Trostlosigkeit und Verlassenheit
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – das sind Jesu letzte Worte am Kreuz, wie sie im Markus- und Matthäus-Evangelium überliefert sind. In Erwartung seines Todes ist Jesus nun wirklich ganz allein und fühlt sich sogar von dem verlassen, der ihm das Leben geschenkt hat, der ihn auf seinem Weg begleitet hat, der immer für ihn da war. Nun schreit und betet er in seinem Leid voll Sehnsucht zu seinem Vater. Doch er bleibt ohne Antwort und kann nur versuchen, seine Ohnmacht und Hilflosigkeit auszuhalten und zu ertragen. Mit seinen Worten holt Jesus nun Gott an diesen Ort, der gottlos scheint.
In dieser angst- und qualvollen Situation verschlägt es Jesus förmlich die Sprache. Er findet keine eigenen Worte, seine Worte sind nur geliehen. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – mit dem klagenden Gebet aus Psalm 22 brachten schon viele Generationen vor Jesus ihr Leid und ihre Verzweiflung – durch Depression, Krankheit, Verfolgung oder Verwundung – zum Ausdruck. In der absoluten Einsamkeit des Kreuzes spricht nun auch Jesus diese Worte und begibt sich damit in die Gemeinschaft seiner Vorfahren, die versuchten, mit diesen Worten ihre Verlassenheit zu ertragen.
Immer wieder begegnen auch uns Einsamkeit, Isolation und das Gefühl des Verlassenseins. Jeder und jede von uns kennt das Gefühl, verlassen und allein zu sein. Fühlen, denken oder sprechen nicht auch wir manchmal die Worte Jesu? Vielleicht in anderen Ausprägungen: Niemand steht mir bei. Niemand hört mir zu. Niemand nimmt Anteil an meinem Leben. Niemand besucht mich. Niemand betet für mich. Niemand hilft mir. Niemand versteht mich. Niemand kümmert sich um mich. Niemand ist für mich da.
Solange diese Eindrücke über uns Macht haben – ob berechtigt oder unberechtigt – fühlen wir uns von der Umwelt, vom Leben abgeschnitten. Bei längerer Betrachtung fallen uns oft dann aber vielleicht doch noch Menschen ein, die für uns da sind … und selbst wenn wir wirklich gerade einmal niemandes Anwesenheit spüren, können wir uns an eine andere Zusage aus dem Buch der Psalmen klammern:
„Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.“
(Ps 23, 4)
Stefanie Petelin | 30.03.2019