Vernetzen statt verzweifeln
Sie ist Theologin, Pastoralassistentin, Mutter von drei Kindern, Bibelliebhaberin – und eine Frau, die Mut macht. Astrid Hollaus denkt Kirche nicht als abgeschottetes System, sondern als lebendigen, lernenden Organismus - im Austausch mit der Gesellschaft, mit anderen Menschen, mit sich selbst und mit Gott. Im Gespräch mit ihr wird klar: Veränderung braucht Mut, Reflexion, Gemeinschaft – und Visionen, die über den Tellerrand hinausreichen.

Astrid, was hat dich zur Theologie geführt – trotz anderer Studienpläne?
Begonnen habe ich mit Psychologie und wollte es im zweiten Jahr mit Sport kombinieren. An Theologie hatte ich ursprünglich überhaupt nicht gedacht. Im ersten Studienjahr lernte ich in einem katholischen Student:innenheim in Salzburg einige Theologiestudierende kennen. Der Schwenk war tatsächlich ein „Blitzmoment“ – und zwar während eines Weitsprungtrainings für die Sport-Aufnahmeprüfung.
Was war deine prägendste Glaubenserfahrung – und was bleibt davon?
Mit Anfang 20 hatte ich eine intensive innere Erfahrung, die eine große Suchbewegung auslöste. Halt fand ich in einer kleinen christlichen Gruppe, in der Pfarre und durch meinen ersten geistlichen Begleiter. Verschiedene Lebensereignisse und Glaubenskrisen haben mein Gottesbild verändert. Heute höre ich mehr zu und bin offener gegenüber den Zugängen anderer. Doch die Zuversicht, dass da MEHR ist, trägt mich nach wie vor.
Welche Rolle spielt die Bibel für dich – persönlich und beruflich?
Ich beginne meinen Tag mit den Tageslesungen und die Bibel war mir auch in Krisenzeiten eine Stütze. Ein Beispiel: Der „Auszug aus Ägypten“ im Buch Exodus stand für mich für den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt – befreiend und zugleich herausfordernd. Die Bibel hat mir geholfen, mein eigenes Leben besser zu verstehen.
Was macht für dich gelingende Kooperation aus?
Vertrauen, Verlässlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Eine gute Zusammenarbeit lebt davon, dass man bereit ist, eigene Ideen zu hinterfragen und sich von anderen inspirieren zu lassen. Gibt es ein Erlebnis, bei dem du besonders gespürt hast: Gemeinsam geht mehr? Ganz klar: In einer „Projektschmiede“ im Rahmen eines Lehrgangs wurde mein Vorschlag von der Gruppe nach einer bestimmten Methode hinterfragt und weiterentwickelt. Die Perspektiven der anderen haben das Projekt komplett verändert – und es wurde besser, menschennäher. So bereichernd!
Wie erlebst du dein Engagement als Frau in der Kirche?
Vor meiner Tätigkeit als Pastoralassistentin war mir nicht bewusst, wie es sich anfühlt, als Frau in der katholischen Kirche zu arbeiten. Oft zählt im Endeffekt nur, dass ein Priester Sakramente spendet – nicht, was oder wie ich wirke.
Diese Strukturen sind tief verankert, auch gesellschaftlich. Und dennoch: Es gibt so viele engagierte Menschen, die aus dem Evangelium heraus Kirche mitgestalten. Das gibt Hoffnung.

Was bedeutet für dich eine zukunftsfähige Kirche – und wie kommen wir dorthin?
Jesus verkündete, heilte, betete und stiftete Gemeinschaft – das sind für mich die vier Grundfunktionen von Kirche. Der erste Schritt? Eine wertschätzende Haltung jedem Menschen gegenüber. Und ein Perspektivenwechsel: Nicht „wir erklären euch Kirche“, sondern „was kann ich vom anderen über Gottes Wirken lernen?“
Du sprichst davon, dass es eine „Koalition der Willigen“ braucht. Was meinst du damit?
Es geht darum, sich mit Menschen zu verbinden, die „gewillt“ sind, in bestimmten Themenbereichen etwas bewegen wollen. Weniger jammern, mehr gestalten – mit dem, was wir haben. Natürlich geht nicht jede:r sofort mit, das ist okay. Wichtig ist der respektvolle Umgang. Unterschiedliches darf nebeneinander existieren. Veränderung beginnt mit den Mutigen.
Wie gelingt es dir, andere (und dich selbst) zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen?
Manche Tage sprudeln vor Ideen – da tu ich einfach. Ansonsten versuche ich, durch Begeisterung, Kreativität und Zuhören zu inspirieren. Durch gemeinsames Ausprobieren, Reflektieren und Weiterentwickeln entstehen oft ganz praktische Konzepte – etwa für die Firmvorbereitung oder die Trauerpastoral.
„Veränderung beginnt mit den Mutigen -
nicht mit den perfekten Bedingungen.“
Astrid Hollaus
Welche Rolle spielt Selbstreflexion für dich – persönlich und im kirchlichen Kontext?
Selbstreflexion ist für mich essenziell. Mein Umfeld – Familie, Freunde, Kolleg:innen – hält mir immer wieder einen Spiegel vor. Das ist manchmal anstrengend, aber wichtig. Und: Auch die Kirche als Ganzes muss sich reflektieren. Wir stecken in einer massiven Umbruchszeit. Visionen sind nötig – und offene Fragen wie: Was würde Jesus heute tun?
Wie gelingt es dir, die Bibel im pastoralen Alltag lebendig zu machen?
Das ist ein lebenslanges Projekt. Ich beschäftige mich intensiv mit den Entstehungskontexten, aber manche Texte bleiben herausfordernd – auch für mich. Wenn es gelingt, dass Funken überspringen, dann meist, weil ich selbst berührt bin. Die Menschen spüren: Das hat mit meinem Leben zu tun.
Gibt es Bibelstellen, die dir besonders Kraft geben?
Viele! Gerade begleitet mich das Johannesevangelium – besonders die Verheißung des „Beistands“, die Jesus seinen Zuhörer:innen zuteil werden lässt. Ich habe selbst schon so oft erlebt, dass ich aus einem ‚Sumpf‘ wieder herausgezogen wurde. Das stärkt mein Vertrauen, dass auch Zukünftiges tragbar sein wird.

Welche Menschen oder Bewegungen inspirieren dich?
Alle, die sich für eine gerechte, friedliche und lebenswerte Welt einsetzen – auch gegen Widerstände. Sei es im Bereich Menschenrechte, Klima oder Demokratie: es braucht Menschen, die mutig und motiviert vorangehen und dabei versuchen, andere dort abzuholen, wo sie gerade stehen.
Was rätst du jungen Menschen, die sich engagieren wollen, aber nicht wissen, wo anfangen?
Frag dich: Wofür brennst du? Und dann: Tu etwas. Suche dir Menschen, die ähnlich ticken, und docke an. Der erste Schritt ist oft der schwierigste. Lass dich nicht vom Scheitern entmutigen – vieles ergibt sich im Tun. Du kannst etwas bewirken!,
Astrid Hollaus ist Pastoralassistentin im Dekanat Unterweißenbach. Ihre Begeisterung für die Bibel begleitet sie seit ihrer Kindheit – ebenso wie das Bedürfnis, Kirche mitzugestalten.
Nach Jahren als Religionslehrerin bringt sie heute ihre Erfahrung, ihr Netzwerkdenken und ihren leidenschaftlichen Glauben in ihre Arbeit ein. Besonders am Herzen liegt ihr die Zusammenarbeit mit „Koalitionen der Willigen“ – auf dem Weg zu einer gerechten, zukunftsfähigen Kirche.
