Johann Ludwig Bach: Die mit Tränen säen, JLB 8
Der Komponist
Johann Ludwig Bach wurde am 4. Februar 1677 in Thal bei Eisenach als Sohn des Organisten und Kantors Jacob Bach (1655–1718) und seiner Frau Anna Martha Bach (geb. Schneider) geboren und am 6. Februar 1677 getauft. Wie sein acht Jahre jüngerer Cousin dritten Grades Johann Sebastian Bach (1685–1750) – beider Ururgroßvater war Veit Bach, der älteste gesicherte Vorfahre der Musikerfamilie Bach – wuchs der kleine Johann Ludwig in einem musikalischen Haus auf und erhielt die erste musikalische Ausbildung bei seinem Vater.
Von 1688 bis 1693 besuchte Johann Ludwig Bach die Lateinschule in Gotha, an der unter anderem Johann Pachelbel unterrichtete. Im Anschluss an seine Zeit als Studiosus war Bach ab 1699 als „Hoboist und Laquay“ am Meininger Hof tätig. Nach einem kurzen Intermezzo als Lehrer und Kantor an der Kirche in Salzungen übernahm er im Mai 1703 das Amt eines Pageninformators und Hofkantors. Bis zur Abschaffung des Amtes im Jahr 1711 war er nicht nur für den Unterricht der Pagen in Schreiben, Rechnen, Religion, Geschichte und höfischer Etikette, sondern auch für die Führung der Kirchenbücher, die Gestaltung von Betstunden und die Intonierung des Chorals bei den Sonntagsgottesdiensten verantwortlich. Seine musikalischen Fähigkeiten dürften bis dahin nur bedingt zur Entfaltung gekommen sein.
Ende Oktober 1706 bewarb sich Johann Ludwig Bach vergeblich um die Nachfolge von Andreas Christian Dedekind (1637–1706) als Kantor an der Georgenkirche in Eisenach. 1709 wurde er „Capell Inspector“ der Meininger Hofkapelle – ihm oblag die Verwaltung der Instrumente des Meininger Hofs. 1711 wurde Johann Ludwig Bach schließlich in Nachfolge von Georg Caspar Schürmann (1672/1673–1751) von Herzog Ernst Ludwig I. zum Hofkapellmeister der Meininger Hofkapelle ernannt – ein Amt, in dem ihm Aufgaben wie die Verwaltung der Instrumente sowie die Komposition weltlicher Werke, u.a. für die Gestaltung von Festen in Meinungen und Coburg, übertragen waren und das er bis zu seinem Tod im April 1731 innehatte. Er begründete in diesem Amt die Tradition von Konzertreisen der Meininger Hofkapelle, die später von Musikdirektoren wie Hans von Bülow oder Max Reger fortgesetzt wurde. Das genaue Sterbedatum Johann Ludwig Bachs ist nicht überliefert, begraben wurde der „Meininger Bach“ am 1. Mai 1731 im südthüringischen Meiningen.
Johann Ludwig Bach war drei Mal verheiratet. Seine erste Frau Dorothea starb Ende November oder Anfang Dezember 1697 – ein knappes Jahr später, am 1. November 1698, heiratete der Komponist Katharina Marger-Ziegler. Die drei aus der Ehe stammenden Kinder – zwei Töchter (Johanna Maria +1700, N.N. +1703) und ein Sohn (Johann Jakob +1701) – starben bereits kurz nach ihrer Geburt. Ein drittes Mal heiratete Bach im November 1711 – aus der Ehe mit der Schlossbaumeistertochter (Susanna) Maria Johanna Rust stammen die Kinder Samuel Anton Jacob (1713–1781), Gottlieb Friedrich (1714–1785), Friederica Dorothea Jacobina (1715–1719), Ernestine Elisabeth Antonia (1719–1720) und Friederica Wilhelmina (1721–1798). Die zwei Söhne waren als Organisten und Pastellmaler in Meiningen tätig. Der jüngere Sohn porträtierte u.a. seinen Vater und Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788). Möglicherweise porträtierte er in den 1740er-Jahren auch Johann Sebastian Bach. Mal- und Zeichentalent zeichnete im Übrigen alle Bäche der Meininger Linie aus.
Von Johann Ludwig Bachs geistlichem und weltlichem Werk ist leider nur ein Bruchteil erhalten. Darum liegt auch kein systematisches Werkverzeichnis vor – die im Projekt „Bach digital“ verzeichneten 39 bekannten Werke werden bislang nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung nummeriert. Neben elf Motetten für großteils zwei vierstimmige Chöre und Basso continuo, dreiundzwanzig geistlichen Kantaten, einer Trauermusik auf Herzog Ernst Ludwig I. von Sachsen-Coburg-Meiningen und einer Messkomposition sind darin eine weltliche Kantate, zwei Instrumentalwerke (Ouvertüre à 4 in G-Dur, 1715 und Concerto für zwei Violinen und Streicher in D-Dur, o.A.) verzeichnet.
Der Erhalt der geistlichen Kantaten und der Messkomposition ist vor allem Johann Sebastian Bachs Verdienst. Denn es ist belegt, dass Johann Sebastian Bach seinen Verwandten sehr schätzte und zwischen Februar und September 1726 achtzehn Kantaten Johann Ludwig Bachs in Leipzig aufführte.
Das Werk
Johann Ludwig Bachs Musik steht ganz in der mitteldeutschen Kompositionstradition des 17. Jahrhunderts. Von den qualitätsvoll und sorgfältig komponierten Werken des „Meininger Bachs´“ zeigten sich sowohl sein etwas jüngerer Cousin dritten Grades, Johann Sebastian Bach als auch dessen Sohn Carl Philipp Emanuel begeistert.
Entstehung der Kantate
Die genaue Entstehungszeit von Johann Ludwig Bachs Kantate „Die mit Tränen säen“, JLB 8, ist unklar – der Zeitpunkt ihrer Komposition lässt sich durch zwei Hinweise jedoch zwischen 1711 und 1726 eingrenzen.
Da der von einem unbekannten Textdichter stammende Kantatentext, der Bibelvers, freie Lyrik und protestantische Kirchenlieddichtung zu einer charakteristischen Abfolge von Chören, Arien und Rezitativen verbindet, Erdmann Neumeisters dritten Jahrgang der Kantatentexte aus dem Jahr 1711 als Vorbild nimmt, kann das Werk nicht vor 1711 entstanden sein.
Die Kantate muss außerdem auf jeden Fall vor 1726 komponiert worden sein, denn in diesem Jahr führte Johann Sebastian Bach eine größere Anzahl von Kirchenkantaten seines von ihm sehr geschätzten Meininger Verwandten auf und stellte zu diesem Zweck Partiturabschriften und Stimmensätze her. Komponiert ist die Kantate ursprünglich für den Sonntag Jubilate (dritter Sonntag nach Ostern) – die erste historisch belegte Aufführung von „Die mit Tränen säen“ fand auch am Sonntag Jubilate des Jahres 1726 (12. Mai 1726) in Leipzig durch Johann Sebastian Bach statt.
Die von Johann Sebastian Bach in Auftrag gegebene Partiturabschrift befindet sich im Bestand der Musikabteilung der deutschen Staatsbibliothek Berlin, der Stimmensatz wird in der Musikabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin verwahrt. Im November 1980 entdeckte man im Stadtarchiv Frankfurt am Main außerdem Partiturfragmente zu fünf Kantaten von Johann Ludwig Bach, unter anderem von „Die mit Tränen säen“. Die Erstüberlieferung aus dem Nachlass Bachs neigt im Vergleich zur fragmentarischen Zweitüberlieferung aus Frankfurt am Main zu Kürzungen einzelner Sätze. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass die Quelle im Frankfurter Stadtarchiv die Kantate in ihrer originalen Gestalt überliefert.
Aufbau der Kantate
Die Kantate „Die mit Tränen säen“ besteht aus sieben Sätzen. Die in den Kantatentext einbezogenen Texte stammen zum einen aus der Bibel (Ps 126,5–6 bei Nr. 1 sowie Röm 8,18 bei Nr. 4), zum anderen aus dem Kirchenlied „Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn“ aus der Feder des Tirolers Georg Grünwald (um 1490–1530).
Text der Kantate
1. Chorus (Sopran, Tenor, Chor) |
Chor:
Sopran und Tenor:
Chor: |
2. Recitativo (Alt) |
Bei unverdroßnem Schweiß kann edler Samen nur die reifen Früchte bringen; ja, er muß erst durch die Verwesung dringen, eh er dem sauren Wunsch gibt den gesuchten Preis. Die Saat muß mühsam sein, soll gute Ernte uns erfreuen. Es flößt die Fruchtbarkeit nie reichern Segen ein, als wenn die Körner sich nur mit Bemühung streuen. So bringt der Geist auch nie dem Herzen süße Frucht, als wenn er sie zuerst mit Schmerzen-Arbeit sucht. |
3. Aria (Alt) |
Tau und Tränen feuchten Saat und Herzen an, deren ohne Grab und Sehnen keines Früchte tragen kann. |
4. Duetto (Tenor und Bass) |
Denn ich halte es dafür, |
5. Aria (Sopran) |
Dringt, ihr Qualen auf mich her, tobe immer, Kreuz und Leiden! Wäret ihr gleich noch so schwer, ich will euch doch nimmer meiden; denn der Schmerze kurzer Zeit wirkt nur größre Seligkeit. |
6. Recitativo (Sopran) |
Es kann die Seel kein besser Glück genießen. Der Weg ist eng und schmal, der zu dem Leben führt; doch pflegt sein rauher Pfad gar lieblich sich zu schließen, sobald nur die Geduld des Himmels Stufen rührt. O angenehmer Tausch, o Lohn, dem nichts zu gleichen, da kurze Traurigkeit ein ewig Wohlsein bringt und aus dem Tränensaal bis zu den Sternen dringt! |
7. Chorus (Chor) |
O angenehmer Tausch, o Lohn, dem nichts zu gleichen,
1. Ist euch das Kreuz bitter und schwer,
2. Ihr aber werdt nach dieser Zeit
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Quellenangaben:
Bach digital (2019): Bach, Johann Ludwig. URL: https://www.bach-digital.de/receive/BachDigitalPerson_viaf_00001205 [Stand: 03/2019]
Bergmann, Hans (1985): Vorwort zur 2. Auflage. In: Hornung, Hans / Schneider, Martin Gotthard (Hrsg.) (1992): Johann Ludwig Bach: Die mit Tränen säen. Stuttgart: Carus Verlag. S. 7–11.
Goltz, Maren (2012): Musiker-Lexikon des Herzogtums Sachsen-Meiningen (1680–1918). 3. erweiterte Version. Meiningen: Digitale Bibliothek Thüringen. S. 23f.
Hornung, Hans / Schneider, Martin Gotthard (1974): Vorwort. In: Hornung, Hans / Schneider, Martin Gotthard (Hrsg.) (1992): Johann Ludwig Bach: Die mit Tränen säen. Stuttgart: Carus-Verlag. S. 2–4.
Küster, Konrad (1987): Meininger Kantatentexte um Johann Ludwig Bach. In: Schulze, Hans-Joachim / Wolff, Christoph (1987): Bach-Jahrbuch. 73. Jahrgang. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt Berlin. S. 159–164.
Küster, Konrad (1989): Die Frankfurter und Leipziger Überlieferung der Kantaten Johann Ludwig Bachs. In: Schulze, Hans-Joachim / Wolff, Christoph (1989): Bach-Jahrbuch. 75. Jahrgang. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt Berlin. S. 65–106.
Wolf, Uwe (2002): Vorwort. In: Wolf, Uwe (Hrsg.) (2002): Johann Ludwig Bach: Sämtliche Motetten. Stuttgarter Bach-Ausgaben Urtext. Carus. S. II.
Stefanie Petelin | 17.03.2019