Notensatzseminar „Hals über Kopf“
Andreas Etlinger. Man darf ihn wohl als Experten im Bereich Computernotensatz bezeichnen. Denn seit zwanzig Jahren editiert und setzt der Kirchenmusiker regelmäßig Noten für verschiedene Verlage. Aus seinem „Computernotensatznähkästchen“ hat er im Rahmen des Seminars „Hals über Kopf“ geplaudert.
Dabei gestaltete er das von 9.00 bis 13.00 Uhr dauernde Seminar dreiteilig. Nach einer allgemeinen Einführung in den Notensatz – auch mit einem Blick zurück in die Geschichte der Notensetzer – arbeitete Etlinger an konkreten Beispielen und stellte letztlich verschiedene Notensatzprogramme einander gegenüber und illustrierte diese mit Notenbeispielen.
Eine Einführung mit dem Zauberwort Lesbarkeit
„Das Zauberwort heißt Lesbarkeit“, erklärte Andreas Etlinger in seiner Einführung zur Kunst des Notensetzens, die er analog zur Kunst des Schriftsetzens betrachtet. Denn es gehe darum, mit guten und schönen Noten das optisch flüssige Erfassen eines Notentextes zu fördern, meinte der Referent.
Guter und schöner Notensatz ist für Andreas Etlinger die Summe von zahlreichen Teilaspekten, die man bei der Optimierung beachten sollte – darunter finden sich unter anderem Details wie die Größe von Notenzeilen, Anzahl von Takten pro Notensystem, Länge von Notenhälsen, Balkenneigung, Position von Taktzahlen, Formung von Bögen oder Verbalkung im Zusammenhang mit unterlegtem Text.
Einblicke in das „Etlinger-Patent“
So manches machen Computernotensatzprogramme mit ihrer Automatik gar nicht so schlecht – doch in vielen Situationen bedarf es des manuellen Eingreifens und Verschönerns. Natürlich darf dabei die Verkürzung von Notenhälsen nicht fehlen. An Beispielen wie dem „Blitzableiter-Phänomen“ bei über die Notenlinien hinausragenden Notenhälsen zeigte Etlinger Ansätze zur Korrektur von (optisch) zu langen Notenhälsen. Ein anderes optisches Manko sind beispielsweise unschön geneigte Balken, die – auch bei Verlagen – oft gar nicht mehr korrigiert werden.
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Warum das Durchqueren des Notenlinienzwischenraums jedoch bei Notensetzern sehr verpönt ist und wie sich sogenannte „Keile“ vermeiden lassen, verriet der leidenschaftliche Notensetzer in seinen praktischen Beispielen zur Verbesserung der Balkenneigung. Etlinger dazu: „Es geht um die Beziehung zwischen Notenlinien und Balken ... das ist eine sehr enge Beziehung!“
Nicht die Kunst der Fuge, sondern die Kunst der Bögen stellte Referent Etlinger bei seinen praktischen Beispielen vor und riet dazu, Bögen erst in einem allerletzten Schritt zu formen. Auch die Eingabe von Text und Liedtext kam bei den praktischen Beispielen nicht zu kurz. Als Draufgabe gab’s dann sogar noch ein paar Tipps zu verschiedenen Teilaspekten guten Notensatzes aus der Etlinger-Notensatzwerkstatt, bei der dieser lachend erklärte: „Das ist wohl das Etlinger-Patent!“
„Zum Ärgern ist‘s immer …“ – keine Werbeveranstaltung für das „beste“ Notensatzprogramm
Ob Capella, Finale, Sibelius, MuseScore, Amadeus, LilyPond oder Dorico – Notensatzprogramme am Computer gibt es viele. Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Orientierung in diesem Notensatzprogramm-Dschungel ein wenig zu erleichtern, stellte Andreas Etlinger in einem dritten Teil die einzelnen Programme und ihre Funktionen einander gegenüber.
Jedes Programm hat dabei seine Vorzüge und seine Nachteile – wann immer es um schönen Notensatz geht, darf man sich laut Andreas Etlinger darauf einstellen, unabhängig mit welchem Programm man arbeitet: „Zum Ärgern ist’s immer …“
„Kurze Streifschüsse überallhin!“
„Kurze Streifschüsse überallhin“ bot Andreas Etlinger, wie er selbst resümierte, im Seminar – was angesichts der Tatsache, dass am Samstag normalerweise ja das Abfahrtsrennen auf der „Streif“ in Kitzbühel gewesen wäre, als Sprachspiel für Erheiterung sorgte.
Tipps und Tricks rund um den Notensatz kamen an diesem Samstagvormittag nicht zu kurz – von der Bedeutung der Reihenfolge beim Anlegen eines Notensatzprojekts über die Vorgangsweise zur Vermeidung von Fehlern beim Schreiben bis hin zum zeitsparenden Programmieren von guten Voreinstellungen („Hausstil“) und Tastenkombinationen für die Editierarbeit.
Mit „nur noch sechs Prozent Akku“ am Laptop endete um 13.00 Uhr das Notensatzseminar. In seinen Schlussworten ermunterte der vom Notensatz faszinierte Etlinger die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu, sich am Notensatz zu versuchen und stellte eine Parallele zum Erlernen eines Instrumentes her: „Lasst Euch nicht abschrecken – das muss man einfach üben!“
Einer der Teilnehmer erklärte am Ende des Seminars beeindruckt: „Wie viel Lebenszeit für guten Notensatz draufgeht ...“ Na, wenn die Noten dann so wunderschön aussehen wie Andreas Etlinger sie in seiner kleinen Notenausstellung mit Werken aus verschiedenen Verlagen im Rahmen des Seminars präsentiert hat, dann ist die Lebenszeit auf jeden Fall gut investiert.
(sp)