„Hier kann man still werden“

„Mich fasziniert, dass wir in Linz mitten in der Stadt einen solchen Raum haben. Ein Raum im Raum. Man tritt ein und ist in einer anderen Welt.“ Wenn Gerold Lehner in diese „andere Welt“ eintaucht, zündet er gerne als erstes eine Kerze an. Er liebt die Atmosphäre und die Stille, „in der etwas aufgespannt wird, das größer ist als wir selbst.“

Der Superintendent ist vom Rang einem Diözesanbischof vergleichbar. Der Theologe hat einst sogar überlegt, sich zum Thema Kirchenbauten zu habilitieren. „Alle großen Architekten haben irgendwann auch eine Kirche gebaut. Diese Räume üben eine Faszination aus.“

Gute Beziehungen pflegen

Die guten und über die Jahre gepflegten Beziehungen zwischen katholischer und evangelischer Kirche haben in Oberösterreich zu einem sehr freundschaftlichen Verhältnis geführt. Als die Evangelische Kirche 2017 das 500jährige Reformationsjubiläum gefeiert hat, tat sie dies auf dem großen Domplatz. Regelmäßig ist Gerold Lehner auch bei Gottesdiensten zu Gast im Dom, beispielsweise der Maturantenwallfahrt. „Sehr gerne mag ich, wenn hinter mir der Chor singt, das ist oft unglaublich schön.“ Als er einmal mit dem früheren Bischof Maximilian Aichern im Dom feierte, bot dieser ihm seinen „Thron“, den Bischofssitz, an, weil er doch selbst schon emeritiert sei. Gerold Lehner war bass erstaunt.

Ein kommerzfreier Raum

Am Mariendom schätzt er besonders das „Himmelwärtsstrebende“, das sei ein Vorgeschmack auf eine neue Wirklichkeit. „Das hat etwas!“ Aber auch, dass der Dom jederzeit für alle zugänglich ist und man nichts dafür zahlen muss. „Wo gibt es das sonst noch?“, fragt Gerold Lehner. Die nächste evangelische Kirche findet man nicht weit entfernt an der Landstrasse am Martin-Luther-Platz. Sie wurde fast zeitgleich mit dem Mariendom erbaut. Dass Bischof Rudigier, der katholische Bauherr des Doms, dem Bau der evangelischen Kirche „einiges in den Weg gelegt hat“, sei heute „Schnee von gestern“. Gerold Lehner kommt gerne in den Mariendom: „Da kann man atmen, das ist ein großer Freiraum.“

Text: Christine Haiden