Der Mangelernährung den Kampf ansagen
„Einseitige Ernährung, die es an wichtigen Nährstoffen mangeln lässt, gibt es im reichen Norden ebenso wie im armen Süden dieser Welt,“, so Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann und kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner, „im Norden hauptsächlich bedingt durch den unreflektierten Konsum qualitativ schlechter, industriell gefertigter Lebensmittel, im Süden vor allem durch Armut, aber auch Klimaveränderungen, abnehmende Biodiversität, niedriges Bildungsniveau: insbesondere Frauen sind dort davon betroffen“.
Im Kampf gegen Mangelernährung im Süden wie im Norden der Welt fordern anlässlich des Welternährungs- und Weltlandfrauentags am 16. und am 15. Oktober die ARGE Österreichischer Bäuerinnen und die Katholische Frauenbewegung Österreichs Maßnahmen im Kampf gegen die Mangelernährung.
„Derzeit gibt es in Österreich keine allgemein gültigen Qualitätsstandards in der Gemeinschaftsverpflegung, beispielsweise in Kindergärten oder Schulen“, so Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann. Gemeinden, Betriebe oder Bildungs- und andere Einrichtungen würden individuell entscheiden, ob das, was auf den Teller kommt, qualitativen Kriterien genüge oder nicht. Gefordert seien daher eine Anhebung des Qualitätsstandards sowie Transparenz hinsichtlich der Herkunft von Lebensmitteln für die KonsumentInnen: „Wir rufen die Länder dazu auf, ein entsprechendes Maßnahmenpaket in Großküchen wie etwa Schulen, Kindergärten oder Kantinen in Angriff zu nehmen“, so Schwarzmann. Die ARGE Bäuerinnen unterstützt in diesem Zusammenhang auch die Initiative „Gut zu wissen“ der Landwirtschaftskammer, die eine Kennzeichnung der Herkunft und Haltungsform von Fleisch und Eiern in Großküchen, Kantinen und Schulen fordert. Regionale und saisonale Lebensmittel bei den KonsumentInnen mehr zu verankern, sei überdies wichtig vor dem Hintergrund der klein strukturierten Landwirtschaft in Österreich, die es zu stärken gelte, so Schwarzmann.
Bei den Kindern beginnen: Bäuerinnen-Aktionstag 2018
Mit der Bewusstseinsbildung in Sachen gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel beginnen die Bäuerinnen schon bei Kindern. Beim alljährlichen Bäuerinnen-Aktionstag anlässlich des Welternährungstags, heuer am 16. Oktober, besuchen sie österreichweit erste Klassen in Volksschulen, um mit den Kindern – in diesem Jahr zum Thema „Vom Küken zum Ei“ – zu arbeiten. Mit einfachen Aktionen, bei denen das Angreifen, Selbermachen und Verkosten im Mittelpunkt stehe, sollen den Kindern und KonsumentInnen von morgen der Wert von qualitativem Essen sowie der respektvolle Umgang damit nahegebracht werden, erklärt Schwarzmann. Österreichweit erreichen die Bäuerinnen mit ihrer Aktion jährlich rund 45.000 Volksschülern.
Mangelernährung: Eine Frage des Geschlechts
In den Ländern des Südens ist Mangelernährung, auch als „stiller Hunger“ oder „verborgener Hunger“ bezeichnet, vor allem unter Frauen und Mädchen verbreitet. 1,4 Milliarden der weltweit 2 Milliarden mangelernährten Menschen sind Frauen und Mädchen. Denn die Auswirkungen von Armut, Klimaveränderungen, sinkender Biodiversität und fehlendem Zugang zu Bildung, die den „stillen Hunger“ begründen, verschärfen sich noch einmal entlang der Kategorie Geschlecht: „Patriarchale Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen verwehren Frauen gleichberechtigten Zugang zu Land, Bildung, Positionen in Entscheidungsprozessen“, so kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner: „Dazu kommt, dass Frauen oftmals - etwa als zugleich in der Landwirtschaft und in der Sorgearbeit Tätige – einer höheren Arbeitsbelastung und damit einem stärkeren Nährstoffverbrauch ausgesetzt sind als Männer, dass sie als Gebärende einen höheren Bedarf an Nährstoffen wie etwa Eisen aufweisen, häufig von Anämie betroffen sind. Und mancherorts ist es einfach auch so, dass Frauen und Mädchen beim Essen die Zweitgereihten sind, nach den Männern und Burschen: sie bekommen, was übrig bleibt“.
Strukturwandel statt Nahrungsanreicherung
Die Anreicherung von Nahrungsmitteln, wie sie vielfach als direkte Maßnahme gegen Mangelernährung angewendet wird und Konzerninteressen entgegenkommt, kann nur „Symptombekämpfung“ sein, so Pernsteiner. Die grundlegenden Ursachen würden dabei verdeckt, der Sachverhalt werde entpolitisiert. Notwendig seien vielmehr indirekte Maßnahmen, die die Wurzel des Problems angingen, etwa die Förderung von KleinbäuerInnen, eine Diversifizierung in der Produktion, die Bildung von Frauen und Mädchen, die Stärkung ihrer Rolle in der Gemeinschaft. Veronika Pernsteiner: „Unser Ziel müssen Ernährungssouveränität, d.h. lokale, selbstbestimmte und nachhaltige Produktions- und Konsumstrukturen sein, die Zugang zu nährstoffreicher und vielfältiger Nahrung gewährleisten. Frauen müssen zentrale Akteurinnen im Kampf gegen Mangelernährung sein.“ Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation FIAN (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk) fordert die Katholische Frauenbewegung Österreichs das Recht auf Nahrung für Frauen und Mädchen in internationalen Konventionen, Abkommen und Aktionsplänen.
Beispiel Nepal
Die Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs ist Partnerin einer Reihe von Projekten, die Mangelernährung über indirekte Maßnahmen bekämpfen helfen. So etwa unterstützt sie das nepalesische Projekt RRN (Rural Reconstruction Nepal), in dem Frauen lernen, wie mit neuen diversifizierenden landwirtschaftlichen Techniken und der Organisation in Gemeinschaften eine selbständige Nahrungsmittelversorgung aufgebaut und sichergestellt werden kann. Ratna Karki, Programmdirektor von RRN: „Der größte Erfolg ist die Verbesserung des Ernährungs- und Gesundheitsstatus von Frauen, Kindern und Alten, weil viel mehr auf ausgewogene Ernährung geachtet wird“. Nachhaltige Methoden der Landwirtschaft in kleinbäuerlichen Betrieben garantieren auch bei niedrigem Einkommen eine gesunde und leistbare Ernährung.
Rückfragen & Kontakt:
Kontakt ARGE Österreichische Bäuerinnen: Dipl.-Ing. Michaela Glatzl, M.A. Tel.: 01/53441-8517, E-Mail: m.glatzl @ lk-oe.at;
Kontakt LK-Pressestelle: Ludmilla Herzog, MAS Tel.: 01/53441-8522, E-Mail: l.herzog @ lk-oe.at;