Exkursion 2018
Neben spannendem Wissen, lustigen Anekdoten, erbaulicher Musik, neugierigem Ausprobieren von Instrumenten und geselligem Beisammensein kam dabei natürlich auch das leibliche Wohl nicht zu kurz. Und all das bei prächtigem Sommerwetter.
Station 1: St. Florian
Bei der ersten Station in St. Florian begrüßten die beiden Stiftsorganisten Klaus Sonnleiter und Andreas Etlinger die Exkursionsgruppe des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz. Etlinger – gleichzeitig auch Lehrender am Konservatorium – stellte nicht nur „seine“ Bruckner-Orgel vor, sondern brachte die Exkursionsteilnehmerinnen und Exkursionsteilnehmer auch mit manchen Details und Hintergrundgeschichten zum Staunen.
Mehr Bilder aus dem Stift St. Florian gibt's in der Bildergalerie St. Florian (1)...
Ein kleiner Einblick in die Geschichte der Bruckner-Orgel in der Stiftskirche Mariä Himmelfahrt sei auch hier gewährt: Franc Xaver Krišmann (1726–1795) erhielt 1770 den Auftrag für eine Orgel für das Stift St. Florian. Bereits 1774 konnte die Orgel mit drei Manualen und Pedal sowie 74 klingenden Registern, verteilt auf 59 Registerzüge, geweiht werden. Technische Unzulänglichkeiten führten zu mehreren Umbauten – zum Teil von minderwertiger Qualität. Eine Beseitigung der massiven Orgelprobleme ermöglichte erst der Umbau durch die Salzburger Orgelbaufirma Matthäus Mauracher (1818–1884), bei dem die Orgel um ein Manual erweitert wurde. Die Orgel besaß nun 78 klingende Register, von denen 22 gänzlich neu und 30 ausschließlich mit Krišmann-Pfeifen gebaut worden waren. Bei der Weihe 1875 spielten Anton Bruckner (1824–1896) und Stiftsorganist Joseph Seiberl (1836–1877).
Anlässlich der 100. Geburtstages von Anton Bruckner 1924 rief die Brucknergesellschaft mit Max Auer an der Spitze zur Wiederherstellung der Orgel auf. 1930 erteilte man schließlich der Orgelbaufirma Gebrüder Mauracher in Linz sowie der Orgelbaufirma Dreher & Flamm in Salzburg den Auftrag für einen generellen Umbau des Instrumentes (u.a. Austausch der Schleifladen gegen Kegelladen, elektropneumatische Spieltraktur). 1932 wurde die Orgel geweiht. Ab diesem Zeitpunkt fungierte sie als „Bruckner-Orgel“ unter Einbeziehung der beiden Chororgeln als Monumentalorgel mit 92 Registern, vier Manualen und Pedal.
Während der Besetzung des Stiftes St. Florian durch das nationalsozialistische Regime sollte die Orgel aufgrund von Schwächen in der Ausführung, schlechtem Material und geringer Klangstärke erneut Umbau- und Erweiterungsarbeiten unterzogen werden. Die Orgelbaufirma Zika aus Ottensheim erhielt daher 1943 den Auftrag, die Orgel im Sinne des ehemaligen Krišmann-Instruments zu rekonstruieren. Vollendet werden konnte der Umbau jedoch erst in der Nachkriegszeit (u.a. Wiedereinbau von Schleifladen, Rekonstruktion von Krišmann-Registern, Ergänzung von Pfeifen). Seit 1951 besitzt die Orgel nun 103 Register auf vier Manualen und Pedal. Zum 100. Todestage Anton Bruckners 1996 wurde die Orgel von der Orgelbauanstalt Kögler klanglich und technisch saniert, mit einem neuen Spieltisch mit elektronischer Setzeranlage, einem Diskettenspeicherwerk und einer automatischen Abspielanlage per Magnetband versehen.
Mit der Abspielanlage ermöglichte Andreas Etlinger (nach einem Tipp von Wolfgang Kreuzhuber im Vorfeld) den Exkursionsteilnehmerinnen und Exkursionsteilnehmern ein ganz besonderes Erlebnis: Denn im Stiftsarchiv existiert bis heute eine Videokassette von Augustinus Franz Kropfreiter (1936–2003), die – ähnlich der Walze einer Drehorgel – als Steuerungselement für die Orgel fungiert. Durch die Aufnahme der elektrischen Impulse auf das Speichermedium Videokassette konnte so Kropfreiters Postludium zum Pfingstsonntag (18. Mai 1997, 10.00 Uhr) über den Hymnus „Veni creator spiritus“ direkt von der Orgel wiedergegeben werden, was Stimmbildnerin Andrea Stumbauer zu dem Ausruf verleitete: „Ich bin total geflasht!“
Erzählt wurde dazu auch eine Anekdote rund um Kropfreiter: Er sollte die Bruckner-Orgel einer Gruppe vorführen, kam allerdings zunächst nicht, sodass man eine Kassette von ihm einschob. Plötzlich kam er, hörte sich selbst spielen, setzte sich auf die Orgelbank und spielte einfach nahtlos weiter.
Nach einer Stärkung im Stiftsstüberl führte der Weg in die Gruft des Stifts, um Anton Bruckner einen „Besuch“ abzustatten und ihm mit seinem „Locus iste“, WAB 23, einen musikalischen Gruß darzubieten. Bruckner hatte vor seinem Tod 1896 testamentarisch verfügt, seinen Leichnam einzubalsamieren. So ist heute Bruckners Sarkophag in der Krypta – ziemlich genau unter der Orgel – aufgestellt. Am Sockel ist die Schlusszeile des Tedeums zu lesen „Non confudar in aeternum“ („In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden“).
Mehr Bilder aus dem Stift St. Florian gibt's in der Bildergalerie St. Florian (2)...
Aus Bruckners Leben gibt es bekanntlich viele Anekdoten. Einige davon erzählten Andreas Etlinger und Wolfgang Kreuzhuber vor Ort. Zum Beispiel jene rund um die „Missa solemnis in B“, WAB 29 – die Komposition entstand anlässlich der Inthronisation des Propstes Friedrich Mayr in St. Florian. Nach der Uraufführung der Messe im Gottesdienst war Bruckner nicht zur Festtafel geladen – so ging Bruckner ins benachbarte Wirtshaus, bestellte sich selbst eine Tafel mit fünf Gängen und erklärte: „Die Mess‘ hat sich’s verdient!“ Selbst rund um Bruckners Begräbnis existiert so manche Geschichte. Als Ignaz Bruckner (1833–1913) hinter dem Sarg seines verstorbenen Bruders herging, hieß es aufgrund der Ähnlichkeit der Brüder: „Der Bruckner geht hinter seinem eigenen Sarg her...“
Station 2: Enns-St. Marien
Der nächste Halt: Die Pfarrkirche Unsere Liebe Frau vom Schnee in Enns. Dort entsteht derzeit auf Initiative von Harald Gründling eine neue Orgel mit 32 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Erbaut wird diese Franziskusorgel in der Pfarre Enns-St. Marien von Kögler Orgelbau aus St. Florian. Ihre Weihe ist für den 7. Oktober 2018 vorgesehen.
Mehr Bilder aus Enns-St. Marien gibt's in der Bildergalerie Enns-St. Marien...
Das Gehäuse der Orgel im barocken Stil wurde künstlerisch von Christoph Herndler und Mary Fernety gestaltet. Darüber ist in der Kirche zu lesen:
„Metallisch reflektierende sowie absorbierende Farben aus einer Grau-Blau-Skala sind in gleichmäßig senkrechten Streifen auf das Orgelgehäuse aufgetragen und setzen dabei das Reflexionsmuster der silbernen Prospektpfeifen fort. Dabei entsteht durch die Betonung der Vertikalen ein augenfälliger Bezug zur gotischen Bauweise der Kirche. Durch die reflektierenden Farben reagiert die Bemalung auf die Farbigkeit des Kirchenraums: Verankert in der Vergangenheit reflektiert sie die Gegenwart. Während die Prachensky-Fenster einen farbig-amorphen Pol bilden, schafft das gegenüberliegende Gesicht der Orgel in seiner Farbgestaltung und der geometrisch-kristallinen Form einen Gegenpol. Durch unterschiedliche Beleuchtung des Raums oder der Orgel kann das Erscheinungsbild des Instruments vielfältig variiert werden. Allein bei unterschiedlichem Tageslicht oder auch nur bei einem Standortwechsel des Betrachters verändern sich die Farb- und Kontrastverhältnisse wesentlich: Helles wird dunkel, Dunkles wird hell – starke Kontraste werden schwach und schwache stark.“
Station 3: Allerheiligen im Mühlkreis
Nach einem kurzen Abstecher zum Mittagessen am Karlingberger Gut in Perg führte der Weg weiter nach Allerheiligen im Mühlkreis. Die Wallfahrtskirche Unsere liebe Frau, Königin Aller Heiligen beherbergt gleich zwei Besonderheiten. Sehenswürdigkeit Nummer Eins ist der sogenannte Schneckenturm, ein fünfeckiger Turm an der Westseite der Kirche, dessen Aufgang außergewöhnlich ist: Der Schneckenturm besitzt eine spindellose Wendeltreppe mit 62 Stufen zu Fenstern, die einen unbeschreiblichen Fernblick ermöglichen – vom Böhmerwald bis zum Ötscher, von Karlstift bis zu den Bergen Salzburgs.
Mehr Bilder aus Allerheiligen im Mühlkreis gibt's in der Bildergalerie Allerheiligen im Mühlkreis...
Sehenswürdigkeit Nummer Zwei ist – wie könnte es beim Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz auch anders sein – die frühbarocke Orgel der Wallfahrtskirche, die stehend zu spielen ist. Die aus dem 17. Jahrhundert stammende Orgel mit ihrem schmalen, hohen Gehäuse mit rekonstruierten Flügeltüren besitzt zehn Register, deren originale Beschriftung auf Papier noch vorhanden ist, auf einem Manual und zählt zu den ältesten Instrumenten Österreichs. Durch ihre mitteltönige Stimmung gilt es, die Tonart beim Spiel sorgfältig auszuwählen (Stichwort: Tonartencharakteristik). Vor allem die Chromatik bekommt damit ihre starke Prägung, die u.a. für die musikalische Darstellung des Sündenfalls oder des Leidens verwendet werden kann. In Sachen Expressivität drängt sich ein Vergleich mit der Bildsprache Hieronymus Boschs auf. Die Orgel besitzt zwar kein Pedal, durch die Möglichkeit, die acht tiefsten Tasten im Manual mit 16‘ zu spielen, ergibt sich jedoch ein klanglicher Pedaleffekt.
Restauriert wurde die von einem nicht bekannten Orgelbauer erbaute Orgel 1995 auf Initiative von Wolfgang Kreuzhuber von den Orgelbaumeistern Marc Garnier (Frankreich) und Reinhold Humer (Oberösterreich) – dabei wurde der Pfeifenbestand vervollständigt und wieder in mitteltöniger Stimmung intoniert. Es handelte sich dabei um die erste Orgel Oberösterreichs, die wieder eine mitteltönige Stimmung erhielt – bei diesem großen Schritt wurde streng nach wissenschaftlichen Vorgaben vorgegangen, sodass man in Allerheiligen nun voll Stolz auf ein Kleinod des Orgelbaus blicken kann.
Station 4: Baumgartenberg
In Baumgartenberg wurde die Gruppe bereits von Gerhard Schwandl erwartet, der im Zuge einer Führung Spannendes zu erzählen hatte. Auf launige Weise brachte er Geschichte, Kunst und Kultur des Stiftes näher. Einen kleinen Auszug davon gibt’s hier nachzulesen.
Das Stift Baumgartenberg ist ein ehemaliges Zisterzienserkloster – heute beherbergt es die Schwestern vom Guten Hirten. Nach der Aufhebung des Stiftes Baumgartenberg 1784 durch Joseph II. (1741–1790) wurde die Stiftskirche Mariä Himmelfahrt der Pfarre Baumgartenberg als Pfarrkirche einverleibt – gerne wird sie aufgrund ihrer barocken Pracht auch als „Dom zu Machland“ bezeichnet. Die mittelalterlichen Baustufen des Hochchors, der Vorhalle und des Langhausdaches sind gut erkennbar. Aus der Gründungszeit des Klosters stammt die Westmauer mit dem romanischen Portal. Das Kloster geht auf Otto von Machland (+1148) zurück – sein Familienwappen mit dem goldenen Adler wurde zum Wappen des Landes Oberösterreich. Um 1697 wurde die Kirche barockisiert – wie auch im Stift St. Florian war auch hier Baumeister Carlo Antonio Carlone (um 1635–1708) am Werk – und ein Gros der Kirche innen wie außen umgestaltet. Heute begegnen einander daher romanische und gotische Grundelemente in wunderbarer Harmonie.
Mehr Bilder aus der ehemaligen Stiftskirche Baumgartenberg gibt's in der Bildergalerie Baumgartenberg...
Einen besonderen Eindruck hinterlassen das im 17. Jahrhundert von unbekannten Meistern kunstvoll geschnitzte und mit Akanthusrankenwerk, Wangen und Fruchtgehängen versehene Chorgestühl mit dem Abt- und dem Stiftswappen sowie die Kanzel, die am Kanzelfuß den heiligen Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) darstellt. Der heilige Bernhard gilt als einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens, der für die Ausbreitung des Ordens in ganz Europa verantwortlich zeichnete – dargestellt wird er darum als liegende Figur, aus deren Körper ein Baum wächst und der somit die Wurzel des Ordens symbolisiert.
„Bernard Abbt schafft mich
Hannß Freindt macht mich
Martin Schubertt fasst mich
Werth Freundt schlägt mich
Guett Musteus ziehrt mich
Deren Menge besetzt mich
Mit allen vergleich ich mich
Frombs gemüth anhört mich“
Das verrät die Aufschrift auf einer Tür an der Rückseite der Orgel in der Stiftskirche. Das ursprünglich wohl als Lettner-Orgel genutzte Instrument stammt aus dem Jahr 1662 und wurde von dem Passauer Orgelbauer Johann Freundt erbaut. 1780 wurde die Orgel vom Freistädter Orgelbauer Lorenz Franz Richter um ein zweites Manual sowie ein Brüstungspositiv ergänzt. Die Orgel hat – wie bei Spieltischen aus der Barockzeit üblich – keinen Knieeinschub, wodurch eine unangenehmere Sitzhaltung beim Spielen entsteht. Seit dem Richterschen Umbau besitzt sie 17 Register.
Glücklicherweise blieben dem Instrument größere Umbauten erspart, sodass die Orgel 1999 auf Initiative des im Januar 2018 verstorbenen Heinz Reknagel von der Orgelbauanstalt Kögler restauriert und in den barocken Zustand zurückgeführt werden konnte.
Ausklang
Ein gigantisches Buffet im Café Andrea, das Heinz Reknagels Schwester in Baumgartenberg führt, rundete die Exkursion ab, bevor der Weg zurück nach Linz – und in die Ferien – führte. Und wer könnte am Ende des Tages, des Studienjahres besser zu Wort kommen als der heilige Bernhard von Clairvaux: „Leben heißt nicht fragen. Leben ist Antwort durch Leben und Tat.“
(sp)