Laetare Ierusalem
„Quinque vocum, tum viva voce, tum omnis generis instrumentis cantatu commodissimae.
(„... bald mit frischer Stimme, bald mit Instrumenten von jeder Art sehr bequem zu singen.“)“
(Andrea Gabrieli über die Ausführung der „Sacræ Cantiones“, 1565)
Er zählt zu den prägendsten Musikergestalten des späten 16. Jahrhunderts und war wohl der erste italienische Komponist von internationalem Rang: Andrea Gabrieli. Über das Leben des um 1532/1533 geborenen Organisten ist sonst jedoch wenig bekannt. Gabrieli ist auf jeden Fall ein Zeitgenosse Orlando di Lassos – mit diesem verband ihn nämlich nachweislich eine lebenslange Freundschaft. Di Lasso und Gabrieli tauchen in den Listen des Quartiermeisters Albrechts V. von Bayern im Oktober 1562 auf, als der Herzog mit einem Tross zur Krönung von Maximiian II. zum römisch-deutschen König nach Frankfurt am Main reiste. Albrecht V. von Bayern ist auch Gabrielis erste Motettensammlung „Sacræ Cantiones“ gewidmet, die 1565 erstmals im Druck erschien. Dies lässt die Vermutung zu, dass er sich mit diesen Kompositionen um eine Position in der Münchener Hofkapelle an der Seite von Orlando di Lasso bewerben wollte.
1566 wurde Gabrieli schließlich erster Organist an San Marco in Venedig – eine Position, die er bis zu seinem Tod am 30. August 1585 innehatte. In Venedig boten sich Gabrieli mit einer wachsenden Anzahl fest angestellter Instrumentalisten, Gioseffo Zarlino als Kapellmeister und Claudio Merulo als zweitem Organisten fantastische Arbeitsbedingungen und ermöglichten Gabrieli die Entwicklung der venezianischen Mehrchörigkeit, die später von Gabrielis Neffen Giovanni zur Vollendung geführt wurde. Gabrieli wirkte auch prägend als Lehrer einer ganzen Generation von Musikern – unter seinen Schülern waren Gregor Aichinger, Giovanni Gabrieli, Hans Leo Hassler und möglicherweise auch Leonhard Lechner.
Gabrielis frühe Kompositionen wie die „Sacræ Cantiones“ weisen eine deutliche stilistische Beeinflussung durch Orlando di Lasso auf. Möglicherweise lieferten sich die beiden Komponisten auch einen musikalischen Wettstreit, hatte doch Orlando di Lasso bereits 1563 in München und Venedig einen Motettendruck mit demselben Titel und demselben Widmungsträger publiziert.
„Laetare Ierusalem“ – das sind die ersten Worte des Introitus der römisch-katholischen Liturgie am vierten Fastensonntag (Jes 66,10–11). Nach ihnen ist der Fastensonntag benannt, der mit seinem fröhlicheren und tröstlichen Charakter das Pendant zum „Gaudete“-Sonntag im Advent bildet und die Freude des kommenden Hochfestes vorwegnimmt. Gabrielis Vertonung des Textes ist dabei zukunftsweisend und nimmt bereits die Tonsprache von Hans Leo Hassler oder Melchior Franck vorweg.
Text der Motette (Jes 66,10–11) |
Laetare Ierusalem: et conventum facite omnes qui diligitis eam: gaudete cum laetitia, qui in tristitia fuistis: ut exsultetis, et satiemini ab uberibus consolationis vestrae. |
Deutsche Übersetzung der Motette (Jes 66,10–11) |
Freue dich, Jerusalem! Kommt zusammen, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich, freut euch, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung. |
Quellenangabe:
Rombach, Wilfried (2016): Andrea Gabrieli: Sacræ Cantiones (1565). In: Ensemble Officium (2016): Andrea Gabrieli. Sacræ Cantiones. Music at San Marco (CD). Heidelberg: note 1 music gmbh.