HIMMELsspur
Bad Sobernheim. August 2018. Wir befinden uns in einem kleinen abgelegenen Kurort inmitten von Weinbergen in der Rheinland-Pfalz, hundert Kilometer östlich der belgischen Grenze.
Nun beginnt der dritte Reha-Aufenthalt meines Sohnes in der Spezialklinik für konservative Wirbelsäulentherapie, wie auch schon in den beiden Sommern zuvor. Nach siebenstündiger Autofahrt erreichen wir die Klinik in Bad Sobernheim und mein Sohn wird wie immer herzlichst empfangen und aufgenommen. Danach beziehe auch ich mein Quartier, ein kleines Appartement am Marktplatz. Erschöpft von der Anreise überfällt mich der Schlaf und als ich wieder aufwache, vernehme ich zum ersten Mal bewusst den Schlag der Kirchturmuhr. Dies lässt in mir ein Gefühl der Heimat aufkommen, obgleich die Entfernung sechshundert Kilometer beträgt.
Um mein aufkommendes Heimatgefühl zu stillen, mache ich mich auf den Weg zum nächstgelegenen Kaffeehaus. Intuitiv nehme ich den Weg, der an der evangelischen Kirche St. Matthias vorbeiführt. Der sich bemerkbar machende hochsommerliche Trubel lässt mich sogleich in die Kirche eintreten. Es empfängt mich ein eher schlicht gehaltener Raum mit wenig Lichteinstrahlung, der in mir sodann Ruhe aufkommen lässt. Ich fühle mich als wäre ich in eine andere Dimension versetzt.
Da ich allein im Gotteshaus bin, kann ich mich hier ganz hineinspüren. Neugierig betrachte ich die Wandgemälde und das Kreuzrippengewölbe. Dabei führt mich mein Weg nach hinten zur Orgel. Dort stehend bemerke ich plötzlich, dass das freistehende Kruzifix im Altarraum eine für mich ungewöhnliche Faszination ausübt. Parallel dazu will ich ergründen, woher und wie dieses Gefühl zustande kommt.
Ich betrachte den Altarraum von rechts und links und überlasse mich dann aber wieder meiner viel schöneren Emotion, die durch die einfache Wahrnehmung des Kreuzes aufkommt. Aufgrund der Sonneneinstrahlung am Spätnachmittag wird das Kruzifix von hinten durch das Farbenspiel der Glasfenster wundervoll erleuchtet.
Nun habe ich die Gewissheit, dass mein Sohn hier am einzig richtigen Ort ist.
(Waltraud Mayer-Brunthaler)