Josef – der Träumer
„Du bist ein Träumer“ – Diese Zuschreibung wird oft in einem wenig schmeichelhaften Sinne gebraucht, um einem Menschen zu sagen: Du hast völlig unrealistische Vorstellungen. Du bist auf dem Holzweg. Du wirst dich noch wundern. … In der Heiligen Schrift wird Josef, der Mann Mariens, als „Träumer“ dargestellt, allerdings in einem ganz anderen Sinn.
Im Traum wird ihm das Wunder offenbart, das an Maria geschehen ist, im Traum reift sein Glaube, dass es Gottes Wille ist, sie nicht zu verstoßen, sondern zu heiraten, obwohl das Kind, das sie erwartet, nicht von ihm ist.
Im Traum durchschaut er die böse Absicht des König Herodes, der aus Machtbesessenheit und Eifersucht Jesus töten will. Im Traum wird ihm deutlich, dass es an der Zeit ist, das Nötigste zusammenzupacken und ins sichere Ägypten aufzubrechen.
Im Traum wird ihm schließlich der rechte Zeitpunkt für die Rückkehr nach Nazareth genannt, um dort als Handwerker für seine Familie zu sorgen.
Im Hören auf seine Träume und im Vertrauen, durch sie von Gott geführt zu werden, wird er zum wesentlichen „Mitspieler“ in Gottes Heilsgeschichte. Wer so wie Josef träumt, berührt darin immer den Traum Gottes von uns Menschen, berührt die Dinge, die Gott von uns träumt, die er für den Lauf der Welt träumt.
Wer so wie Josef seinem Traum folgt, ist ein mutiger und gleichzeitig sensibler Mensch. Wer sich so wie er durch Träume führen lässt, ist das Gegenteil von einem Fanatiker, der die eigene Überzeugung über alles stellt.
Die Sensibilität gegenüber dem Wort Gottes macht Josef empfindsam für die Menschen. Sein Mut zum Hören und Fühlen nach innen bewahrt ihn davor, Maria Unrecht zu tun. Seine im Traum gelebte Intimität mit Gott prägt schließlich sein ganzes Leben und schaffte den Raum, in dem Jesus selbst im Glauben an einen zärtlichen Gott reifen konnte.
Kein einziges Wort aus dem Mund Josefs ist uns in der Heiligen Schrift überliefert, weil nicht sein Reden bedeutsam geworden ist, sondern sein Tun; nicht das Wort, das er sprach, sondern das Wort, dem er folgte. Seine Berufung war es, ganz still und unscheinbar am Werk Gottes für die Menschen mitzuarbeiten. Nicht mehr. Und schon gar nicht weniger. Das ist Programm genug, auch für uns. Hören. Schweigen. Nicht reden. Aber tun.