe Leute, die bereit sind, mitzumachen, mitzugestalten. Wenn man solche Leute hat, dann geht es.
Haben wir in Österreich zu wenig Priester?
Der Priestermangel ist eine Tatsache, mit der wir leben müssen. Die momentanen Priester werden immer älter und es gibt kaum Nachwuchs. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin.
Wie könnte man das Problem lösen?
Oft werden Priesterehen und Frauenpriestertum als Lösung genannt. Vielleicht könnte man damit zu einer kurzfristigen Lösung beitragen, aber ich bin der Meinung, das Problem ist weitreichender.
Als Beispiel nenne ich immer die evangelische Kirche, in der es Priesterehen und Priesterinnen gibt und dennoch gibt es auch dort Personalprobleme. Ich persönlich hätte keine Probleme mit Priesterinnen und verheirateten Priestern, denn Zölibat und Mann-Sein gehören nicht zum Wesen des Priestertums.
Was gehört zum Wesen des Priestertums?
Für mich ist das Priestertum eine Berufung, kein Beruf. Im Beruf gibt es Pausen, als Priester hat man keine Pausen. Es ist mein Leben, Priester zu sein. Bereits mit zehn Jahren, nach meiner Erstkommunion und Firmung, habe ich den Wunsch verspürt, Priester zu werden. Es hat mich niemand dazu gezwungen. Ich habe damals mit dem Ministrantendienst begonnen und viele Priester gesehen, die mir zum Vorbild wurden.
Welche Bedeutung haben Priester in Ihrer Heimat?
Priester in Nigeria werden nicht bezahlt, sie erhalten lediglich ein kleines Taschengeld. Deshalb müssen die Gemeinden für die Priester sorgen. Es ist so unbeschreiblich: Die Leute haben selbst nichts, aber sie bemühen sich, dass es den Priestern gut geht. Priester gelten bei uns als Vorbilder, als Leitfiguren. Die Versorgung durch die Gemeinden hat aber auch Nachtteile: Ist die Gemeinde arm, ist auch der Priester arm, ist die Gemeinde reich, ist der Priester reich. Aus diesem Grund bleiben wir maximal sechs Jahre in einer Gemeinde und müssen dann wechseln.
Welche Rolle spielen Priester Ihrer Meinung nach in Österreich?
Ich habe das Gefühl, dass Priester hier zunehmend als Manager der Pfarren betrachtet werden. Schon auch als Vorbilder, aber eher als Manager.
In Ihrer ersten Predigt verglichen Sie die Übernahme der beiden Pfarren mit der Vermählung mit zwei Frauen. Wie eng fühlen Sie sich mit Ihren Gemeinden verbunden?
Ich fühle mich hier zu Hause und sehr wohl. Ich spüre, dass mich die Leute so akzeptieren, wie ich bin. Fremdenfeindlichkeit habe ich eigentlich nie erlebt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, zehn, zwanzig Jahre hier zu bleiben. Ich sage immer: Dahoam is dahoam. Natürlich möchte ich wieder zurück nach Nigeria.
Wie begegnen Sie den Mitgliedern Ihrer Gemeinden außerhalb der Gottesdienste?
Ich gehe gern auf den Sportplatz und sehe mir Fußballspiele an. Hin und wieder gehe ich auch zum Stammtisch.
Wie geht es Ihnen mit dem Dialekt?
Jå, voi guat! (lacht) Ich verstehe schon mehr, als ich sprechen kann.
Sie haben in Nigeria und in Österreich als Priester gewirkt. Haben Sie Unterschiede bemerkt?
Bei uns wird die Messe gefeiert, nicht gelesen. Da kann eine Messe bis zu zwei Stunden dauern. In Österreich dauern Messen im Schnitt 45 Minuten. In Hartkirchen und Haibach sind wir wie in einer Ehe einen Kompromiss eingegangen: Jetzt dauert die Messe eine Stunde.
Sehen Sie Handlungsbedarf in der heutigen Kirche?
Die Kirche muss sich der Zeit anpassen, übt aber immer auch Kritik an der Zeit und ihren Trends. Wichtig ist vor allem, den Leuten zuzuhören, wie es ihnen mit der Kirche geht. Die Kirche ist keine Demokratie. Ich glaube, das ist das größte Problem, das die Leute in Europa mit der Kirche haben.
Wie beurteilen Sie die Arbeit des neuen Papstes Franziskus?
Ich finde ihn großartig. Ich bin sehr stolz auf ihn, was er leistet und wie er arbeitet. Mich fasziniert an ihm seine Demut, seine Armseligkeit. Er ist für mich ein Vorbild der armen Kirche und der Kirche für die Armen.
Persönlich
Onyekwelu Paulinus Anaedu wurde am 12. Februar 1968 in Aguluzigbo in der damaligen Republik Biafra im Südosten Nigerias geboren.
Aufgewachsen in der Zeit nach dem Biafra-Krieg, der bis 1970 dauerte, musste seine Familie viel entbehren, um ihm und seinen acht Geschwistern die Schulausbildung zu ermöglichen. Von 1986 bis 1995 studierte er Philosophie und Theologie und erhielt am 19. August 1995 die Priesterweihe in seiner Heimatdiözese Akwa.
Ab 1997 war er Missionar in Lagos.
2004 begann Paulinus ein Doktoratsstudium der Theologie an der Universität Salzburg und lebte währenddessen abwechselnd im Stift Lambach, Grieskirchen und in Vöcklabruck.
Nach seiner Promotion im Juli 2009 übernahm er auf Ansuchen der Diözese Linz die Gemeinde Hl. Familie, Steyr-Tabor.
Seit 1. September 2012 ist Paulinus Pfarrprovisor in Hartkirchen und Haibach.
Quelle: O.Ö. Nachrichten - Welser Zeitung vom 16.08.2013
Veröffentlicht
14:41:00 16.08.2013