Nachruf: Heinrich Reknagel
„Nichts ist gewisser als der Tod – nichts ist ungewisser als seine Stunde.“
(„Mors certa, hora incerta.“)
Was Anselm von Canterbury bereits im elften Jahrhundert wusste, traf uns vor wenigen Tagen wie der Blitz. Es ist schwer, Worte zu finden, wenn sich ein Mensch, der uns auf unserem Lebensweg begleitet hat, für immer verabschiedet – viel zu früh, vollkommen unerwartet. Doch keiner wird gefragt, wann es ihm recht ist, Abschied zu nehmen. Wir alle müssen darum nun das Unfassbare erfassen, das Unbegreifliche begreifen.
Uns alle hat die fürchterliche Nachricht vom plötzlichen Tod unseres Lehrers Heinrich Reknagel – von allen liebevoll Heinz genannt – tief getroffen und in sprachlose Trauer versetzt. Seit dem Studienjahr 1994/1995 unterrichtete er bei uns am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz Orgel, Tonsatz und Partiturspiel – mit großer Leidenschaft und außergewöhnlichem Engagement.
Sein erklärtes Ziel war es, so sagte er selbst, den „engagierten und motivierten Studierenden“ seine Erfahrungen weiterzugeben – dies tat Heinz Reknagel mit seinen ganz besonderen pädagogischen Fähigkeiten und mit seiner ihm eigenen Liebenswürdigkeit. Besonders wichtig war ihm dabei stets, Begeisterung und Interesse für alle Richtungen von Musik von Kirchenmusik bis Oper, von Klassik bis Jazz zu wecken – und das ist ihm, der sein Leben der Musik verschrieben hatte, in all den Jahren auf beeindruckende Weise gelungen.
Neben dem Klavier galt seine größte Leidenschaft vermutlich der Orgel. Und diese Liebe reicht weit zurück, denn schon als Kind hatte er in seinem Heimatort Baumgartenberg Orgelunterricht beim Stiftsorganisten Josef Schweiger. Und dieser Organist, der noch mit mehr als sechzig Jahren täglich seine Orgeldienste versah, hat ihn geprägt: mit seinem unermüdlichen Einsatz im Dienst der Liturgie und mit seinem handwerklichen Geschick, wenn die mehrere hundert Jahre alte Orgel sich wieder einmal verweigerte.
Ein Kindheitserlebnis, von dem Heinz Reknagel öfters erzählte, macht auch seine ganz besondere Beziehung zu den Orgeln im Linzer Mariendom deutlich: Als er 1968 den Aufbau der Rudigierorgel beobachtete, bemerkte ein Mesner sein Interesse und nahm ihn auf die Baustelle auf der Empore mit, wo sich der Neunjährige dachte: „Da möchte ich auch einmal spielen...“. Darauf musste er gar nicht allzu lange warten. Denn bereits ab den 1980er-Jahren war er immer wieder bei Gottesdiensten und Konzerten im Linzer Mariendom zu hören. Mit seinem Spiel begeisterte er bis zuletzt die Menschen und gestaltete die Liturgie auf wunderbare Weise mit.
Voller Kraft, Elan und Leidenschaft und doch gelassen, zurückhaltend und bescheiden – so könnte man Heinz Reknagel vielleicht beschreiben. Sehr geschätzt wurde er für seine Menschlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Einfühlsamkeit, seine Fähigkeit, gut hin- und zuzuhören, seine Gabe, zu motivieren, seine ausgleichende Art, seine Loyalität und natürlich für seinen ganz eigenen Humor und Sprachwitz, der so viele Mitmenschen oft zum Lachen gebracht und ihr Herz mit Frohsinn erfüllt hat.
In den langen Jahren seines Wirkens war Heinz Reknagel vielen nicht nur Kollege und Lehrer, sondern Begleiter und Freund. Mit ihm verlieren wir einen Menschen, der noch so viel vorhatte, der seinen Studierenden noch in etlichen Unterrichtsstunden sein Wissen weitergeben wollte, der die Menschen noch in zahlreichen Gottesdiensten und Konzerten mit seiner Orgelmusik berühren wollte, der noch viele Orgelreisen, bei denen er stets ins Schwärmen geriet, machen wollte.
Heinz Reknagel hinterlässt eine riesige Lücke: als Musiker, Pädagoge und Kollege, als Freund, Wegbegleiter und Mensch. Wir vermissen ihn schon jetzt schmerzlich und können uns das Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz ohne ihn nur sehr schwer vorstellen, doch wir fühlen uns durch die Worte Dietrich Bonhoeffers getröstet, wenn dieser schreibt: „Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch garnicht versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.“
Es war und ist für uns alle ein Glück und eine Freude, mit ihm ein Stück des Weges gegangen zu sein. Die Spuren, die er in unser aller Leben hinterlassen hat, werden nicht verwehen. Wir müssen nun jedoch lernen, diesen Tod nicht nur hin-, sondern auch anzunehmen. Das beansprucht Raum und Zeit. Wünschen wir uns und allen, die zurückbleiben und um ihn trauern, dass die Traurigkeit irgendwann auf den Flügeln der Zeit davonfliegen möge und wir mit einem Lächeln an das vergangene Schöne mit ihm denken können.
Das Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz
mit seinem Kollegium und seinen Studierenden
Lebenslauf
Heinrich Reknagel wurde am 18. August 1959 in Linz geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Baumgartenberg, wo er auch seinen ersten Orgelunterricht bei Stiftsorganist Josef Schweiger erhielt, und der Hauptschule in Perg besuchte Reknagel ab 1973 das Bundes-Oberstufenrealgymnasium in Perg, wo er 1978 maturierte. Von 1980 bis 1983 machte er die Hauptschullehrer-Ausbildung an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Linz, wo er 1983 die Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik und Musikerziehung ablegte. Ab 1984 war Reknagel zunächst als Hauptschullehrer in Ulrichsberg tätig – es folgten Anstellungen in Frankenmarkt und Linz.
Parallel dazu studierte Reknagel Orgel und Cembalo bei August Humer und Brett Leighton am früheren Bruckner-Konservatorium des Landes Oberösterreich sowie bei Heiner Kühner an der Universität Mozarteum Salzburg. Sein Studium der Instrumentalpädagogik im Fach Orgel mit dem Schwerpunkt Kirchenmusik schloss er 1995 mit Auszeichnung ab.
Ab 1992 war Heinrich Reknagel in der Orgelkommission der Diözese Linz tätig. Bis 1994 betätigte er sich zudem als Mitarbeiter im Orgelreferat. Mehrere Orgelprojekte hat Reknagel im Zuge dessen begleitet, u.a. die Restaurierung der Orgel in der Stiftskirche Baumgartenberg oder den Orgelneubau in der Pfarrkirche Alberndorf.
Ab September 1994 war Heinrich Reknagel als Lehrbeauftragter für Orgel, Tonsatz und Partiturspiel am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz beschäftigt. Weiter zurück reicht seine Tätigkeit als Organist im Linzer Mariendom – bereits seit den 1980er-Jahren war Reknagel immer wieder bei Gottesdiensten und Konzerten zu hören. Zuletzt betätigte sich Heinrich Reknagel als Korrepetitor für die Linzer Dommusik und als zweiter Organist am Linzer Mariendom. Gemeinsam mit Domorganist Wolfgang Kreuzhuber, mit dem ihn eine besondere musikalische Beziehung verband, spielte Reknagel immer wieder Gottesdienste und Konzerte für zwei Orgeln.
Heinrich Reknagel starb am 20. Januar 2018 völlig unerwartet in seiner Linzer Wohnung.
Gedenken
Das Gebet (Totenwache) für Heinrich Reknagel findet am 5. Februar 2018 um 19.00 Uhr in der Stiftskirche Baumgartenberg statt.
Für Heinrich Reknagel wird am 7. Februar 2018 um 18.15 Uhr im Linzer Mariendom ein Gedenkgottesdienst gefeiert, der von Collegium Vocale Linz, Domchor Linz (Leitung: Domkapellmeister Josef Habringer), dem Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz (Leitung: Andreas Peterl) sowie Michaela Aigner (Orgel) und Domorganist Wolfgang Kreuzhuber (Orgel) musikalisch gestaltet wird.
Auf Wunsch der Angehörigen des Verstorbenen findet die Beisetzung im engsten Familienkreis in Baumgartenberg statt.