Die große Sehnsucht nach Segen: Quartals.Gespräch zu neuen Ritualen
Rituale haben eine lange Tradition. In ihnen verdichtet und bündelt sich die menschliche Sehnsucht, der Unverfügbarkeit und den Unwägbarkeiten des Lebens durch konkrete Zeichenhandlungen etwas entgegenzusetzen. Der damit auch angesprochene Charakter der Wiederholbarkeit versucht auf seine Weise Stabilität zu vermitteln und Sicherheit zu verleihen.
Bedürfnis nach individuell gestalteten Ritualen
Pfarrassistentin Lehner und andere SeelsorgerInnen erzählen, dass heute das Bedürfnis nach individuell begleiteten und gestalteten Ritualen sehr groß ist und sie sich darauf einstellen. So ist etwa eine wachsende Sehnsucht nach Segen und Segensritualen spür- und wahrnehmbar. Dahinter verbirgt sich wohl der Wunsch nach Begleitung und Schutz. Gerade Umbruchssituationen in Gesellschaft und im persönlichen Leben, vielfältige Familien- und Lebenssituationen beeinflussen die Gestaltung der profanen wie religiösen Rituale.
Zum Verhältnis von Ritual und Magie
Freilich stellt sich hier auch die Frage nach dem Unterschied zur Magie. Allzu schnell wird das landläufig bekannte Bild bemüht, Segen sei gut, Magie sei schlecht. Ist dem tatsächlich so? Prof.in Bechmann fordert die Entwicklung einer verantworteten Kriteriologie der Unterscheidung. Menschen sollen aufmerksam gemacht werden, wo ihnen geholfen wird, aber auch wo geschadet wird. Die Sehnsucht nach Hoffnung und Schutz solle auf keinen Fall ausgenutzt werden und Menschen angesichts fragiler Lebenssituationen nicht enttäuscht zurückgelassen werden. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften hätten hier einen wichtigen Auftrag, ein gutes Angebot zur Verfügung zu stellen.
Ritual wie Magie entwickeln auf ihre Weise eine Dynamik. Für die je erfahrene „Bewertung“ zeigt sich, dass das jeweilige Weltbild zur Einordnung eine wesentliche Rolle spielt. Grundsätzlicher geht es beiden darum, im repräsentierenden Symbolhandeln etwas zu bewirken.
Hinhören auf die Lebenssituation
Angesichts dessen, dass es immer konkrete Personen sind, die um ein Ritual in einer bestimmten Situation ersuchen, ist sensibel darauf hinzuschauen, was er oder sie braucht, was gerade hilfreich ist, was heileres Leben ermöglicht. Es sind also die Lebensgeschichten, die ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Ausgangspunkt ist immer, was Menschen veranlasst zu kommen. Daran muss im Handeln, in der Sprache angeknüpft werden. Dafür bedarf es der Schulung sensiblen Wahrnehmens, situationsgerechter Sprache, der Weitung des Blicks über angestammte Muster hinaus. Dies ist auch eine Aufforderung für die Ausbildung und Weiterentwicklung des Seelsorgeberufs.
Das Quartals.Gespräch ist „Wissenschaft zum Angreifen“ – so nennt sich das Diskussionsformat, initiiert von der Katholischen Privat-Universität Linz (KU) / Theologisch-praktischer Quartalschrift, dem Institut Pastorale Fortbildung, dem Bildungszentrum Haus der Frau sowie der Personalentwicklung der Diözese Linz. Wissenschaft und Praxis ins Gespräch zu bringen, ist das Anliegen.
Kagerer, gec