Singende Kirche
Wolfgang Kreuzhuber war bis Mitte 2015 für den Bereich Orgelbau zuständig und steht nunmehr als redaktioneller Berater für diesen Bereich zur Verfügung.
KARL DORNEGER: Lieber Wolfgang, seit 1991 arbeiten wir als Redaktionsmitglieder der Singenden Kirche zusammen, Du als Redaktionsmitglied für den Bereich Orgelbau und ich als Schriftleiter. Was hat sich deiner Meinung nach im österreichischen Orgelbau in den letzten 25 Jahren verändert?
WOLFGANG KREUZHUBER: Gleich der erste Blick in die Singende Kirche verrät große Veränderungen im österreichischen Orgelbau. War die Singenden Kirche bis vor eingen Jahren noch mit Annoncen ganzseitig bestückt, so sind beispielsweise in den letzen Nummern Inserate von Orgelbaufirmen sehr selten geworden.
KD: Ist dies als Gradmesser für die derzeitige wirtschaftliche Lage des Orgelbaus zu sehen?
WK: Ja, das sehe ich durchaus so. Die sogenannten „fetten” Jahre sind vorbei. Vor allem ab den 1970er Jahren setzte eine Orgelbauboom ein, der nach der Jahrtausendwende ständig im Abklingen begriffen ist.
KD: Worauf kann dies zurückgeführt werden?
WK: Der Orgelneubau in Österreich hat einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Dies ist auch auf die steigende Zahl von Orgelrestaurierungen seit den 1980er Jahren zurückzuführen. Seit dieser Zeit sind auch vermehrt Orgeln mit Registerkanzellenladen (mechnisch, pneumatisch, elektropneumatisch) restauriert worden. Veränderungen in der Pfarrpastoral, wie etwa die Schaffung von Seelsorgeräumen, die Auflassung von Kirchen und der Ankauf von Orgelimitaten haben zudem zur Reduzierung der Aufträge beigetragen.
KD: Inwieweit ist der Orgelbau in Österreich existenziell gefährdet?
WK: Diese Frage ist sehr differenziert zu beantworten. Einerseits werden je nach Arbeitsumfang der Aufträge bestimmte arbeitstechnische Kapazitäten notwendig, andererseits müssen die Arbeiter auch beschäftigt werden können. Dass im Orgelbau auch ein gewisser „Preiskampf” eingesetzt hat, ist nicht zu übersehen.
KD: Zurück zur Singenden Kirche und zu den Artikeln über orgelbauliche Themen. Sollten Deiner Meinung nach diese Themen zukünftig mehr behandelt werden?
WK: Die Kirchenmusik ist in Österreich so breit aufgestellt, dass die zu behandelnden Themen eine große Vielfalt darstellen. Die Orgel, der Orgelbau und vor allem jene, die die Orgel spielen, sind ein Teil dieser Vielfalt. Aktuelle orgelbauliche Themen, wie etwa jene der Orgelimitate, sind in grundlegenden Artikeln aufgearbeitet worden. Ich meine, auch Themen wie „Orgelpflege” sind vor allem im Hinblick auf den gravierenden Pilzbefall vieler Instrumente noch zu erörtern. Mehr im Fokus könnten unsere OrganistInnen sein, die sehr häufig noch für die tagtägliche Kirchenmusik vor Ort zuständig sind. Wir haben viel über Liedpläne, Orgelbücher, Vorspiele und dergleichen geschrieben und publiziert, und das ist sehr gut so. Aber wie geht es unseren OrganistInnen wirklich? Wie sehen sie sich in ihrer großen Verantwortung für die gottesdienstlichen Feiern?
KD: Gibt es Antworten auf Deine Fragen?
WK: Die Antwort auf meine erste Frage ist die, dass es zwar keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Befinden und zur Befindlichkeit der OrganistInnen gibt, wir aber aus mündlichen Erzählungen doch sehr viel neben den Freuden auch um deren Nöte wissen. Die Palette reicht in den Pfarren von Wertschätzung und Förderung bis hin zur Duldung.
KD: Welche Gründe liegen hinter diesen Feststellungen?
WK: So vielfältig, wie unser Pfarrleben in Österreich ist, so vielfältig ist auch die Situation der Kirchenmusik im Allgemeinen und der OrganistInnen im Besonderen. Um den Organistendienst bestmöglich zu versehen, bedarf es vieler erworbener und auch angeborener Fähigkeiten, die einem „normalen” Messbesucher nicht bewusst sind. Das Spiel mit Händen und Füßen ist nicht nur eine enorme Herausforderung für das Gehirn, sondern diese Fähigkeiten sind unbedingte Voraussetzung, um sich in den Dienst der Gemeinde- und Chorbegleitung stellen zu können. Dies bedeutet: auf andere zu hören, sie zu führen und gleichzeitig Hände und Füße so zu steuern, dass die beabsichtigen Töne auch hörbar werden. Doch das ist bei weitem nicht alles. Die Textdeklamation, die sich bekanntlich von Strophe zu Strophe ändert, soll – eigentlich „muss” – in der Artikulation seine Berücksichtigung finden. Dazu kommt weiters die Bildung des Gehörs: Welche Register verbinden sich mit welchen besser, und welche Lautstärke ist wohl der singenden Gemeinde angemessen. Bei manchen Frühmessen könnte zudem die Tonart zu hoch sein. Also: Nehmen wir beispielsweise den Kehrvers doch „einfach” tiefer.
Ach ja, und noch was: Vorspiele sollten dem Festcharakter entsprechend gestaltet sein. Quasi „von virtuos bis lyrisch”.
Diese Fakten aus dem Alltagsleben von OrganistInnen sind nur ein Teil dessen, welche Anforderungen bzw. welche hohe Verantwortung sie tragen.
KD: Können diese Aufgaben tatsächlich von jedem Organisten, jeder Organistin verlangt werden?
WK: Verlangen kann man sicher sehr viel. Meiner Meinung nach kann aber eine gute und für die gottesdienstlichen Feiern entsprechende qualitätsvolle Kirchenmusik nur durch entsprechende KirchenmusikerInnen ausgeführt werden. Musikschulen und vor allem die vier Konservatorien für Kirchenmusik (Graz, Linz, St. Pölten und Wien) haben es zum Ziel, dass die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten für nebenamtliche KirchenmusikerInnen erworben werden können. Die hauptamtlichen Stellen in Österreich sind ja bekanntlich eher rar.
KD: Die Themen wie Anstellung und Entlohnung von KirchenmusikerInnen sind nach wie vor in großer Diskussion. Wie siehst Du die Lage?
WK: Ausgehend von den oben angesprochenen Fähigkeiten und Kenntnissen ist für mich klar, dass ein langjähriger, guter Orgelunterricht überhaupt erst die Basis für die Tätigkeit als OrganistIn sein kann. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nicht gesondert die Aufwendungen beispielsweise für Eltern, deren minderjährige Kinder von und zur Kirchenorgel gebracht werden müssen, nicht vom Üben in sehr kalten Kirchenräumen usw. Diese Einsätze sind wirklich enorm.
Hinsichtlich möglicher Anstellungen als nebenamtliche KirchenmusikerInnen möchte ich auch auf die Kirchenmusikreferate der Diözesen veweisen, die in dem einen oder anderen Fall weiterhelfen können.
Unabhängig bleibt es jedem Organisten, jeder Organistin selbstverständlich frei gestellt, ehrenamtlich in der Pfarre tätig zu sein. Andererseits können meiner Meinung nach keine qualitativen
Anforderungen an KirchenmusikerInnen gestellt werden, ohne dass es ein Entgelt gibt. Diözesane Richtlinien dazu liegen in den Kirchenmusikreferaten der Diözesen auf.
KD: Wie sieht es mit dem Organistennachwuchs in Österreich aus?
WK: Prinzipiell sieht es meiner Kenntnis nach nicht schlecht aus. Der Unterschied zu früher besteht sicherlich darin, dass sich junge OrganistInnen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr Woche für Woche binden lassen wollen.
KD: Was hat Dich bewogen, das Orgelspiel zu erlernen?
WK: Ganz ehrlich gesagt, die klangliche Faszination der Orgel. Bereits in meiner frühen Kindheit stand für mich fest, Orgel unbedingt lernen zu wollen.
KD: Wie wird Deiner Meinung nach die Zukunft der Organisten aussehen?
WK: Ich hoffe ganz fest, dass man in den Pfarren und den übergeordneten kirchlichen Stellen nicht nur den wichtigen Dienst der KirchenmusikerInnen erkennt sondern auch deren pastorale Aufgaben mit bedenkt. Wird diesem Aspekt in Zukunft nicht mehr Beachtung und Förderung geschenkt, sehe ich durchaus große Gefahren für die Kirchenmusik. Ein erschreckendes Szenario wäre dann für mich, geistliche Musik nur noch im Konzert zu hören.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Arbeit im Redaktionsteam der Singenden Kirche eine spannende und anregende war. Wenn nun knapp ein Vierteljahrhundert aktiver Mitarbeit verstrichen ist, ist es meiner Meinung nach gut darüber nachzudenken, ob diese lange Zeit aktiver Tätigkeit für die Singende Kirche jetzt seinen Abschluss finden soll. Ich habe mich für ein Ausscheiden aus dem Redaktionsteam entschieden, werde nach wie vor für Auskünfte gerne zur Verfügung stehen. Ich wünsche dem Redaktionsteam alles Gute für die weitere Arbeit.
Dieser Artikel ist in der Singenden Kirche 02/2015 erschienen. Wer den Artikel übrigens lieber im Layout der Singenden Kirche lesen möchte, kann diesen hier downloaden – ein herzliches Dankeschön an Schriftleiter Karl Dorneger für die Zurverfügungstellung.
Die Singende Kirche hat nun eine neue Webheimat unter www.singendekirche.at gefunden – und zwar auf dem Portal der katholischen Kirchenmusik in Österreich (www.kirchenmusikkommission.at).