musica sacra: „Magnificat”
Am zweiten Adventssonntag 2017 – zwei Tage nach dem Marienfest Mariä Empfängnis – brachte Wolfgang Kreuzhuber mit den Solistinnen Martina Daxböck, Simone Weigl und Martha Hirschmann, den Solisten Markus Miesenberger und Günter Haumer, dem Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz sowie dem Barockensemble Linz mit Konzertmeisterin Petra Samhaber-Eckhardt herrliche Barockmusik von – zum Teil – in Vergessenheit geratenen Komponisten zur Aufführung. Die Programmkonzeption bewegte sich dabei vom Psalmtext des ersten Advents („Machet die Thore weit“) über den Lobgesang Mariens („Magnificat“) hin zur Frohbotschaft von Weihnachten („Uns ist ein Kind geboren“).
Flors ideenreiche Expressivität: Markante Themen und musikalische Textausdeutung
Eröffnet wurde der Konzertnachmittag daher mit Christian Flors „Machet die Thore weit“, das den sogenannten „Organistenmusiken“ zuzurechnen ist. Mit dieser Kunstform präsentierten sich insbesondere die norddeutschen Organisten als kunstfertige Komponisten. Vertont wurde in diesem Psalmkonzert zum ersten Advent der Text von Psalm 24,7-10.
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Dem Psalmtext entsprechend brachten der Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz sowie das Barockensemble Linz fünf Abschnitte, die von markanten Themen bestimmt und durch expressive Ausdeutung des Textes mit musikalischen Mitteln gekennzeichnet sind, zu Gehör.
Nach dem einleitenden Chor „Machet die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe“ wurde das Frage-Antwort-Schema „Wer ist derselbige König der Ehren? Es ist der Herr, stark und mächtig.“ zwei Mal auf unterschiedliche Weise durchgeführt, bevor die ideenreiche Doppelfuge „Sela“ die österreichische Erstaufführung von Flors Konzert beschloss.
Kuhnaus impulsive Vielseitigkeit: Prächtige Vokalkomposition
Die oberösterreichische (und vermutlich sogar österreichische) Erstaufführung einer der prächtigsten Vokalkompositionen des Leipziger Thomaskantors Johann Kuhnau bildete schließlich den Höhepunkt des Konzertnachmittags. Unverständlich, dass der Universalgelehrte aus dem Erzgebirge in späterer Zeit in das Eck eines rückwärtsgewandten Künstlers gestellt und so dem Vergessen preisgegeben wurde – und das, obwohl er als Gelehrter, Musiker, Komponist und Dirigent seinesgleichen sucht, wie zahlreiche zeitgenössische Dokumente beweisen… und natürlich auch die Aufführung des festlichen „Magnificat“ in der Linzer Minoritenkirche.
Kuhnaus in Kantatenform gestaltetes, fünfstimmiges „Magnificat“ in C-Dur – bestehend aus fünf Chören, fünf Arien und zwei Duetten – legt ein Zeugnis der großen Vielseitigkeit seiner Tonsprache ab: die einzelnen Sätze werden mit ihren unterschiedlichen Charakteren von fröhlich-beschwingt, fließend-arios, dramatisch-theatralisch bis hin zu lyrisch-andächtig musikalisch nachgezeichnet.
Auf den mächtigen Eingangschor „Magnificat anima mea“ in der Vollbesetzung mit den Solisten Martina Daxböck (Sopran1), Simone Weigl (Sopran 2), Martha Hirschmann (Alt), Markus Miesenberger (Tenor), Günter Haumer (Bass), dem Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz sowie dem Barockensemble Linz folgte die luftig-leichte Sopran-Arie „Et exsultavit spiritus meus“ von Martina Daxböck, an die Alt-Solistin Martha Hirschmann mit ihrer lyrischen Arie „Quia respexit humilitatem“ anknüpfte. Die fein gezeichnete Arie „Et misericordia eius“ von Tenor Markus Miesenberger war schließlich von den beiden mächtigen Chören „Quia fecit mihi magna“ und „Fecit potentiam“ eingerahmt, bevor Martina Daxböck (Sopran) und Günter Haumer (Bass) einander im „Deposuit potentes“ die musikalischen Bälle zuwarfen. Unmittelbar daran schloss das Duett „Esurientes implevit bonis“ von Martina Daxböck (Sopran) und Martha Hirschmann (Alt) an. Die Tenor-Arie „Suscepit Israel“ (Markus Miesenberger) und der daran anschließende Chor „Sicut locutus est“ führten auf das „Gloria Patri“ von Bass Günter Haumer sowie das Finale „Sicut erat in principio“ mit allen Beteiligten hin.
Johann Kuhnaus Vertonung des Magnificat aus dem Lukasevangelium (Lk 1,46-55) – durch die prächtig-festliche Instrumentalbesetzung mit Trompeten, Pauken, Oboen, Streichern und Basso continuo sowie die Arien spätbarocken Gepräges vermutlich für die Aufführung an einem der drei Marienfeste oder Weihnachten in einer der Leipziger Hauptkirchen entstanden – weist damit sowohl in der Besetzung als auch in Anlage und Form bereits auf das bekanntere, später entstandene Magnificat seines Amtsnachfolgers Johann Sebastian Bach hin.
Telemannsche innige Leichtigkeit: Kammermusikalische Virtuosität
Anschließend interpretierten Veronika Traxler (Blockflöte), Domenika Thanner (Oboe), Petra Samhaber-Eckhardt (Violine), Claire Pottinger-Schmidt (Cello) und Heinrich Reknagel (Orgel) Georg Philipp Telemanns „Concerto a 4“ in a-Moll, in dem Altblockflöte, Oboe, Violine und Basso continuo gemeinsam als Tutti fungierten, während sie im Inneren der Sätzen Adagio – Allegro – Adagio – Andante – Vivace einzeln als virtuose Solostimmen agierten.
Das vermutlich zwischen 1712 und 1721 in Frankfurt am Main entstandene gleichermaßen kammermusikalische wie virtuose Werk schrieb Telemann vermutlich Johann Michael Böhm, dem virtuosen Flötisten und Oboisten am Darmstädter Hof, auf den Leib – diese für ihn komponierten Stücke zählen zum Schönsten, aber auch Schwersten, was man in dieser Epoche für die Blockflöte schreiben konnte. Das kleine a-Moll-Konzert musizierten die fünf Ausführenden im Adventkonzert mit einer unbeschreiblichen Leichtigkeit und Virtuosität und leiteten mit dieser freudvollen Musik zum weihnachtlichen Teil des Konzerts über.
Homilius‘ intensive Weihnachtsfreude: Symmetrische Form und zentrale Sopran-Da-capo-Arie
Die vermutlich im November 1765 vollendete Kantate zum Weihnachtsfest „Uns ist ein Kind geboren“ von Gottfried August Homilius erzählt von der Erfüllung der Prophezeiung in der Geburt Christi.
Symmetrisch zeigte sich dabei die Form der Komposition: An den prächtigen Eingangschor („Uns ist ein Kind geboren“), der auf einer der bekanntesten alttestamentarischen Ankündigungen Christi aus dem Buch Jesaja (Jes 9,5) fußt, schloss das Tenor-Rezitativ „Nun ist die Zeit erfüllet“ (Markus Miesenberger) an, in dem von den verschiedenen Prophezeiungen berichtet und auf deren Erfüllung verwiesen wird. Sopran-Solistin Martina Daxböck interpretierte dann die zentrale Da-capo-Arie „Wie herrlich lenkt, o Herr der Zeiten“ mit einem von virtuosen Passagen über das Wort „herrlich“ bestimmten A-Teil und einem ganz schlichten, lyrischen B-Teil. An diesen Blick auf die Wundermacht Gottes knüpfte das daran anschließende Rezitativ von Bass Günter Haumer an: „Ja, selbst die ewigen Gesetze der Natur sind deiner Weisheit untertan“. Am Ende erklang der Schlusschor („Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis“), der einem Abschnitt aus dem Timotheus-Brief über das Geheimnis des Glaubens (1 Tim 3,16) folgt: Homophon beginnend entwickelte sich ab den Worten „Gott ist offenbaret im Fleisch“ ein Fugato, das in ein Finale mit prachtvollen Tutti-Akkorden mündete. Auf die intensive Stille nach dem mächtigen Schluss ertönte begeisterter Applaus.
„Entdeckungsreise in Sachen Weihnachtsmusik und Barockmusik“ – ein „beglückendes Adventkonzert“
Kritiker Balduin Sulzer hob in seiner Kritik (Krone, 12. Dezember 2017) unter dem Titel „Beglückendes Adventkonzert“ die „impulsive Fröhlichkeit“ des „in Tempo-, Dynamik- und Affektgestaltung durchwegs überzeugenden Adventkonzerts“ hervor. Er lobte außerdem die „namentlich in den Männerstimmen brillant besetzten Vokalsolisten“. „Beglückend anzuhören“ waren für ihn die barocken Kompositionen von Flor, Kuhnau, Telemann und Homilius. Darum das Resümee: „Der Dirigent Wolfgang Kreuzhuber und sein Team wussten sich fabelhaft in Szene zu setzen und ernteten tosenden Applaus.“
Auch Kritiker Michael Wruss zeigte sich in seiner Kritik (Oberösterreichische Nachrichten, 12. Dezember 2017) von der „spannenden Entdeckungsreise in Sachen Weihnachten und Barockmusik“ begeistert und vergab fünf Sterne an Wolfgang Kreuzhuber, den Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz und das Barockensemble Linz, die es „in der Vorweihnachtszeit zur guten Tradition haben werden lassen, unbekannte Barockmusik [...] vorzustellen“. Die Spur der an diesem Abend aufgeführten Komponisten mit früher bedeutenden Positionen wie Kuhnau als Thomaskantor in Leipzig oder Homilius als Kreuzkantor in Leipzig habe sich im Lauf der Zeit verloren, sodass diese „gerade einmal in Lexika [...] aufscheinen“ und „nur selten zum klingenden Leben erweckt werden“, so der Kritiker. Der „fein musizierte Abend“ zeigte, dass es sich „dabei um Musik handelt, die sich lohnt gehört zu werden“, resümierte Wruss. Kuhnaus „Magnificat“ schwelgt für ihn dabei wie auch Bachs bekanntes Werk in „hochbarocker Klangpracht“ – „gekonnt dabei nicht nur der Chor des Diözesankonservatoriums, sondern auch die Solisten“. „Besonders beeindruckend“ war für Wruss die Sopran-Solistin Martina Daxböck mit der „hochvirtuosen Arie“ in Homilius‘ Kantate „Uns ist ein Kind geboren“.
(sp)