Allerheiligen
Bedeutung und Geschichte
Die Wurzeln des Festes Allerheiligen liegen im christlichen Orient – bereits im vierten Jahrhundert sind Sammelfeste für Heilige bezeugt. Mit der zunehmenden Zahl an Märtyrern während der Christenverfolgung wurde es unmöglich, jedes Blutzeugen einzeln zu gedenken.
Zunächst war der Termin dieses Festes noch nicht einheitlich – je nach Kirche wurde es am Freitag nach Ostern, am Sonntag nach Pfingsten oder am 13. Mai gefeiert. Auf den 1. November verlagert wurde das Fest Allerheiligen durch irische Einflüsse: Denn der 1. November markiert im kelto-gallischen Kalender den Jahresbeginn. Am Vorabend wurde „All Hallows' eve“ („Vorabend von Allerheiligen“) gefeiert, heute als Halloween im Sprachgebrauch verankert. Durch Papst Gregor IV. und Kaiser Ludwig den Frommen hat sich im neunten Jahrhundert der 1. November als Fest für Allerheiligen durchgesetzt, der im liturgischen Kalender bis in die Gegenwart erhalten ist. Die Anfügung eines Gedächtnisses aller Toten am folgenden Tag (Allerseelen) geht auf Odilo von Cluny zurück, der dies im Jahr 998 festlegte.
Doch was wird überhaupt an Allerheiligen gefeiert? Ein Blick in die Präfation am Hochfest Allerheiligen gibt über das Festgeheimnis Aufschluss: „Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind. Dorthin pilgern auch wir im Glauben, ermutigt durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel und gehen freudig dem Ziel der Verheißung entgegen. Darum preisen wir dich in der Gemeinschaft deiner Heiligen und singen mit den Chören der Engel das Lob deiner Herrlichkeit.“
Diese Worte verdeutlichen, dass das Fest nicht nur von der Kirche offiziell Heiliggesprochene feiert, sondern alle Christinnen und Christen, die sich Gott so geöffnet haben, dass er schon im Leben ihr Heil geworden ist. „Heilig“ muss dabei im Verständnis der Urkirche gesehen werden: Das Wort meint nicht die Eigenschaft besonderer religiöser Leistungsfähigkeit oder außerordentlicher Lebensführung, sondern all jene Menschen, die „Gott“ in sich tragen und die nach außen strahlen, Menschen, die ganz im Sinne der acht Seligpreisungen aus dem Tagesevangelium handeln, Menschen, die wie „auferstanden“ leben, wie im Himmel auf Erden.
Brauchtum und Feiern
In der Praxis wird an Allerheiligen das Gedenken an die Verstorbenen, eigentlich Festinhalt des Allerseelentages, mit jenem ursprünglichen Gedenken an die Märtyrer verbunden, was sich in einem der wichtigsten Rituale, dem Gang zu den Gräbern auf dem Friedhof widerspiegelt. Zumeist am frühen Nachmittag finden Andachten mit Totengedenken und Gräbersegnung auf dem Friedhof statt, bei denen die Familien an den Gräbern ihrer verstorbenen Angehörigen stehen, die sie mit Kerzen, Herbstblumen, Gestecken oder Kränzen verziert haben.
In manchen Regionen Oberösterreichs wird der Allerheiligentag auch als „Godntag“ begangen. Wie zu Ostern und zu Weihnachten besuchen sich Pate/Patin („God“, „Gote“) und Patenkind („Godnkind“); der Pate oder die Patin nehmen dabei ein kleines Geschenk oder ein Gebildbrot bzw. einen Striezel („Godnsach“) für das Patenkind mit. Auch ein Beschenken des Paten oder der Patin durch das Patenkind ist in manchen Regionen üblich.
Aktualität
Die katholische Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte eine große Anzahl von Menschen zu Heiligen erklärt, darauf hoffend, dass diese zu Orientierungshilfen für uns werden, wie Menschen leben sollen und können. Wenn man dem mittelalterlichen Mystiker Jakob Böhme folgt, hat „[…] der Heilige seine Kirche an allen Orten bei sich und in sich.“
Im Glaubensbekenntnis sprechen wir vom Glauben an die „Gemeinschaft der Heiligen“ – damit verleihen wir unserem Bewusstsein Ausdruck, dass wir als Christen Teil einer großen Bewegung sind, die sich durch die Geschichte zieht. Theologe Hans Gerhard Beringer sieht darin ein wunderbares Bild vor Augen: „Es sind schon viele vor mir diesen Weg gegangen – das ist sozusagen die Zeitachse durch die Geschichte – und es gehen heute viele gleichzeitig diesen Weg – das ist sozusagen die horizontale Breitenachse (gemeinsam ergeben sie ein Kreuz!).“
Zitate:
Behringer, Hans Gerhard (2016): Die Heilkraft der Fest erfahren. Den Jahreskreis neu entdecken. Ostfildern: Patmos.
Erzabtei St. Martin zu Beuron: Schott: Präfationen. URL: https://www.erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz/index.html?file=../schott/gemeinsame_texte/Praefationen/Jahreskreis.htm [Stand: 10/2020]