ORF-Radiogottesdienst aus dem Mariendom Linz
Den inhaltlichen Schwerpunkt des Gottesdienstes am 8. März 2020 um 10.00 Uhr im Linzer Mariendom bildete das Evangelium des zweiten Fastensonntags, das die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor in den Blick nimmt. Die ORF-Regionalradios übertrugen den Gottesdienst live (nachzuhören ist der Gottesdienst in der Radiothek des ORF Oberösterreich).
Mit der – durch Bedachtnahme auf das um sich greifende Coronavirus zahlenmäßig etwas reduzierten – Gemeinde feierte Domkurat Josef Keplinger und Diakon Peter Schwarzenbacher. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz unter der Leitung von Andreas Peterl und Domorganist Wolfgang Kreuzhuber – seines Zeichens auch Direktor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz – an der Chororgel (Pflüger, 1989, 26/II/P).
Sich füreinander öffnen – der Eröffnungsteil
Eine präludierende Improvisation von Domorganist Wolfgang Kreuzhuber während des Einzugs der Zelebranten führte zum Eröffnungsgesang „O Herr, nimm unsre Schuld“ (GL 273) hin. In seinen einleitenden Worten begrüßte Domkurat Josef Keplinger die Mitfeiernden im Linzer Mariendom sowie all jene, die durch die Liveübertragung durch den ORF Oberösterreich mit der Gemeinde vor Ort verbunden waren. Keplinger, auch als Referent im Liturgiereferat der Diözese Linz tätig, rückte das Verbindende des gemeinsamen Gottesdienstfeierns in den Fokus: „Jede Feier des Gottesdienstes hat etwas zutiefst Verbindendes, wenn wir bereit sind, uns in unserem Beten, Singen und Handeln für einander zu öffnen.“ Dazu führte Keplinger, auch bezugnehmend auf den am zweiten Fastensonntag begangenen Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung, weiter aus: „Unser Feiern verbindet uns aber in besonderer Weise alle gemeinsam mit Gott, mit dem Urgrund unseres Lebens. Die Philosophin und Mystikerin Simone Weil hat einmal gemeint, dass die Feier der Liturgie einem ‚Blindenstock‘ gleicht, der es uns erlaubt, etwas von Gott zu ‚berühren‘, seine Liebe, seine Treue, seine Barmherzigkeit uns gegenüber immer ein Stückweit tiefer zu ‚be-greifen‘. Diese Berührung ist letztlich das tiefe Geheimnis jedes Gottesdienstes.“
In diesem Sinne rief Zelebrant Keplinger dazu auf, in den Kyrie-Rufen aus der „Missa mundi“ (GL 104) mit der Chorcoda aus der „Missodia Sionia“, einer Sammlung geistlicher Musik von Michael Praetorius aus dem Jahre 1611, nach der Hand Gottes, die er in seinem Sohn entgegenstreckt, zu tasten.
Musik, die berührt und tröstet – der Wortgottesdienst
Nach der ersten Lesung (Gen 12,1–4a), vorgetragen von Lektorin PGR-Obfrau Irene Wurm, dem Antwortpsalm (GL 64/1 + Psalm 33 aus dem „Münchner Kantorale“), gesungen von Kantor Andreas Peterl, und der zweiten Lesung (2 Tim 1,8b–10), gelesen von Lektor Christoph Niemand, dem Christus-Ruf (GL 560/1 + Evangelienvers) folgte das von Diakon Peter Schwarzenbacher verlesene Evangelium (Mt 17,1–9), das in Peter Gerloffs (Text, 2001) und Richard Mailänders (Musik, 2007) Lied „Herr, nimm auch uns zum Tabor mit“ in Musik übersetzt wurde. Diesem Lied widmete sich Josef Keplinger anschließend in seiner Liedpredigt, einer besonderen Form der Predigt, die entweder den Text oder die Melodie eines geistlichen Liedes in den Mittelpunkt rückt, indem sie diese zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtung nimmt oder ein geistliches Lied als Auslegungstext für die gehörte Schriftstelle auswählt (oder beide Varianten verbindet).
Obwohl Liedpredigten in der pfarrlichen Praxis nicht weit verbreitet sind, lässt sich diese Gattung bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Für eine solche Predigt eignen sich Lieder, die einen speziellen Festinhalt oder biblische Perikopen, also Abschnitte aus der Bibel, die in einem Gottesdienst verlesen werden, aufgreifen. Keplingers Predigt mündete in das Lied „Herr, nimm auch uns zum Tabor mit“ (GL 363) ein – nach einem kurzen Vorspiel von Domorganist Kreuzhuber erklangen die drei Strophen des Liedes aus den Kehlen des Chores, jeweils unterbrochen durch Versetten des Improvisators sowie ein abschließendes Postludium, die einer musikalisches Betrachtung und Meditation über das Lied gleichkamen. Dass Musik und Gesang also nicht nur den Gottesdienst umrahmen, sondern vielmehr als Teil der Liturgie zu betrachten sind, machte diese Form der Predigt, die nachfolgend im Wortlaut nachgelesen werden kann, besonders deutlich.
Predigt im Wortlaut |
„Liebe Schwestern und Brüder hier in der Domkirche
Was hat es denn mit diesem Weg Jesu auf den Berg, der in der christlichen Tradition mit dem Berg Tabor gleichgesetzt wird, auf sich? Was will denn Jesus denen, die er dort hinauf mitnimmt, zeigen? Und mit ihnen auch uns?
Ich denke das, was sich meist zeigt, wenn wir auf dem Gipfel eines Berges stehen: einen Ausblick, einen Überblick, einen Blick in die Ferne und in die Weite, einen Blick über das Alltägliche hinaus. Jesus ist mit den Seinen auf dem Weg nach Jerusalem – und bis dorthin geht auch ihr Blick. Das, was Jesus dort durchleben wird, seine Anklage, sein Todesurteil werden immer spürbarer und beginnen die Schritte schwer zu machen. Angst und Ausweglosigkeit liegen in der Luft. Und sicher auch die Frage: Gibt es einen Weg, das alles zu umgehen?
Der Gang Jesu auf den Berg ist aber alles andere als eine Flucht aus dieser Situation. Ich sehe darin vielmehr eine Schule für die Augen des Herzens, auf dem Berg, da heilt Jesus im wahrsten Sinne des Wortes die ‚Kurz-Sichtigkeit‘ der Seinen, die Menschen immer wieder befällt, wenn wir Ausweglosigkeit sehen und spüren. Im geschilderten Leuchten und Strahlen, da liegt für mich die Einladung, bis nach Ostern hin ‚durchzuschauen‘, unser Leben und alles, was es ausmacht und herausfordert, im österlichen Horizont zu betrachten und einzuordnen.
Ostern nämlich meint die Erfahrung, dass Gott treu ist und dass seine Treue trägt, dass sie selbst noch im Tod trägt und über den Tod hinaus. Und dieser österliche Durchblick, der ist nicht eine ‚fromme Weltflucht‘, keine Vertröstung, sondern Trost, Trost, der unser Leben auch in schweren Stunden bewältigbar machen will, deshalb: ‚Herr, nimm auch uns zum Tabor mit, um uns dein Licht zu zeigen.‘ Drückt sich in dieser Bitte nicht eine Sehnsucht aus, die wir letztlich alle in uns spüren?
Der bekannte Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, der am 4. April 1968 ermordet wurde, der hat am Vorabend dieses Tages, seine letzte berühmte Rede gehalten. Und diese Rede schloss er damals mit folgenden Worten: ‚Schwierige Tage liegen vor uns. Aber das macht mir nichts aus. Denn ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Ich mache mir keine Sorgen. Ich fürchte niemanden. Denn meine Augen haben die Herrlichkeit des kommenden Herrn gesehen.‘
Dieses Vermächtnis macht für mich deutlich: Unser Leben braucht in so vielen Situationen diesen Durchblick auf Ostern hin, damit wir uns nicht von der Angst und von der Verzagtheit leiten lassen, sondern von einem tiefen Vertrauen in die Zukunft, die Gott uns verheißen hat. Und genau diese Zukunft feiern wir eigentlich in jedem Gottesdienst. Unser Zusammenkommen, unser Beten und Singen, ist eigentlich ein je neuer Gang mit Jesus auf den Berg Tabor hinauf, ein Ausblick über das hinaus, was unser Leben so oft zu lähmen droht. Und gerade die Musik in unseren Gottesdiensten birgt so oft Momente in sich, wo uns in diesem Sinne auf einmal etwas aufgeht von Gott, wo wir uns in einem tiefen Sinn berührt und getröstet fühlen, wo wir auf einmal beginnen, etwas vom dem zu erahnen, was Gott uns versprochen hat. Genau in diesem Sinne dürfen wir jetzt das, was uns heute beschäftigt, in den Text und in die Melodie des eingangs angesprochenen Liedes hineinlegen, uns ein Stück weit mitttragen lassen, es zu unserer ganz persönlichen Bitte werden lassen, für den Weg, den wir zu gehen haben, für die Herausforderungen, die unser Leben begleiten.
Ich wünsche es uns wirklich allen, dass wir durch diesen inneren Weg mit Jesus, heute und immer wieder aus ganzem Herzen sagen können: Ich bin mit Jesus auf dem Berg gewesen, ich fürchte mich nicht.“ |
Die Fürbitten – von Lektor und Lektorin vorgetragen – wurden mit dem Ruf „Jesus Christus, Licht uns’res Lebens, wir bitten dich“ (GL 988,2) des Chores des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz beantwortet.
Uns Menschen nahe – die Eucharistiefeier
Während der Gabenbereitung interpretierte der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz eine Motette über „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ in einem Arrangement von Christian Heiß. Zum Sanctus erklang aus den Mündern von mitfeiernder Gemeinde und Chor das „Heilig“ (GL 196) nach einer Melodie aus Steinau an der Oder aus dem Jahr 1726. Zur Brotbrechung stand das Agnus Dei (GL 107) aus der „Missa mundi“ auf dem musikalischen Programm.
Während der Kommunion erklangen – modern eingespielt an der Chororgel von Domorganist Wolfgang Kreuzhuber – vom Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz die unmittelbar in einander übergehenden Gesänge „Visionem quem vidistis“, eine „Antiphona ad communionem, Dominica secunda quadragesimae“, und „Schönster Herr Jesu“, eine Motette von Anton Heiller, der in enger Verbindung mit der Rudigierorgel (Marcussen & Søn, 1968, 70/IV/P) im Mariendom sowie ihrem Organisten Kreuzhuber steht. Denn der Organist und Orgelpädagoge Heiller war nicht nur im Fachbeirat zur Errichtung der Rudigierorgel und einer der Künstler, die das Instrument 1968 im Zuge eines dreitägigen Festes einweihten, sondern auch der Orgellehrer von Domorganist Kreuzhuber an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. So freut sich der Heiller-Schüler über die Tatsache, dass ein Werk seines Lehrers gesungen wurde.
Als Dankgesang sangen die mitfeiernde Gemeinde sowie der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz das Gottesloblied „Im Frieden dein, o Herre mein“ (GL 216), die zweite Strophe wurde als Chorstrophe in einem Satz von Martin Bambauer musiziert.
Geborgen im Segen Gottes – die Entlassung
Domkurat Josef Keplinger wünschte vor dem Schlusssegen den Mitfeiernden vor Ort und an den an der Radioübertragung Teilnehmenden einen guten Sonntag sowie ein gutes Hineingehen in die neue Woche: „Bergen wir unser Leben im Segen Gottes.“ Nach dem Schlusssegen improvisierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber eine Fantasie, in die Motive von „Herr, nimm auch uns zum Tabor mit“ eingewebt waren.
Im Anschluss an den Gottesdienst standen Domkurat Josef Keplinger sowie Diakon Peter Schwarzenbacher eine Stunde lang für telefonische Anfragen zu Verfügung.
Stefanie Petelin