Sehnsucht und Bedürfnis
Das fünfte der sieben letzten Worte am Kreuz ist vermutlich das schlichteste – und gleichzeitig vielleicht das überraschendste: Denn der Evangelist Johannes zeichnet das Bild eines am Kreuz sterbenden Jesus, der quälenden, unsäglichen Durst leidet und um einen Schluck Wasser fleht. Er – der Sohn Gottes – zeigt in dieser Situation körperliche Not. Damit kommt er uns sehr nahe – denn am Kreuz hängt offenbar kein unangreifbarer, kein vor Leid gefeiter Sohn Gottes, sondern ein Mensch, der den unfassbaren Schmerzen seines Körpers ausgeliefert ist – wie viele kranke und sterbende Menschen aller Länder und Zeiten.
Doch es ist sicher nicht allein körperlicher Durst, den Jesus am Kreuz leidet – auch seelisch und spirituell muss Jesus unendlichen Durst verspürt haben:
Durst nach Leben.
Durst nach Gemeinschaft.
Durst nach Geborgenheit.
Durst nach Wertschätzung.
Durst nach Wahrheit.
Der notleidende Jesus lechzt in diesen einsamen letzten Stunden nicht nur nach dem Wasser, das seine körperlichen Qualen mindert, er dürstet nach der Quelle, dem Wasser des Lebens, das er im Johannes-Evangelium selbst der Samariterin am Brunnen zusagte:
„Wer aber von dem Wasser trinkt,
das ich ihm geben werde,
wird niemals mehr Durst haben;
vielmehr wird das Wasser,
das ich ihm gebe,
in ihm zu einer Quelle werden,
deren Wasser ins ewige Leben fließt.“
(Joh 4,14)
Stefanie Petelin | 06.04.2019