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In Johann Sebastian Bachs Lebensgeschichte kommt der Kantate „Himmelskönig, sei willkommen“ (BWV 182) eine besondere Bedeutung zu. Sie entstand in seiner Weimarer Zeit und steht in engem Zusammenhang mit seiner Ernennung zum Hofkonzertmeister am 2. März 1714. Mit der Übernahme dieses Amtes – zusätzlich zu seiner seit 1708 ausgeübten Tätigkeit als Hoforganist und Kammermusiker – zählte die regelmäßige Komposition und Aufführung von Kantaten erstmals zu seinen Pflichten. Einmal im Monat erklangen ab diesem Zeitpunkt im Hofgottesdienst nun Kantaten aus der Feder Johann Sebastian Bachs (1685-1750). Rund 30 Kantaten dürften bis Ende 1716 entstanden sein, von denen etwa 20 erhalten sind.
Am Beginn dieser Kantatenreihe steht „Himmelkönig, sei willkommen“, die am Sonntag Palmarum, dem Palmsonntag des Jahres 1714 (25. März) in der Weimarer Schlosskapelle uraufgeführt wurde. In diesem Jahr fiel – wie auch 2018 – der Palmsonntag mit dem unbeweglichen Fest Mariae Verkündigung zusammen. Dementsprechend knüpft der Kantatentext, der vermutlich großteils aus der Feder des Weimarer Hofdichters Salomon Franck (1659-1725) stammt, teilweise an die Perikopen beider Feste an, im Zentrum steht aber der Einzug Jesu nach Jerusalem und die Aufforderung an den gläubigen Christen bzw. die gläubige Christin, dem Gottessohn aus Dankbarkeit für dessen Opfer sein bzw. ihr Herz zu widmen. Demnach wird der Einzug Jesu in Jerusalem als König mit dem Einzug Jesu in die Herzen der Gläubigen in Verbindung gebracht.
Als Basis des Kantatentextes fungiert das Evangelium des Palmsonntags (Mt 21,1-9) sowie die Lesung Phil 2,5-11 und ein Psalm (Ps 40,8-9). Auch die 33. Strophe des Kirchenliedes „Jesu Leiden, Pein und Tod“ von Paul Stockmann (1603-1636) wird in den Kantatentext integriert.
Sowohl in Weimar als auch später in Leipzig hat Bach die Kantate mehrfach aufgeführt – nicht nur, weil sich die Kantate durch die kalendarische Besonderheit des Jahres 1714 sowohl für den Palmsonntag als auch für das am 25. März gefeierte Fest Mariae Verkündigung eignete. Von der Kantate existieren daher auch mehrere Überarbeitungen.
1. Sonata |
instrumental |
2. Chor |
Himmelskönig, sei willkommen, Lass auch uns dein Zion sein! Komm herein, Du hast uns das Herz genommen. |
3. Rezitativ (Bass) |
Siehe, ich komme, im Buch ist von mir geschrieben; deinen Willen, mein Gott, tu ich gerne. |
4. Aria (Bass) |
Starkes Lieben, Das dich, großer Gottessohn, Von dem Thron Deiner Herrlichkeit getrieben, Dass du dich zum Heil der Welt Als ein Opfer fürgestellt, Dass du dich mit Blut verschrieben. |
5. Aria (Alt) |
Leget euch dem Heiland unter, Herzen, die ihr christlich seid! Tragt ein unbeflecktes Kleid Eures Glaubens ihm entgegen, Leib und Leben und Vermögen Sei dem König itzt geweiht. |
6. Aria (Tenor) |
Jesu, lass durch Wohl und Weh Mich auch mit dir ziehen! Schreit die Welt nur „Kreuzige!” So lass mich nicht fliehen, Herr, Herr, von deinem Kreuzpanier, Kron und Palmen find ich hier. |
7. Choral |
Jesu, deine Passion Ist mir lauter Freude, Deine Wunden, Kron und Hohn Meines Herzens Weide; Meine Seel auf Rosen geht, Wenn ich dran gedenke, In dem Himmel eine Stätt, Uns deswegen schenke. |
8. Chor |
So lasset uns gehen in Salem der Freuden, Begleitet den König in Lieben und Leiden, Er gehet voran Und öffnet die Bahn. |
Nach einer eröffnenden Sonata (Nr. 1) erklingt das madrigalähnliche Willkommenslied des Chores (Nr. 2), über das John Eliot Gardiner schrieb: „Selten ist Bach auf eine so frische Weise unbeschwert.“[1] Dem Rezitativ (Nr. 3), in dem der Bass Jesu Worte verkündet, folgen „drei […] im Charakter gegensätzliche Arien, in de[nen] die Leidenszeit, die Christus bevorsteht, als Quelle geistlicher Inspiration behandelt wird, vom Bass (Nr. 4) und Tenor (Nr. 6), die Christus direkt ansprechen, vom Alt (Nr. 5), der alle Christen aufruft, den Heiland in der Weise zu begrüßen, wie es im Evangelium berichtet wird […]“[2]. Die Kantate endet schließlich mit zwei Chören, wovon „der erste eine motettenähnliche Choralfantasie, die um Vulpius‘ schöne Melodie (1609) des für Palmsonntag bestimmten Liedes gebaut ist“[3], darstellt, der zweite sich als „munterer Chortanz, der auf direktem Wege einer heiteren Oper dieser Zeit hätte entnommen sein können […]“[4], präsentiert.
Anmerkungen:
[1] Gardiner, John (2006): Kantaten für Quinquagesima (Estomihi). King’s College Chapel, Cambridge. Übersetzung von Gudrun Meier.
Quellenangaben:
Gardiner, John (2006): Kantaten für Quinquagesima (Estomihi). King’s College Chapel, Cambridge. Übersetzung von Gudrun Meier.
Hofmann, Klaus (2012): Vorwort. In: Johann Sebastian Bach: Himmelskönig, sei willkommen, BWV 182. Leinfelden-Echterdingen: Carus Verlag. S. 3-5.
Foto: Glasfenster „Einzug Jesu in Jerusalem”, gestaltet von Frère Éric de Saussure, in der Versöhnungskirche in Taizé. © Hartmut Petersen (via www.4teachers.de)
(sp)